Interview mit Mindfacts-Geschäftsführer Patrick Gallitz Eye Tracking ist kein Plug & Analyze Tool

Mindfacts feiert in diesem Jahr 10-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass sprach marktforschung.de mit Geschäftsführer Patrick Gallitz über Besonderheiten der digitalen Kommunikation, Entwicklungen in der Usability-Forschung und Herausforderungen für die Marktforschungsbranche.

Patrick Gallitz (Mindfacts)

Patrick Gallitz (Mindfacts)

marktforschung.de: Herr Gallitz, 2004 haben Sie das Beratungsbüro Mindfacts in München gegründet und sich auf Usability- und Marketing-Forschung spezialisiert. Wie kam es zu dem Schritt in die Selbstständigkeit und warum gerade diese Spezialisierung?

Patrick Gallitz: Nach Beendigung meines Studiums der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Werbepsychologie war ich zwischen 2000 und 2004 in der betrieblichen Online-Marktforschung, als Usability-Consultant in einer Kreativagentur und als institutioneller Marktforscher tätig. Über ein teils paralleles Zusatzstudium zum Thema Online-Journalismus erschloss ich mir die Besonderheiten der digitalen Kommunikation. 

Verlagsmarktforschung empfand ich vor zehn Jahren als sehr spannendes Betätigungsfeld, dem ich mich mit einem eigenen Business widmen wollte. Mit Usability-Tests die Entwicklung von Online-Portalen zu unterstützen, war unter anderem ein Grund dafür, mit Mindfacts auch gleichzeitig ein Teststudio zu betreiben. Es gab damals nur wenige Studios mit entsprechender technischer Ausstattung für Website-Analysen.

marktforschung.de: Was waren aus Ihrer Sicht die Meilensteine in der Firmengeschichte?

Patrick Gallitz: 2006 haben wir erstmals auch Eye Tracking in der Usability-Forschung eingesetzt. Rückblickend hat das apparative Verfahren unsere Spezialisierung / Positionierung deutlich beeinflusst. Wir sehen uns heute als Experten auf diesem Gebiet an.

Die steigende Nachfrage von Blickverlaufsanalysen führte 2008 dann auch zu einem Ausbau der Teststudioräumlichkeiten, um die Interview-Kapazität zu steigern. Insbesondere der wachsenden Zahl an Werbewirkungsstudien mit Eye Tracking galt es gerecht zu werden.

Aufgrund des engen und sehr partnerschaftlichen Austausches wurde Mindfacts 2010 offizieller Kooperationspartner der Tobii Technology GmbH, dem führenden Hersteller von Eye Tracking Lösungen.

2012 haben wir erstmals Eye Tracking mit physiologischen Messdaten kombiniert. Pilotstudie war ein Pretest für eine Onlinekampagne eines großen deutschen Automobilkonzerns. Die Herausforderung bestand insbesondere in der Synchronisation der Tracking-Daten, um auf Basis der in der Regel sehr kurzen Werberezeption die Aktivierungsleistung und der Impact auf die Emotion zu messen.

Seitdem sind Emotionsmessungen sowohl in der Usability- als auch Werbewirkungsforschung ein fester Bestandteil unseres Leistungsspektrums.

marktforschung.de: In den letzten 10 Jahren hat sich ja gerade im Bereich Online und Mobile eine Menge getan. Wie hat dies Ihr Geschäft beeinflusst?

Patrick Gallitz: Die rasante Entwicklung der Onlinemedien und mobilen Endgeräte stellt die Online- bzw. Usability-Forschung vor die Herausforderung, die Veränderungen hinsichtlich Technik und Mediennutzung aufzugreifen und sich methodisch weiterzuentwickeln. 

Für eine kompetente Beratung der Auftraggeber ist es daher auch unerlässlich, sich über die neuesten Entwicklungen und Webtrends zu informieren. Letztlich müssen die Ergebnisse eines Usability-Tests oder eines Online-Werbewirkungstests auch immer im Kontext der komplexen Zusammenhänge von (Online-) Kommunikationsmaßnahmen interpretiert werden.

marktforschung.de: Und wie schätzen Sie die Chancen und Risiken für die Marktforschungsbranche im Bereich Online und Mobile ein?

