Sommerumfrage 2023: Rückblick aufs erste Halbjahr „Es ist erstaunlich, wie wenig die Krisen bisher den Geschäftsverlauf beeinträchtigt haben“

Wie verlief das erste Halbjahr 2023 in der deutschen Marktforschungslandschaft? Und wie ist der weitere Ausblick auf die kommenden Monate? Im ersten Teil unserer Sommerumfrage lesen Sie, wie das erste Halbjahr bei elf der 25 umsatzstärksten Institute in Deutschland (unter anderem GIM, Infas, YouGov, Ipsos, Sinus, Skopos, Innofact) bislang verlaufen ist.

Ähnlich wie bei der Tour de France gab es für die meisten Institute im ersten Halbjahr auch diverse Bergetappen zu meistern (Bild: picture alliance/EPA-EFE | Anne-Christine Poujoulat / Pool).

Die Ausgangsfrage an die Top25 Institute war: „Wie verlief aus Ihrer Sicht das erste Halbjahr 2023 bezogen auf Ihr Unternehmen im Speziellen und bezogen auf die Marktforschungsbranche insgesamt? Was hat Sie überrascht?“.

Die Ergebnisse zeigen ein heterogenes Bild: Einige Häuser sind sehr gut durchs erste Halbjahr gekommen, für andere war die ersten sechs Monate herausfordernd. Unsicherheit, Kaufzurückhaltung, Budgetkürzungen sind Schlagworte, die mehrmals genannt werden. Stand im ersten Halbjahr 2022 noch der Kampf um die besten Talente auf der Tagesordnung, um die Projekte abarbeiten zu können, war die Nachfrage nach Marktforschungsdienstleistungen in den ersten Monaten 2023 deutlich moderater in vielen Häusern. Doch gegen Ende des Halbjahres scheint die Nachfrage wieder deutlich anzuziehen.

Info GmbH: Nahtlos an die positive Entwicklung der letzten Jahre angeschlossen

Holger Liljeberg: Für unser Institut schloss das erste Halbjahr nahtlos an die positive Entwicklung der letzten Jahre an und verlief außerordentlich erfolgreich. Geprägt war es einerseits davon, dass viele unserer Kunden aus ganz unterschiedlichen Bereichen und Perspektiven dringend Antworten benötigen, wie sie im Umfeld sich rapide ändernder gesellschaftlicher Rahmenbedingungen agieren können. Methodisch konnten wir neue Ansätze entwickeln, mit denen wir auch sehr spitze und schwer erreichbare Zielgruppen verlässlich abbilden können.

Dabei hat das Qualitätsbewusstsein auf Kundenseite nach unserer Wahrnehmung erfreulicherweise deutlich zugenommen.

Gleichzeitig konnten wir unser Team im ersten Halbjahr erfolgreich verstärken.

Holger Liljeberg ist Geschäftsführender Gesellschafter der INFO GmbH Markt- und Meinungsforschung.

Psyma-Gruppe: Im ersten Halbjahr nochmals deutlich zulegen

Bernd Wachter: Nachdem schon 2022 ein hervorragendes Jahr für die Psyma-Gruppe war, konnten wir auch im ersten Halbjahr nochmals deutlich zulegen. Besonders gut laufen die Bereiche Automotive und Pharma, aber auch Marktforschung für Investitionsgüter und B2B-Zielgruppen wird wieder verstärkt nachgefragt. Dabei gibt es Zuwächse in allen Regionen, lediglich China schwächelt noch ein wenig.

Ich denke, der Branche geht es insgesamt relativ gut, aber da sind die Daten aus der Konjunkturumfrage des ADM aussagekräftiger als mein Bauchgefühl.

Bernd Wachter ist CEO der Psyma Group AG, Vorsitzender des ADM und Präsident von EFAMRO.

Sinus-Gruppe: Sehr zufrieden mit dem ersten Halbjahr

Manfred Tautscher (Bild: search-intent)
Manfred Tautscher: Wir sind mit der Entwicklung des ersten Halbjahres sehr zufrieden, sowohl bei SINUS wie bei der gesamten INTEGRAL-SINUS-OPINION Gruppe. Erfreulicherweise konnten wir das Jahr mit einem guten Auftragsstand beginnen, und dieser positive Trend hat sich im ersten Quartal fortgesetzt.

Bei SINUS profitieren wir am Interesse an den Sinus-Meta-Milieus, die internationale Version der Sinus-Milieus, die wir neu aktualisiert haben.

Manfred Tautscher ist Geschäftsführer des SINUS-Instituts.

