Interview mit Jan Gerspach, Senior Vice President Central Europe bei Cint „Es wäre ein Meilenstein, eine Definition zu finden, was Panelqualität ausmacht“

Cint hat in der jüngeren Vergangenheit durch die Zukäufe von Lucid und GapFish für Aufsehen gesorgt. Jan Gerspach ist nach einem Ausflug zu Appinio zu Cint zurückgekehrt und verantwortet als Senior Vice President nun das Geschäft in Central Europe. Wir sprachen mit ihm über den Wechsel zurück, den Stand der Integration von Lucid und GapFish und wie Fortschritte beim Thema Panel-Qualität erzielt werden könnten.

Jan Gerspach ist als Senior Vice President bei Cint für den Bereich Central Europe und das von Cint akquirierte Unternehmen GapFish verantwortlich (Bild: Cint/Hoffotografen).

Herzlichen Glückwunsche zur Benennung zum Senior Vice President Central Europe bei Cint. Du bist 2021 von Cint zu Appinio gewechselt. Und jetzt – nach eineinhalb Jahren – geht es wieder zurück zu Cint. Wie kam es dazu?

Jan Gerspach: Ich wollte herausfinden, wie die neuartige Panel-Welt von Appinio in die traditionelle Research und Panel-Welt passt. Dieser Prozess war abgeschlossen und gleichzeitig ergab sich eine neue Chance bei Cint. In den letzten zwei Jahren habe ich die Entwicklung von Cint weiterverfolgt, die Akquisitionen von Lucid und GapFish. Das Portfolio von Cint wurde sehr sinnvoll ergänzt.

Auf der einen Seite kann der programmatische Markt besser bedient werden, um dort die Realitäten am Markt besser darstellen zu können. Andererseits haben wir mit GapFish den Panel- und Service-Spezialisten aus dem DACH-Raum, der einen hervorragenden Ruf hat und das Quäntchen Handarbeit und Spezialisierung mitbringt, was für viele Projekte wichtig ist. Auf diese Weise kann man das komplette Spektrum unserer Industrie bedienen. Für mich ist es spannend, dass mitzugestalten und voranzutreiben.

Also bist du in Kontakt geblieben mit deinen alten Cint Kollegen?

Jan Gerspach: Genau, das ist richtig. Ich bin mit vielen in Kontakt geblieben. Und ich kannte auch schon einen Teil der Mitarbeiter von GapFish. Lucid dagegen kam aus meiner Sicht komplett neu hinzu. Das war auch sehr interessante Erfahrung. Schließlich ist Lucid ein traditioneller Konkurrent von Cint. Jetzt machen wir alles gemeinsam. Meine jüngsten Erfahrungen haben mir inhaltlich die Antworten geliefert, die mir vor 2-3 Jahren bei Cint noch gefehlt haben.

Wir sind am Ende des Jahres, Zeit, um Dinge Revue passieren zu lassen. Wie war das Jahr bei Cint, seid ihr zufrieden?

Jan Gerspach: Wir sind sehr zufrieden. Wenn man die Geschäftszahlen sieht, kann man diese als erfolgreich betrachten. Das beschreibt aber nur einen Teil des Ganzen vor dem Hintergrund, dass wir drei Firmen zusammenführen müssen. Hier ist vieles im Gange und viele Synergieeffekte sind bereits zu beobachten. Aber es gibt auch noch eine Menge zu tun.

Ich weiß, dass bei Weitem noch nicht das ganze Potential geborgen ist.

Eine Frage, die jeden interessiert, ist die Frage, wie geht es jetzt weiter mit den Marken. Gerade mit der Marke GapFish, die jetzt noch als „A Cint company“ am Markt platziert ist. Wird GapFish komplett integriert, oder bleibt GapFish sozusagen als Diamant bestehen?

Jan Gerspach: Die Produkte und Dienstleistungen von GapFish haben ihre eigene Identität, die es zu wahren gilt. Sie ergänzen das Cint Portfolio im DACH-Raum wunderbar.

Es gibt keine Pläne, die Marke an sich aufzulösen. Wo es sinnvoll ist, wo es einen Mehrwert für Kunden oder Mitarbeiter gibt, führen wir die Organisation natürlich zusammen.

