Olaf Marx, Happy Thinking People "Es gibt Kluften zwischen überzogenen Erwartungen und der Berufsrealität"

Was sich die Berufseinsteiger von heute von ihrem Arbeitgeber wünschen? Ein gutes Betriebsklima, finanzielle Stabilität, vielversprechende Perspektiven durch Weiterbildungsangebote und vieles mehr, weiß Olaf Marx von Happy Thinking People. Doch: Viele Junioren sind es durch das Elternhaus, die Schule und die Uni gewohnt, behütet, belohnt und gelobt zu werden. Kritik- und Konfliktkompetenzen sind dadurch nicht entwickelt. Es mangelt an Belastbarkeit und guter Stressbewältigung.

Olaf Marx

marktfoschung.de: Herr Marx, seit einigen Jahren sind Sie bei Happy Thinking People für den Bereich Human Relations zuständig. Wie kommt Ihrer Erfahrung nach die neue Generation der Hochschulabsolventen mit der sich veränderten Marktforschungswelt zurecht – und welche ersten Rückschlüsse ziehen Sie daraus?

Olaf Marx: Die Berufswelt ist eindeutig kompetitiver geworden, man könnte fast sagen, härter. Die nachrückende Generation ist darauf weder eingestellt noch vorbereitet. Die Auswahl an Kandidaten ist größer geworden, es gibt immer mehr Absolventen mit guten Abschlussnoten, die schon im Studium Marktforschung, und wenn auch nur im Nebenfach, belegt haben. Insofern hat sich die theoretische Vorbereitung auf den späteren Job insgesamt verbessert.
Allerdings fördern die kurzen Bachelorstudiengänge mit ihrem recht strikten Ablauf nicht gerade Praxis-Kompetenzen, wenn man duale Modelle hier einmal ausklammert. Und genau auf den Arbeitsalltag ist die nachrückende Generation nur zum Teil vorbereitet, auch oft, weil sie falsche Vorstellungen hat. Das wissen wir aus eigener Erfahrung mit Junioren, aus Bewerbungsgesprächen, aber auch aus zahlreichen eigenen Studien, die wir zu den neuen Generationen durchgeführt haben, unter anderem auch im Kontext Berufswelten.
Es sind also eher die ersten praktischen Monate, die für Berufsanfänger prägend sind. Wie sie damit zurechtkommen, ist jedoch mehr vom Individuum abhängig als von der Zugehörigkeit zu einer Generation.

marktfoschung.de: Wie unterscheiden sich die jungen Nachwuchstalente von früheren? Und wodurch wurden sie geprägt?

Olaf Marx: Einerseits sind sie in Zeiten großer Unsicherheiten aufgewachsen, mit Finanzkrisen, globalem Terror, immer stärker polarisierenden politischen Lagern, aber auch wachsender sozialer Ungleichheit und damit dem Druck, sich beruflich, gesellschaftlich und finanziell behaupten zu müssen.

Andererseits bieten sich ihnen mehr Optionen denn je, schulisch, beruflich und in der Phase dazwischen. Das führt aber auch dazu, dass es in dieser multioptionalen Welt mit ihrer medialen Informationsflut immer schwerer wird, schnelle Entscheidungen zu treffen. Eine so wichtige Lebensentscheidung wie die Berufs- und Jobwahl wird natürlich besonders durchkalkuliert und eine Entscheidung durchdacht getroffen.

Die meisten bewerben sich also ziemlich breit und halten mehrere Eisen im Feuer. Es ist daher gar nicht so einfach, vakante Stellen zu besetzen, da sich viele nach vielversprechender Fast-Zusage am Ende doch noch für einen anderen Job entscheiden, der ihren Vorstellungen und Idealen näherkommt.
Es zeigen sich hier auch Unterschiede zwischen Gen Z und Gen Y. In ihrer Sicht und ihren Erwartungen auf bzw. an die (Arbeits-)Welt ist die Gen Z im Vergleich zur vorherigen Generation realistischer und bodenständiger; sie ist weniger idealistisch und träumerisch.

Auslandssemester, aber auch ein Gap Year mit längeren Fernreisen oder gemeinnütziger Arbeit im Ausland sind heute üblich, davon bringen sie Fremdsprachen-Kenntnisse mit, haben zusätzlich aber auch Offenheit und Sensibilität für andere Kulturen entwickelt. Ein großer Pluspunkt in der internationalen Marktforschung.

Als Digital Natives sind sie technologieaffin und oft versiert und effizient im Umgang mit Medien und Programmen. Positiv fällt auch ihr ausgeprägter Sinn für soziale Beziehungen auf: Sie kommunizieren sozial kompetent und empathisch.

marktforschung.de: Wie nehmen Sie die neue Generation wahr? Welche Wünsche und Vorstellungen haben sie?

Olaf Marx: Es zeichnet sich das Bild einer verunsicherten und insofern sicherheitsbedürftigen und dennoch sehr anspruchsvollen Generation. Besonderer Wert wird auf Transparenz und Fakten gelegt. Sie sind interessiert an genauen Hintergründen, Prozessen und Zuständigkeiten. Sie möchten wissen, was ihnen eine Mitarbeit bei Happy Thinking People an Vorteilen bringt, in welchem Umfang sie einbezogen werden, wie das interne Regelwerk aussieht … Ganz wichtig in diesem Kontext: die Authentizität der Arbeitgebermarke. Gelebte und erlebbare Unternehmenswerte sind entscheidend.