Patrick Gallitz: Schnelle Internetverbindungen und die mittlerweile hohe Verbreitung mobiler Internetnutzung bilden die Grundlage für die Entwicklung neuer Erhebungsmethoden, auch im Bereich der Usability-Forschung. 

Remote Usability Tests sind beispielsweise eine sehr gute Methode, Fehler in einer App zu finden und die App auf verschiedensten Endgeräten schnell und sehr günstig zu testen. Dennoch ist dieser Ansatz eher als komplementäre Methode zu „klassischen“ User-Experience-Tests zu sehen. Bei der Evaluation von Nutzerverhalten geht es nicht allein um das Abhaken einer Checkliste und die rational geprägte Introspektion der Teilnehmer. Beobachtung, die implizite Messung von Orientierungsverhalten und Emotionen sowie psychologische Tiefenexploration im Face2Face-Gespräch sind elementare Grundlagen für ein umfassendes Verständnis der User-Experience.

Große Preisunterschiede zwischen beiden Verfahren erschweren jedoch die Diskussion über deren Mehrwerte und Schwächen. Hochwertige und kompetente Usability-Forschung ist für Projektkosten von unter 500 € inklusive Fallpreise nicht möglich. Die Branche sieht sich hier auch der Herausforderung ausgesetzt, Qualitätsstandards und die Einhaltung marktforscherischer Richtlinien zu gewährleisten.

marktforschung.de: Wie hat sich die Entwicklung der apparativen Verfahren wie Eye Tracking im Laufe dieser Zeit verändert?

Patrick Gallitz: Die Handhabung insbesondere der Remote Eye Tracker hat sich stetig verbessert. Mittels Magnetismus und Software-Tools bei der Einstellung des Setups sind die Geräte heute deutlich flexibler und schneller einsetzbar. Zubehör wie Halterungen für mobile Endgeräte ermöglichen zudem, Blickverlaufsanalysen beispielsweise einfacher in App-Tests zu integrieren.

Trotz dieser sehr positiven Entwicklung ist Eye Tracking kein Plug & Analyze Tool: Statische Header, Javacript-Overlays für Klappnavigationen und integriertes Bewegtbild sind gängige Gestaltungsmerkmale von Web-Applikationen. Die Auswertung der Blickdaten auf diesen Elementen und die Aggregation von Orientierungsverhalten mehrerer Teilnehmer sind komplex und erfordern Erfahrung.

marktforschung.de: Gab und gibt es Übernahmeangebote für Ihr Unternehmen? Wie gehen Sie damit um?

Patrick Gallitz: Ja, Übernahme- oder Beteiligungsangebote gab es in den letzten drei Jahren. Beteiligungen können grundsätzlich interessant und sinnvoll sein, sie sollten aber auch in unsere Geschäftsphilosophie passen. Nachhaltiges und organisches Wachstum ist unser Ziel. 

Ich stehe Anfragen stets offen und interessiert gegenüber, eine Einigung hat es aber bis dato noch nicht gegeben.

marktforschung.de: Was sind Ihre strategischen Ziele für die nächsten 10 Jahre? 

Patrick Gallitz: Eine klare Positionierung ist insbesondere für kleinere Marktforschungsunternehmen unerlässlich, um langfristig am Markt zu bestehen. Wir werden daher unser Leistungsspektrum im Bereich der impliziten Methoden wie Eye Tracking und Emotion-Tracking weiter ausbauen Wir wollen uns weiterhin als Marktforschungsunternehmen für qualitative Forschung positionieren und vor allem in den Forschungsschwerpunkten Usability und Werbewirkung tätig sein.

Mit der neuen Mindfacts-Academy und unserem Seminarprogramm zu Eye Tracking haben wir gerade einen weiteren Schritt getan, uns als Spezialist für Blickverlaufsanalysen zu etablieren. Ein eigenes Analyse-Tool für Eye Tracking Daten ist zudem für 2015 geplant.

marktforschung.de: Herr Gallitz, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

 

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