Was sind eure strategischen Ziele für 2023 in Central Europe?

Jan Gerspach: Wir sind in einer speziellen Situation. Global müssen Cint und und die integrierte Lucid Organisation ein Ziel verfolgen. Gleichzeitig ist GapFish nur in unserer Region tätig und verdient eine dedizierte Betrachtung.

Ich denke, ich sollte die Frage für Central Europe und nicht ganz Cint beantworten. Im Kern wollen wir es unseren Kunden so einfach wie möglich machen, auf die Technologien und Dienstleistungen der drei Unternehmen zuzugreifen. Ohne dabei mit drei Ansprechpartnern, drei Vertragswerken und drei Operationsteams zu arbeiten. Bestenfalls sind wir nach einem weiteren halben Jahr an dem Punkt, dass ich einen Touchpoint zur Firma habe, wo ich als Kunde, je nachdem, was ich machen möchte und brauche, bedient werde. Wenn das erreicht ist, ist viel gewonnen und viel Mehrwert geschaffen.

Dann bleibt weiterhin auf der Agenda, dass wir die Insights-Industry weiter entwickeln wollen, sich mehr der Technologie zu bedienen und sich weiter zu automatisieren.

Eine Commodity wie Online-Interviews, die zwischen einem Euro, fünf oder zehn Euro gehandelt werden, flächendeckend manuell zu machen, erscheint mir absurd.

Dafür gibt es Technologie, um das zu automatisieren. Bei vielen Unternehmen gibt es hier noch Aufholbedarf. Wir sehen uns hier als Thought-Leader der Branche.

In meiner Wahrnehmung habt ihr euch verändert. Ihr seid größer und größer geworden und an die Börse gegangen. Eine Geschichte, die ich überhaupt nicht so in Worten zusammenfassen kann. Wie erklärst du auf einer Party, was du genau machst?

Jan Gerspach: Das ist eine schöne Frage. Der statische Elevator Pitch ist – gerade im Deutschen – etwas holprig. Ich tue mich schwer damit, etwas, das im Englischen sportlich und elegant klingt, sauber in Deutsch ins Elevator Pitch rüber zuziehen. Das will ich in dieser Form nicht machen. Es hakt immer und ist „unhübsch“.

Der Kern des Unternehmens hat sich eigentlich niemals verändert. Es ging immer darum, die Käufer und Verkäufer von Online-Panel sinnvoll miteinander zu verbinden. Was sich verändert hat, ist die Tatsache, dass die Technologie dahinter immer mehr ins Zentrum gerückt ist. Vor zehn bis 15 Jahren war Technologie quasi eine Notwendigkeit, um das zu machen. Jetzt ist die Technologie der Grund dafür, das zu machen. Fast alle Gespräche drehen sich um die Frage, wie können wir die Technologie einsetzen. Nicht, wie man Sample Projekte durchführen kann.

Gepaart mit GapFish haben wir einen anderen Einstieg bei vielen Themen, etwa bei Rekrutierungen in speziellen Zielgruppen. Bei klassischer Panel-Handarbeit kam Cint überhaupt nicht ins Gespräch rein.

Wir haben bei Kunden die Erfahrung gemacht, dass der Schritt von der Handarbeit hin zur Automatisierung bei vielen ein Prozess ist. Kaum einer sagt: „Morgen will ich meine Research Operation automatisieren“. Normalerweise entsteht ein Schmerz bei der Durchführung und dann wollen wir zur Stelle sein.

Im Kern verbinden wir immer noch Käufer und Verkäufer von Online-Interviews. Das machen wir mit Hilfe von Technologie, die bei allen Überlegungen im Zentrum steht.

Das Thema Panel Quality wird in Amerika schon länger diskutiert und auch in Deutschland wird das Thema mehr und mehr aufgegriffen. Welche Rolle nehmt ihr in der Diskussion ein und wie würdest du das Thema aus der Sicht von Cint beschreiben?

Jan Gerspach: Das Thema war für uns immer aktuell und relevant. Wir sehen so viele Panels und auch Panel-Käufer, so dass das Thema Qualität immer diskutiert wurde.

