Thomas Schäfer, Ipsos "Es geht nicht nur um Tools & Ansätze – es geht um mehr"

Es gibt sie nach wie vor: Marktforschungsabteilungen in Unternehmen, die sich sehr wenig – ich meine: zu wenig – für Innovation interessieren und somit gegen Fortschritt aussprechen. Als Anbieter spüren wir das dann, wenn wir neue Ansätze besprechen und vermarkten wollen.

Thomas Schäfer (Ipsos)

Thomas Schäfer (Ipsos)

Wir stellen fest, Wechsel jedweder Art sind nicht gewünscht, tradierte Ansätze erhalten den Vorzug. Die Gründe ähneln sich: Zeitreihen, die nicht fortgeschrieben werden können, Anbieter, mit denen man seit langem hervorragend zusammenarbeitet, die gute alte Repräsentativität, die man so dann nicht aufrechterhalten könne. Wir alle kennen diese Einstellung mit den dazugehörigen Gründen, die auch als Verstecke dienen, und verstehen, dass der Druck auf Abteilungen, die so arbeiten, steigt. 

Innovation bei einer wachsenden Gruppe von Unternehmen

Es gibt aber auch die anderen: Marktforschungsabteilungen, die verstanden haben oder derzeit verstehen, dass Innovationen das Ticket sind, mit dem sie fahren müssen und die ihre Rolle als interne, strategische Berater voll und ganz wahrnehmen oder ausbauen. Gerade an dieser Stelle kamen und kommen Vertreter dieser Gruppe zu Wort, zum größten Teil mit guten Beiträgen. 

In dieser Gruppe herrscht große Offenheit für innovative Ansätze. Es handelt sich um eine Offenheit, die nicht immer ganz freiwillig ist, sondern auch durch neu entstandene beziehungsweise derzeit entstehende (digitale) Abteilungen sowie Veränderungen im eigenen Geschäftsmodell /-prozess getrieben wird. Es geht häufig um mehr Geschwindigkeit und gelegentlich aber auch nur um Veränderung der Veränderung Willen.

Marktforschungsabteilungen müssen – so sehen wir das von außen – diesen Innovationsprozess gestalten. Sie müssen abwägen, wo innovative Ansätze relevant sind und wo gar ganze Prozesse auf den Kopf gestellt und neu aufgesetzt werden sollten. Zudem gilt es, Qualität und Verlässlichkeit neuer Ansätze abzuschätzen und zu sichern. Und umgekehrt darf es kein Problem sein, wenn ein Ergebnis durch ein bewährtes Verfahren am besten erreicht werden kann. Ein konkreter, real existierender Fall in unserem Haus: Ein Digital Giant – wir nennen unsere Kunden nicht namentlich – nutzt auch die Telefonbefragung, wenn sich Erkenntnisinteresse und Zielgruppe entsprechend darstellen, und steht gleichzeitig nicht im Verdacht, nicht innovativ zu sein. Es geht nicht (nur) darum wie es gemacht wird, sondern vielmehr um das Was und das Warum. Und unklar bleibt, wieso ein Digital Giant für den Einsatz einer klassischen, der Fragestellung angemessenen Erhebungsart in der Branche belächelt wird. Wer das tut, hat es – wie ich meine – nicht verstanden.

Es geht um Balance zwischen neuen und klassischen Ansätzen – wie so oft

Das Erreichen einer Balance zwischen ausreichend verlässlichen, neuen Ansätzen einerseits und konventionellen Tools anderseits inklusive deren Zusammenspiel und der internen Vermarktung ist eine der großen Herausforderungen für interne Marktforschungsabteilungen: An einzelnen Stellen gilt es Neues voranzutreiben, an anderen gegebenenfalls (noch) auf Bewährtes zu setzen. All das erfordert Mut, auch Risiken einzugehen, Kommunikation und – nicht zuletzt – Investitionsbereitschaft. Es handelt sich um Aufgaben, die man sich im besten Fall mit einem oder mehreren Supplier teilt, um deren Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen oder Branchen zu nutzen. Dienstleister sehen es im Allgemeinen gleichermaßen als Aufgabe und Chance, Kunden hierbei zu unterstützen und stehen bereit. None of us is as smart as all of us – auf diese Formel könnte man diese Art der Zusammenarbeit bringen. 

Innovation hat nicht nur mit Tools und Ansätzen zu tun. Es geht um den Nutzen.

Innovation erschöpft sich nicht in der Bereitstellung neuer Ansätze und neuer Datenquellen. Es geht fast schon in stärkerem Maße auch um Unterstützung in Richtung gewinnbringender Nutzung von Ergebnissen. Auch diese Aufgabe betrifft interne und externe Marktforscher gleichermaßen. Gerne ziehen wir mit unseren Marktforschungskunden an einem Strang und sehen ein paar Fragen – keine einzige davon marktforscherisch-methodisch – als besonders relevant an: 

Die einfachen vorweg:

  • Wie schaffen wir es mit dem, was wir tun, mehr Umsatz / Absatz zu erwirtschaften? (viele sprechen hier von top-line). Beispiel: Führt ein besserer Werbespot tatsächlich zu mehr Absatz? In welchem Maße? Ist Werbepretesting eigentlich in diesem Fall das richtige Vorgehen?
  • Wie schaffen wir es, die Profitabilität zu verbessern? (bottom-line). Führt das, was Marktforschung im konkreten Fall ermittelt, zu mehr Gewinn? Beispiel: Gibt es einen indirekten oder gar direkten Zusammenhang von höherer Kundenzufriedenheit zu mehr Gewinn? Wer quantifiziert das und erbringt den Nachweis? Ist die Messung von Kundenzufriedenheit überhaupt relevant? Oder hat ein Projekt, welches zu mehr Kundenbindung führt, nicht mehr Potenzial? 