Ganz oben auf ihrer Wunschliste stehen finanzielle Stabilität und gute Perspektiven. Es werden daher unter anderem interne Weiterbildungsangebote, Aufstiegschancen und letztendlich auch die Arbeitsplatzsicherheit thematisiert –zumindest mittelfristig versprechen sie sich davon eine gewisse Sicherheit.

Eine entscheidende Rolle bei der Berufswahl spielt auch die Sinnhaftigkeit, teilweise auch die ethische Ausrichtung der Arbeit, darüber hinaus muss sie abwechslungsreich sein, um auf Dauer Spaß zu machen. Man will Vorschläge einbringen und sich entfalten können.

Weitere entscheidende Prüfsteine: gutes Betriebsklima, Teamgeist, offene interne Kommunikation … Sie schätzen Kollegialität unter Kollegen und Vorgesetzten. Ihr Verhältnis zu Autoritäten ist recht entspannt, geprägt durch Elternhaus, Lehrer und Professoren. Diese gewohnte Kommunikation auf Augenhöhe setzt sich auch in der Arbeitswelt fort.

marktforschung.de: Und was erleben Sie und Ihre Kollegen ganz konkret im Arbeitsalltag? Gibt es Situationen, in denen gefragte Skills fehlen und Wünsche vielleicht nicht bedingungslos bedient werden?

Olaf Marx: Ja, es gibt auch Kluften zwischen überzogenen Erwartungen und der Berufsrealität. Viele Junioren sind durch das Elternhaus, aber auch durch Schule und Uni gewohnt, behütet, belohnt und gelobt zu werden. Kritik- und Konfliktkompetenzen haben sich deswegen oft nicht wirklich entwickelt. Auch um Belastbarkeit und Stressbewältigung ist es nicht immer zum Besten bestellt. Gerade am Anfang werden Routine-, Detailarbeiten oder Aufgaben, die längerer Aufmerksamkeit bedürfen, durch mangelnde Konzentrationsfähigkeit oder Langeweile nicht gründlich genug erledigt. Das deutet sich oft schon in Bewerbungsanschreiben an, bei denen, trotz guter Abiturnoten, Rechtschreibung, Grammatik, aber auch Kausalzusammenhänge zu wünschen übrig lassen. Solche Nachlässigkeiten müssen im Arbeitsalltag erst einmal korrigiert werden.
Immer wieder schön ist jedoch zu sehen, dass die neue Generation spontan für interessante und abwechslungsreiche Tätigkeiten zu begeistern ist und sie sich gerne mit Ideen einbringt. Sie sind sehr einsatz- und lernwillig – solange sie für ein Thema oder eine Aufgabe brennen. Durch ihr durchaus ausgeprägtes Selbstbewusstsein möchten sie sich bei gestellten Aufgaben gerne ausprobieren – allerdings nicht unbedingt nur in Teamarbeit oder mit ständigem Schulterblick. Sie wollen eigene Akzente setzen.

marktforschung.de: Wie begegnen Sie bei Happy Thinking People den Bedürfnissen und Wünschen der neuen Generationen?

Olaf Marx: Zur Einarbeitung stellen wir unseren Junioren Mentoren zur Seite. Dabei werden sie gefordert, aber auch gefördert, zum Beispiel dabei, Verantwortung zu übernehmen – und können damit auch die eigenen Aufstiegschancen erhöhen.
Wir bieten eigene Fortbildungs-Workshops an: Das sind kurze, thematisch klar umrissene Einheiten, etwa zur Förderung von Moderations- oder Präsentations-Fähigkeiten. Diese werden regelmäßig aktualisiert und sind damit auch für Mitarbeiter interessant, die schon länger dabei sind und somit etwas frischen Input bekommen. Zusätzlich können jederzeit Anträge auf externe Fortbildungen gestellt werden.
Um jungen Mitarbeitern eine Stimme zu geben, haben wir ein Junior-Board eingerichtet, in dem sie sich austauschen und Verbesserungsvorschläge erarbeiten können. Arbeitsergebnisse werden in Abständen dem Management-Board, später auch dem gesamten Team, vorgestellt und diskutiert.
Außerdem können die Junioren eigene Events wie zum Beispiel Kundenveranstaltungen – wie bereits geschehen zu den Themen Gen Z und Start-up-Unternehmen – ins Leben rufen, um sich selbst, aber auch die Firma zu profilieren. Wenn man Junioren bei ihrer Motivation packen kann, also ihre Bedürfnisse nach Durchstarten, Hinterfragen und Neudenken befriedigt, sind das die besten Voraussetzungen für ein langes und für beide Seiten zufriedenstellendes Arbeitsverhältnis.

Olaf Marx hat sein Diplom in Wirtschaftskommunikation gemacht und arbeitet seitdem seit mehr als 15 Jahren bei Happy Thinking People, zunächst im Projektteam und seit 2007 als Head of Human Relations mit Zuständigkeit für sämtliche Standorte. Die Aufgabenschwerpunkte reichen von der strategischen und operativen Gestaltung der Personalpolitik über die Personalplanung, -entwicklung, -verwaltung und -beschaffung sowie den Ablauf  der Candidate und Employee Journey bis hin zur Beratung in arbeitsrechtlichen Fragen. 

 

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