Was wir dazu beitragen könnten, ist folgendes: Wir nutzen heute bereits Technologie, um schlechte Qualität in der Entstehung zu erkennen und zu entfernen. Das liefert jetzt schon in Echtzeit eine Menge Daten. Wir haben über 250 Millionen Panelisten. Da lassen sich schnell Muster erkennen.

Zum anderen sitzen wir als Unternehmen zwischen Panel-Käufern und Verkäufern. Hier sehen wir uns in einer Vermittlungsposition.

Für mich ist das Thema Panelqualität nicht loszulösen von dem Thema Umfragequalität. Das bedingt sich gegenseitig.

Zudem wäre es wichtig, dass die Debatte einheitlicher geführt wird.

Wenn wir heute 100 verschiedene Verbände, Kunden und Panel Anbieter nach der Definition von Panelqualität fragen, bekommen wir 100 ähnliche, aber in wichtigen Details unterschiedliche Antworten.

Und die Diskussion sollte nicht in der deutschen „Marktforschungsbubble“ stattfinden, sondern in einem internationalen Austausch. Nur auf der lokalen Ebene diskutiert, kommt es auf internationaler Ebene zu Konflikten, weil dort andere Vorstellungen herrschen. Die Frage muss auf globaler Ebene zwischen Instituten, Verbänden und Panel Anbietern beantwortet werden. Das ist ein großes Ziel, ansonsten haben wir die gleiche Konversation aber zehnmal parallel.

Aber allein schon in Deutschland wäre es ein Meilenstein, eine Definition zu finden, was Panelqualität ausmacht.

Es wäre ein wichtiger Schritt, als Markt eine geschlossene Meinung dazu zu haben.

Wer sind die Wettbewerber von Cint, mit wem pitchet ihr um gleiche Themen?

Jan Gerspach: Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Wenn man all das, was Cint kann, kombiniert und das als Gesamtdienstleistung- oder Produkt ansieht, gibt es eigentlich keinen direkten Konkurrenten. Wenn man jedoch auf einzelne Tools oder Dienstleistungen blickt, seien es Online-Access-Panels oder Exchange Plattform oder Media Measurement, gibt es jeweils Unternehmen, die einen sehr guten Job machen. Mit denen stehen wir in Konkurrenz bei einzelnen Projekten oder Kunden. Gleichzeitig sind diese Konkurrenten wiederum Kunden und Partner von Cint.

Bei GapFish und der klassischen Online Access Panel Leistung können wir genügend Unternehmen aufzählen, die als Konkurrenz beim Kunden gesehen werden können. Die Liste sieht bei Media Measurement oder Programatic Sampling jedoch komplett anders aus.

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Über die Person

Jan Gerspach studierte Lebensmitteltechnologie an der TU Berlin und fand 2011 den Einstieg in die Marktforschung. 10 Jahre sammelte er Erfahrung in verschiedenen Vertriebes- und Managementrollen bei Cint, bevor er 2021 zu Appinio wechselte. Im Oktober 2022 übernahm Gerspach die Rolle des SVP Central Europe’s für Cint und verantwortet dort seitdem die gesamte Region inklusive der durch Cint akquirierten GapFish GmbH.

 

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  1. Dr. Holger Mühlbauer am 12.01.2023
    [Panel- und Umfragequalität] "Und die Diskussion sollte nicht in der deutschen „Marktforschungsbubble“ stattfinden, sondern in einem internationalen Austausch. Nur auf der lokalen Ebene diskutiert, kommt es auf internationaler Ebene zu Konflikten, weil dort andere Vorstellungen herrschen. Die Frage muss auf globaler Ebene zwischen Instituten, Verbänden und Panel Anbietern beantwortet werden. Das ist ein großes Ziel, ansonsten haben wir die gleiche Konversation aber zehnmal parallel."

    Das ist richtig und mit dem ISO-Komitee 225 bzw. der internationalen, branchenspezifischen Konsensnorm ISO20252 bereits gegeben. GapFish selbst ist seit etlichen Jahren erfolgreich ISO-zertifiziert.

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