Infas Institut: Zweistelliger Umsatzsprung trotz Nacharbeiten

Menno Smid, Robert Follmer (infas)
Menno Smid: Für das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft verlief das erste HJ 2023 positiv. Wir erreichten einen zweistelligen Umsatzsprung. Allerdings waren dafür auch Nacharbeiten in Projekten verantwortlich, die wegen der Pandemie und den daraus resultierenden Kapazitätsproblemen im letzten Jahr nicht abgearbeitet werden konnten. Auch der Auftragsbestand ist positiv zu bewerten.

Menno Smid ist Vorstandsvorsitzender (CEO) bei der Infas Holding AG.

Bonsai Research: Besser als erwartet

Jens Krüger: Das Jahr läuft besser als erwartet. Nach einer - zumindest in einigen Bereichen - Kaufzurückhaltung Ende 2022 hatte ich eigentlich mit einem Einbruch des Geschäftes gerechnet. Und auch das Marktumfeld hatten wir bei uns gerade im Bereich FMCG schwächer gesehen. Wir konnten die erkennbaren Lücken aber gut mit Neugeschäft, anderen Kunden und anderen Lösungen füllen. Dass es gehen kann, so schnell Business zu drehen, hat mich wirklich überrascht. Das ist aber vielleicht das Resultat binärer Personalpolitik.

Wir haben vor allem in erfahrene Forscherkollegen und -kolleginnen investiert, die Kunden entwickeln und neu aufbauen können. Und dabei offen und mutig sind, Neues auszuprobieren.

Unsere Branche ist im Wandel - wie viele andere Branchen auch. Da spürt man überall Unsicherheit und Hektik. Gerade mit dem Boom der generativen KI sind viele in unserer Branche erst aufgewacht.

Ich persönlich mag diesen Veränderungsmodus - aber er hinterlässt auch Fragen und Unsicherheiten, extern wie intern. Wir sind bei Bonsai gut aufgestellt. Nicht zuletzt mit der Integration der KollegInnen von ISM haben wir unser Portfolio und Know-how an den richtigen Stellen erweitert.

Jens Krüger ist CEO von Bonsai Research.

Innofact: Branche recht resilient, bei Innofact gut gelaufen

Christian Thunig: Im Grunde muss man bei den Verwerfungen in der Wirtschaft national wie international und natürlich auch in Bezug auf den unsäglichen Krieg in Europa feststellen: Es ist eigentlich sehr erstaunlich, wie wenig das bisher den Geschäftsverlauf beeinträchtigt hat. Insofern ist das erste Halbjahr gut verlaufen.

Für die Gesamtbranche würde ich gerne in meine Rolle als BVM-Vorstand schlüpfen: Die Marktforschungsbranche zeigt sich insgesamt recht resilient. In Gesprächen mit Kollegen konnte ich feststellen, dass viele Institute auf ein stabiles Geschäft bauen können, auch wenn natürlich einige unter der Stimmung gerade leiden.

Christian Thunig ist Mitglied im BVM-Vorstand sowie Managing Partner bei der INNOFACT AG.

YouGov: Beginnende Entspannung im zweiten Quartal

Benedikt Lüthi: Die makroökonomisch herausfordernde Marktsituation setzt auch die Marktforschungsbranche unter Druck. In diesem Zusammenhang konnten wir gerade im ersten Quartal des Kalenderjahres eine Fortsetzung von Trends aus dem Vorjahr beobachten. Inflation, Budgetreduktionen bzw. langsamere Freigaben einhergehend mit größerem Kostendruck, auch bei sehr großen Marken, zeigten sich für uns in Planungsunsicherheiten bei Agenturkunden und Marktforschungsabteilungen.

Hier konnten wir eine Bewegung von größeren Projekten hin zu tranchierten, kleineren Aufträgen beobachten.

Das zweite Quartal war aus unserer Sicht gezeichnet von einer beginnenden Entspannung der Situation, einhergehend mit schnelleren Freigaben und größeren Auftragsvolumina. Insgesamt schaut YouGov Deutschland auf ein erfolgreiches erstes Halbjahr 2023 zurück.

Benedikt Lüthi ist General Manager bei YouGov für die DACH-Region.

Krämer Marktforschung: Viele Studien im Automobilsektor durchgeführt

Claus Günnewig: Mich hat überrascht, wie viele Studien im Automobilsektor wir für unsere Kunden durchführen durften. Von Car Clinic bis zu Tiefeninterviews, Elektromobilität ist ein großes Thema. Auch künstliche Intelligenz ist im Fokus. Ich glaube, da kommt noch einiges Hochinteressantes auf uns zu. Produkttests haben auch zugenommen, was allen Beteiligten Spaß macht. Von Rasierern bis Klimaanlagen, unser 60 qm Versandstation stand oft voll mit Kartons, die an unsere Interviewer versandt wurden.

