Evolution der Kundenzufriedenheitsforschung in der Versicherungsbranche - Entwicklung und Ausblick

Torben Tietz (MSR Consulting)

Von Torben Tietz, Partner bei MSR Consulting

Seit der Deregulierung vor 20 Jahren beschäftigt sich die Versicherungsbranche mit dem Thema Kundenorientierung. Wie auch in anderen Branchen zeigt sich immer wieder, dass Kundenorientierung ein entscheidender Wettbewerbsfaktor ist. Im Rückblick auf die letzten 20 Jahre kann dabei eine Evolution des Themas beobachtet werden. Entsprechend mussten und müssen sich Messinstrumente, die die Marktforschung bereitstellt, kontinuierlich weiterentwickeln. Der Artikel beschreibt rückblickend die Entwicklungen bis zum heutigen Tage und versucht einen Ausblick auf die Herausforderungen, die sich für die Marktforschung im Versicherungs- und Finanzdienstleistungssektor ergeben werden.

Rückblick

In den ersten Jahren nach der Regulierung benötigte die Branche Werkzeuge, die es ermöglichen, das Konstrukt Kundenzufriedenheit mess- und steuerbar zu machen. Wichtig dabei: Ergebnisse, die einzelnen Organisationseinheiten klar zugeordnet werden können und klar operationalisierbare Ansatzpunkte für die Unternehmen aufzeigen. Das Zufriedenheitsniveau war generell noch eher gering und es ging darum, Basisanforderungen zu erfüllen.

Da sich sehr viele Optimierungspotenziale zeigten, war für die Umsetzung eine Priorisierung notwendig. Zwei wesentliche Anforderungen wurden deutlich: Zum einen musste aufgezeigt werden, welchen Einfluss die Verbesserung in einem Prozess für die Zufriedenheit hat. Zum anderen wurde eine Einordnung der eigenen Performance im Marktvergleich notwendig. Für die Einordnung im Marktvergleich wurde die MSR-KUBUS-Datenbank aufgebaut, die sich bis heute kontinuierlich entwickelt hat. Wesentlich bei dieser Datenbank ist, dass Benchmarks nicht nur zu Zufriedenheiten auf oberster Ebene, sondern auch zu den Treibern der Zufriedenheit vorliegen (z.B. Geschwindigkeit der Schadenfallabwicklung). Aus der Einordnung im Markt in Verbindung mit der Bedeutung eines Aspekts können zielgerichtet Maßnahmen abgeleitet werden.

Die Perspektive wechselte recht schnell von der Betrachtung der Unzufriedenen in Richtung des Anteils der vollkommen und sehr zufriedenen Kunden. Das Benchmarking wurde weiter differenziert und der Bedarf nach offenen Benchmarks wurde deutlich. In diesem Zuge wurden die KUBUS Marktstudien aufgesetzt, die seit 2003 für die unterschiedlichen Märkte namentliche Benchmarks liefern.

Die nächste größere Entwicklung war die weitere Ausdifferenzierung der Messinstrumente, um eine Zuordnung zu einzelnen Unternehmenseinheiten herzustellen. Typisches zugrundeliegendes Problem war die mangelnde Betroffenheit der Beteiligten. Es wurden also Befragungen aufgesetzt, die Werte für einzelne Bereiche, Standorte, Teams, Vertriebsgebiete oder sogar Agenturen messen. Über die Messung für Unternehmenseinheiten kam eine neue Dynamik in Kundenzufriedenheitsprogramme.

Das Thema Mobilisierung kennzeichnet auch den nächsten Trend hin zur kontinuierlichen Messung der Kundenzufriedenheit bzw. Empfehlungsbereitschaft auf Prozessebene. Dabei war sicherlich die Allianz ein Vorreiter in der Branche, die bereits sehr früh ein umfassendes NPS-Mess-System aufgebaut hat, das heute eine große Wirkung zeigt.

Zwischenfazit

Insgesamt hat sich der Markt beim Thema Kundenorientierung deutlich entwickelt. Die Zufriedenheit ist marktweit seit 2003 fast kontinuierlich gestiegen. Prozesse wurden optimiert, neue technische Möglichkeiten aufgegriffen und Assistanceleistungen ausgebaut. Mit den Verbesserungen in der Branche steigt der Anspruch der Kunden an den Versicherer. Hinzu kommen die Erfahrungen, die Kunden in anderen Lebensbereichen sammeln (Beispiel: Einkauf bei Amazon), die sich deutlich auf die Kundenerwartungen auswirken.

Status Quo und Ausblick

Heute kann sich im Wettbewerb nur noch differenzieren, wer auf Kundenbegeisterung an den relevanten Touch-Points in der Customer Journey der jeweiligen Kundengruppe setzt. Das Tiefe Verständnis einzelner Kundensegmente und deren Erwartungen an die „Customer Experience“ ist Voraussetzung für einen erfolgreichen Auftritt am Markt. Die Analytik muss dabei berücksichtigen, dass sich Kunden in vielen Fällen nicht rein rational verhalten.

Kaum ein Anbieter ist so aufgestellt, dass er flächendeckend alle Kunden begeistern kann. In der Konsequenz heißt das, dass eine Fokussierung auf relevante Zielgruppen notwendig ist. Welche Kunden bediene ich gut und welche möchte ich wirklich begeistern? Diese Frage wird uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen. Entsprechend müssen Messinstrumente und auch das Benchmarking nach Zielgruppen differenziert werden.

Der Aspekt der Mobilisierung wird weiter erfolgsentscheidend sein. Begeisterung hat mit dem Verhalten der Mitarbeiter zu tun. Die Potenziale durch Verhaltensänderungen sind enorm. Um diese Mobilisierung zu erreichen, müssen zunehmend Brücken zwischen Kunden und den Verantwortlichen in den Fachabteilungen geschaffen werden. Der Dialog mit dem Kunden muss emotional erlebt werden, um eine Verhaltensänderung zu bewirken. Community-Plattformen bieten beispielsweise neue Möglichkeiten der Generierung von mobilisierendem Material und der direkten Interaktion.

Für die Versicherer wird es ebenfalls erfolgsentscheidend sein, den Blick über den Tellerrand der eigenen Branche hinaus zu richten. Kundenerwartungen basieren auf Erlebnissen mit anderen Branchen. Außerdem könnte sich die Wettbewerbssituation radikal verändern: Google beispielsweise ist in Großbritannien bereits mit einem Vergleichsportal am Markt. Es stellt sich die Frage, wie mit neuen Wettbewerbern umgegangen werden muss und welche USPs die Versicherer ihren Kunden vermitteln können.

Fazit

Das Kernthema bleibt gleich: die Marktforschung muss den Unternehmen helfen, Kundenbedürfnisse frühzeitig zu erkennen. Sie muss Mess- und Steuerungssysteme bereitstellen, die das Thema Kundenorientierung managbar machen. Und sie muss die Kundenperspektive konsequent ins Unternehmen tragen. Die Instrumente müssen neue technische Möglichkeiten und Markttrends konsequent aufgreifen, um den Nutzen für die Auftraggeber zu maximieren.

 

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