Der VdMI schließt das Institut OGM wegen Online-Wahlumfrage aus Exempel statuiert: Verband wirft Institut wegen reiner Online-Stichprobe raus

Wolfgang Bachmayer, Gründer und Geschäftsführer des Wiener Instituts OGM, wehrt sich gegen den Rauswurf auf dem VdMI (picture alliance / GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com | GEORG HOCHMUTH)
Wer Mitglied sein will, muss sich an Regeln halten
Jeder Verband hat das Recht zu definieren, an welche Regeln sich seine Mitglieder zu halten haben, um dem Verband angehören zu dürfen. Das ist bei den beiden Marktforschungsverbänden VdMI und VMÖ in Österreich nicht anders als bei den deutschen Verbänden ADM, BVM, DGOF und der ASI. Einmal Mitglied, hat man sich an die Regeln, Standards und Richtlinien zu halten. Der Vorteil ist, die anderen Mitglieder tun es ebenso. Im besten Fall kommt die Mitgliedschaft dadurch einem Qualitätssiegel gleich. 2011 gegründet, stellt der VdMI in gewisser Weise das österreichische Pendant zum ADM dar. Er vertritt in erster Linie die Interessen der 29 Mitgliedsinstitute, die ihm angehören. Der VMÖ ist als Berufsverband der Marktforschenden vergleichbar mit dem deutschen BVM.
Eine "Hochschätzung" soll nicht nur online erhoben werden
Viele der Regeln und Richtlinien, die sich der VdMI gegeben hat, sind durchaus vergleichbar mit den Richtlinien der deutschen Marktforschungsverbände. Ein deutlicher Unterschied besteht allerdings in der „Richtlinie für die Erstellung und Veröffentlichung von Ergebnissen der Wahlforschung – sogenannte “Sonntagsfrage” – in Medien für alle Wahlgänge“ aus dem Jahre 2017. Hierin werden als Soll-Bestimmung die Kriterien definiert, die eine Wahlumfrage eines VdMI-Instituts, die in den Medien veröffentlicht werden soll, zu erfüllen hat:
a. Mindestgröße des Samples: n=800
b. Zulässige Methodik: CATI oder face-to-face Interviews oder mixed mode (Mischung aus CATI und/oder face-to-face und/oder online). Reine Online-Umfragen sind für eine Hochschätzung nicht geeignet.
c. Ausweisen der Schwankungsbreite auf Basis der Deklarierten der Rohstichprobe
d. Angabe der Fallzahlen der veröffentlichten Subgruppen
e. die Stichprobe muss ein repräsentatives Abbild der Grundgesamtheit darstellen. Zu diesem Zweck sollen auch (Auffüllungs-) Quoten definiert werden, speziell auch differenzierte Quoten zur Bildung und Alter der Befragten).
f. Ergebnisse der Hochschätzung sollen nicht mit Prozent-Kommastellen veröffentlicht werden (Ausnahme davon: Darstellung Schwankungsbreiten)
OGM soll sich nicht die Richtlinien des VdMI gehalten haben und fliegt
Gegen diese Richtlinie hat nun das Wiener Full-Service Markt- und Meinungsforschungsinstitut OGM verstoßen, in dem es für die Wiener Tageszeitung Kurier eine Wahlumfrage erhoben hat, die nicht „Mixed-Mode“ erhoben wurde, sondern auf einem reinen Online-Sample beruht.
OGM wurde 1976 von Wolfgang Bachmayer in Wien gegründet und nennt sich selbst einen „Vorreiter bei methodischen Innovationen“. So war lt. eigener Aussage OGM 1978 das erste Institut Österreichs mit Telefonbefragung. Bereits seit 2004 baut OGM ein hauseigenes Online-Panel auf, das 30.000 Teilnehmer besitzen soll.