Claus Günnewig ist Prokurist bei der Krämer Marktforschung.

GIM: Dynamischer Start, gedämpftes zweites Quartal

Stephan Teuber (GIM)
Stephan Teuber: Nach einem sehr dynamischen Start im ersten Quartal verlief das zweite Quartal deutlich gedämpfter. Wir merken auf Kundenseite eine Verlangsamung in den Entscheidungsprozessen und einhergehend in der Auftragsdynamik. Es bestätigt – zumindest aus unserer Perspektive –, dass weite Teile der Wirtschaft sehr verunsichert sind, in vorerst abwartender Haltung.

Stephan Teuber ist Managing Director bei der GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung mbH.

Skopos-Gruppe: Zufrieden aber weniger Wachstum

Olaf Hofmann: Die SKOPOS-Gruppe ist sehr gut ins Jahr gestartet, aber seit April gibt es doch eine merkliche Kaufzurückhaltung bei vielen Kunden. Wir bemerken Budget-Restriktionen. Unsere gewohnte Wachstumsgeschwindigkeit der letzten Jahre von 20 Prozent und mehr per anno werden wir daher dieses Jahr nicht halten können. Mit wahrscheinlich 10-15 Prozent Wachstum sind wir angesichts der konjunkturellen Rahmenbedingungen aber mehr als zufrieden.

Nennenswerte Überraschungen gab es keine. Die Märkte entwickeln sich so wie in den vergangenen Jahren auch: mehr integrative, vernetzte Marktforschungsprojekte. Dadurch ergibt sich auch die Notwendigkeit, Themen systematischer zu begleiten und dafür weniger bzw. anders Ad-hoc-Forschung zu betreiben.

Mehr denn je gilt: Marktforscher müssen sich diesen neuen Methoden und damit auch dieser neuen Art des Arbeitens öffnen, sonst werden über kurz oder lang reine Analytics-Abteilungen die Daten- und Interpretationshoheit auch über originäre Marktforschungsthemen erhalten. Am besten läuft es nach unserer Erfahrung, wenn beide gut verzahnt zusammenarbeiten – die inhaltlichen Profis, also die Marktforscher, jedoch die Gesamtsteuerung behalten.

Olaf Hofmann ist zusammen mit Thomas Starsetzki Group-Geschäftsführer der SKOPOS GROUP.

Ipsos: Herausforderungen, Widrigkeiten, Chancen, ermutigender Trend

Dr. Christoph Preuss: Rückblickend hat das erste Halbjahr 2023 sowohl für Ipsos als auch für die Marktforschungsbranche große Herausforderungen, aber auch Chancen geboten. Wir leben in einer Zeit, die von multiplen Krisen an vielen Fronten geprägt ist. Ich bin froh und stolz, dass es uns auch dank des hohen Einsatzes unserer Mitarbeitenden gelungen ist, trotz der globalen Unsicherheiten unseren Kurs gehalten zu haben und mit Blick auf die Auftragsbücher auch weiterhin einen ermutigenden Trend für das zweite Halbjahr beobachten zu können.

Die erste Jahreshälfte war für uns alle eine Zeit des Lernens und der Anpassung, sie hat uns aber auch gezeigt, dass wir trotz aller Widrigkeiten in der Lage sind, unseren Weg des Wachstums und der Innovation konsequent weiter fortzusetzen.

Ich habe volles Vertrauen in die Fähigkeit unserer Teams, sich auch auf künftige Herausforderungen schnell einzustellen und unsere Position in der Branche weiter zu stärken. Das wird nicht einfach sein, aber ich weiß, dass wir es schaffen werden!

Dr. Christoph Preuss ist CEO von Ipsos Deutschland.

Lesen Sie am 16. August die Ausblicke der Häuser auf das zweite Halbjahr.

Ein Wort zur Stichprobe: Angefragt für ein Statement wurden per E-Mail die laut Context-Liste 2022 größten 25 deutschen Institute. Davon haben elf Institute an der Umfrage teilgenommen.

 

Über die Personen

Holger Geißler ist Geschäftsführer und Mitgründer des Smart News Fachverlag, der die beiden Branchenportal marktforschung.de und CONSULTING.de betreibt. Er ist außerdem Mitglied in der Geschäftsführung der succeet GmbH, Veranstalter der Leitmesse der Insight Industry.

Holger Geißler ist Geschäftsführer und Mitgründer des Smart News Fachverlag, der die beiden Branchenportal marktforschung.de und CONSULTING.de betreibt. Er ist außerdem Mitglied in der Geschäftsführung der succeet GmbH, Veranstalter der Leitmesse der Insight Industry.

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