Das Interview zum Webinar am 9.6.2020 "Es wird häufig zu lange an bestehenden Kundensegmentierungen festgehalten."

Sören Scholz, Interrogare
Im Webinar am 9. Juni geht's um Segmentierung. In der Webinar-Ankündigung sprechen Sie davon, dass die Krise und damit einhergehende gesellschaftliche Veränderungen eine große Herausforderung für den langfristigen Erfolg von Kundensegmentierungen darstellen. Wie meinen Sie das?
Sören Scholz: Nicht zuletzt durch die Corona-Krise leben wir in volatilen Zeiten, in denen sich deutliche Veränderungen in der Gesellschaft und den Lebenswelten der Konsumenten entstehen. Natürlich stellt dieses Ereignis einen klaren Bruch dar. Allerdings sollten wir daran denken, dass auch ohne solche massive disruptive Ereignisse sich die Lebensrealitäten, Einstellungen und das Verhalten von Kunden ändern kann, so dass jede Kundensegmentierung im Laufe der Zeit an Präzision und Aussagekraft verliert. Dies ist ein generelles Problem, da Kundensegmentierung auf der einen Seite langfristige strategische Steuerelement darstellen sollen, die tief - als Leitwährung - im Unternehmen verankert werden, auf der anderen Seite aber relevante Entwicklungen aufgenommen werden müssen und somit immer noch eine ausreichende Flexiblität gewährleistet werden muss. Aus unserer Erfahrung wird häufig zu lange an bestehenden Kundensegmentierungen festgehalten bzw. diese nur auf Basis ihres Alters und nicht aufgrund von empirisch gemessenen Änderungen aufgegeben bzw. upgedatet. Hier mag Corona sogar helfen, da die massiven Veränderungen gebündelt eintreten und nicht schleichend stattfinden.
Viele Unternehmen haben seit vielen Jahren etablierte Segmentierungen. Warum sollten auch diese Unternehmen Ihr Webinar besuchen? Was lernt man im Webinar Neues?
Sören Scholz: Wie bereits oben beschrieben, können Segmentierungen im Unternehmen Bestand haben, da diese lange Zeit etabliert sind. Entscheidend ist allerdings sicherzustellen, dass diese Segmentierung auch noch die aktuellen Markt- und Kundenrealitäten widerspiegeln. Das Webinar kann auch für Nutzer etablierter Segmentierungen hilfreich sein, um zu hinterfragen inwieweit die gewählte Segmentierung methodisch und inhaltlich noch den State-of-the-Art darstellt oder eine neue Segmentierung echte Mehrwerte liefert.
Kundensegmentierungen erlauben gezielte Ansprachen und passgenaue Produkte. Erwarten Kunden nicht heutzutage bereits individuelle Kommunikation? Wie hat sich die Bedeutung oder vielleicht sogar die Notwendigkeit zur Segmentierung verändert? Braucht es vielleicht bald keine Segmente mehr, weil alles nur noch individualisiert funktioniert?
Sören Scholz: Auch wenn die - nicht zuletzt durch Corona - zunehmende Digitalisierung deutlich mehr Spielraum für die Individualisierung der Kundenansprache und Angebote ermöglicht, so sind wir doch noch sehr weit von einem echten 1-to-1-Marketing entfernt. Und dies hat häufig gute Gründe: Zum einen bieten viele Produktionsverfahren und Kommunikationskanäle noch keine ausreichenden Individualisierungsmöglichkeiten, zum anderen bieten individuelle Daten über jeden einzelnen Kunden aufgrund der hohen Komplexität häufig keine Hilfestellung bei der Beantwortung strategischer Fragestellungen. Denn gerade die durch Kundensegmentierungen erzielte Strukturierungen, Reduzierungen und Vereinfachungen erlaubt es uns, erfolgreich mit der großen Komplexität unserer Umwelt umzugehen. Mit anderen Worten: So schön der Gedanke einer vollständigen Individualisierung ist, sollte diese nur dort genutzt werden, wo sie auch umsetzbar ist und echte Mehrwerte liefert.