OGM-Chef Wolfgang Bachmayer sieht Zusammenhang zu aktuellen Geschehnissen
Rein methodisch betrachtet, wählte OGM also das gleiche methodische Vorgehen für eine Wahlumfrage wie Research Affairs, das Institut von Sabine Beinschab, dass eine der Hauptrollen in der ÖVP-Korruptionsaffäre innehat, die zum Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz führte.
Da Research Affairs kein Mitglied des VdMI ist, konnte das Institut auch nicht publikumswirksam ausgeschlossen werden. OGM dagegen schon, weswegen es nun ohne Anhörung aus dem VdMI ausgeschlossen wurde. Der Gründer und Geschäftsführer Wolfgang Bachmayer sieht darin offensichtlich einen Zusammenhang zwischen der ÖVP-Affäre und dem Ausschluss seines Instituts, wie er in einer Stellungnahme auf der OGM-Website deutlich macht:
„Angesichts der Affäre über gekaufte Interviews bei einem anderen Institut halten wir diese „Krisen-PR“ des VdMI, aktiv und nachdrücklich weiteres Öl ins Feuer zu schütten, für absolut unprofessionell.“
Die Motive für den Ausschluss sieht er außerdem im Konkurrenzdenken und wirtschaftlichen Sorgen wegen schlecht ausgelasteter Telefonstudios.
Die VdMI-Vorsitzende Edith Jaksch bezeichnet dies in einem Statement für den ORF.at dagegen als „absurd“. Die Erhebung der Sonntagsfrage sei „für kein Institut ein wirtschaftlicher Faktor“, doch stehe „bei den Qualitätskriterien zu Recht im Fokus. Die Anwendung des Methodenmix bei der Sonntagsfrage steht innerhalb des Verbandes bei allen Mitgliedern außer Streit“, so Jaksch im ORF weiter.
Ein Kommentar sei erlaubt
von Holger Geißler
Wenn ein Mitgliedsunternehmen gegen die Richtlinien eines Verbands verstößt, so darf es sich nicht wundern, wenn es ausgeschlossen wird. Es ist davon auszugehen, dass OGM die VdMI-Grundsätze bekannt waren, die allerdings als „Soll-Kriterien“ definiert sind. Allerdings überrascht der Zeitpunkt und legt die Vermutung nahe, dass ein zeitnahes Exempel statuiert werden sollte. Wenn man schon nicht Research Affairs rauswerfen kann, dann eben ein Institut, dass eine ähnliche Stichprobe für seine Wahlumfragen wählt. Auch, dass lt. der Aussage von Wolfgang Bachmayer, der Ausschluss eines langjährigen Mitglieds ohne schriftliche Anhörung stattfand, ist bemerkenswert.
Dass der VdMI seinen Mitgliedsinstituten vorschreibt, wie eine Stichprobe für eine Wahlumfrage konkret erhoben werden soll, ist im Vergleich zu den Regeln in Deutschland und Großbritannien ungewöhnlich. Gäbe es eine solche Regel in beiden Ländern, wäre z. B. Civey nicht Mitglied im ADM und YouGov nicht Mitglied im British Polling Council.
Die Marktforschung in Österreich mag ein eigener Kosmos sein. Nichtsdestotrotz sollte auch dem VdMI nicht entgangen sein, dass auch wenn Online-Access-Panel-Umfragen per se (noch) nicht bevölkerungsrepräsentativ sind, aus Online-Stichproben immer wieder gute Vorhersagen entstehen können. Siehe u. a. die Wahlumfragen bei der Bundestagswahl zuletzt in Deutschland, als die reine Online-Vorhersage von Civey die zweitbeste Prognose darstellte. Die Welt, die Penetrationsraten und das Mediennutzungsverhalten ändern sich. Was 2017 noch richtig war, muss 2021 nicht mehr methodisch der Königsweg sein, um die Stimmung im Land zu erheben. Und das sollte am Ende des Tages das Ziel von Vorwahlumfragen sein: Den Wahlausgang oder die aktuelle politische Stimmung im Land richtig abzubilden.
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