Dass es gesellschaftliche Veränderungen durch Corona gab, steht außer Frage. Gibt es seit dem Ausbruch der Pandemie vielleicht sogar gänzlich neue Kundensegmente, die es zuvor noch nicht gab? Und mit welchen Mitteln und Methoden findet man als Unternehmen/ finden Sie nun am besten heraus, inwiefern die eigene Kundensegmentierung angepasst werden sollte?
Sören Scholz: Es ist sicher davon auszugehen, dass die Corona-Krise bestimmte Trends und Entwicklungen massiv beschleunigen wird, was sicher auch dazu führt, dass neue Konsumententypen entstehen, die andere Einstellungen, Motivationen und letztendlich auch ein anderes Verhalten an den Tag legen. Aber auch bestehende Kundensegmente werden sich durch den massiven Eingriff in den Alltag verändern. Die einzige Möglichkeit diese Veränderungen zu erkennen und nicht zu verschlafen, besteht in einer empirischen Überprüfung. Hierzu müssen nicht immer aufwändig vollständig neue Segmentierungsstudien durchgeführt werden, sondern können auch gezielt einzelne Aspekte überprüft und ggfs. adaptiert werden, aber: Ganz ohne Empirie wird es nicht gehen.
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Sie sprechen in der Webinar-Ankündigung auch darüber, dass Segmentierungen hinsichtlich der Veränderungen angepasst und durch neue ersetzt werden können. Was brauche ich für die Umsetzung dieses Vorhabens? Muss ich stetig neue Daten über meine Kunden erheben?
Sören Scholz: Wie bereits erwähnt, sollte eine regelmäßige empirische Prüfung ein wichtiges Werkzeug zur erfolgreichen Nutzung von Segmentierungen sein. Hierfür ist es aus unserer Sicht unabdingbar, dass die Segmente auch im Rahmen von neuen Studien gezielt identifizier- und adressierbar sind, z. B. durch ein geeignetes Tagging-Verfahren. So können ganz gezielt einzelne Segmente auf Veränderungen untersucht werden und um neue Erkenntnisse erweitert werden. Ohne Tagging besteht eigentlich nur die Möglichkeit, die bestehende Segmentierung durch eine vollständig neue abzulösen.
Für diese begrenzte Validierung der Kundensegmente ist es allerdings hilfreich zu verstehen, dass nicht alle für die Identifizierung und Beschreibung von Kundensegmenten genutzte Variablen gleichermaßen volatil sind. So sind z. B. persönliche Werte und Motive zeitlich relativ stabil, während andere Aspekte wie Präferenzen und Bedürfnisse aber auch Verhalten deutlich kurzfristiger verändern können. Dieses Wissen kann helfen, um konkrete Pläne aufzustellen, in welchem Turnus welche Informationen gesammelt werden sollten.
In welchen Unternehmensbereichen (Vertrieb, Marketing...) spielen Ihrer Meinung nach die Veränderungen von Corona hinsichtlich Lebenswelten, Einstellung, Bedürfnissen und Verhaltensweisen und damit auch die erforderliche, passgenaue Kundensegmentierung die wichtigste Rolle?
Sören Scholz: Ich bin mir nicht sicher, ob man langfristig eine Unterscheidung der Relevanz einzelner Unternehmensbereiche vornehmen sollte, denn: Idealerweise sind diese Unternehmensbereiche eng verzahnt und abgestimmt. Kurzfristig können wir aber sehen, dass Corona/Covid19 in erster Linie den persönlichen, physischen Kontakt einschränkt und in einigen Bereichen sogar den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen vollständig verhindert, während z. B. die Kontaktmöglichkeiten für die Marketingkommunikation weitgehend erhalten bleiben.
Gerade aufgrund der starken Eingriffe stehen viele Unternehmen allerdings weniger vor der Frage, welche Unternehmensbereiche besonders an die Corona-bedingten Änderungen anzupassen gilt, sondern häufig vor viel gravierenderen Änderungen, die teilweise das gesamte Geschäftsmodell transformieren und somit alle Unternehmensbereiche betreffen. So wird es z.B. spannend sein zu sehen, wie z.B. die Event & Veranstaltungsindustrie die neuen Herausforderungen meistert oder wie klassische "analoge" Unternehmen den Weg in die Digitalisierung finden. Am Ende bleibt der alte Leitspruch: "Das einzig Stetige ist der Wandel".
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jvdm
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