Wir sollten über diese einfachen Fragen, von denen es sicher einige mehr gibt, hinausgehen und auch strategische Themen und den Planungsprozess abdecken:

  • Welche Entscheidungen stehen an? Welche Entscheidungen werden auf Basis des konkreten Projektvorhabens getroffen? 
  • Wie ist das Business-Modell insgesamt? Wie fügt sich die jeweilige marktforscherische Fragestellung ein? Wo greift sie ein? 

Fragen dieser Art helfen uns als externe Dienstleister. Sie helfen aber auch internen Abteilungen, insbesondere dann, wenn es gelingt, diese Fragen und Themen auch in die Zukunft zu richten: Die zukünftigen Themen und zukünftigen Herausforderungen des entsprechenden, sich gegebenenfalls ändernden Marktes gilt es zu antizipieren, um auch hierfür Lösungen zu erarbeiten und entsprechend vorbereitet zu sein. 

Im Wege steht häufig die Scheu betrieblicher Marktforscher, diese relevanten Fragen, die über Einzelprojekte hinausgehen, zuzulassen. Gerne in Tateinheit mit der Scheu, dass (wir als) Externe (auch) mit anderen Stakeholdern und Entscheidungsträgern im Unternehmen direkt sprechen könnten. Beides erscheint uns im Sinne des Vorankommens nicht zielführend, sondern unnötigerweise angstgeprägt und – letzten Endes – hemmend.

Marktforschungsabteilungen und Marktforschungsanbieter verlassen durch das Stellen und Beantworten weitergehender Fragen (endlich) ihre Komfortzone und begeben sich auch auf das Terrain anderer, die – in den Augen vieler – in stärkerem Maße prädestiniert erscheinen. Ob sie es sind: unklar. Marktforscher, die ihre Hausaufgaben machen, haben inhaltlich mehr zu bieten, auch und gerade, wenn betriebliche und externe Marktforscher mit den jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten noch besser zusammenarbeiten, gelegentlich (gegen ihr Naturell) mehr riskieren und immer wieder versuchen weiter zu springen. Keiner sagt, dass das einfach sein wird – weder für uns als Dienstleister noch für unsere Marktforschungskunden. Aber es erscheint alternativlos.

Ich gebe Herrn Stephan Duttenhöfer, Leiter der Marktforschung bei Allianz Deutschland AG, recht, der an dieser Stelle schrieb: Unternehmen sollten ihre betriebliche Marktforschung eher stärken, anstatt diese auszulagern. Zuvor sollten sie allerdings dafür sorgen, dass diese zusätzlichen Investitionen auch ausreichend Mehrwert liefern und die zu stärkende, nicht auszulagernde Marktforschungsabteilung auf dem richtigen, nach vorne orientierten Weg ist. Einige sind es nicht, viele denken derzeit nach, wie sie dahin kommen (und erscheinen verunsichert). Und einige sind bereits sehr weit. 

Zum Autor

Thomas Schäfer ist seit mehr als 25 Jahren als Institutsmarktforscher tätig und arbeitete in verschiedenen Branchen und zu verschiedenen Themen im Client Service.

Seit einigen Jahren verantwortet er bei Ipsos Deutschland die Themen Business Development und Account Management. Er unterstützt die Teams entsprechend bei strategischen und taktischen Aufgabenstellungen, eine Tätigkeit, die nicht auf den deutschen Markt begrenzt ist, sondern wegen der Struktur der Projekte und Kunden häufig international angelegt ist. 

 

 

Diskutieren Sie mit!     

  1. Eckart Strangfeld am 22.03.2018
    Herr Schäfer hat hier mit seinem wunderbaren Artikel ein schon lange bestehendes Thema aus einer neuen Perspektive - derjenigen der Wandlungsfähigkeit - beschrieben. Das Wandlungsbedarf schon seit langem besteht, ist hoffentlich inzwischen überall angekommen. Die Betriebsmarktforschung hat ein Ziel: Dem eigenen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Dies tut sie, indem sie die nötigen Entscheidungsgrundlagen aus dem Markt liefert und die Wirkung der Maßnahmen feststellt. Voraussetzung hierzu sind hoch relevante und belastbare Informationen - ob die auf derzeit innovativem Wege oder durch "alt hergebrachte" Methoden und Verfahren entstanden sind, ist dann eher zweitrangig. Innovationsfähigkeit ist allein schon deshalb in hohem Maße nötig, um die Reaktionsgeschwindigkeit auf sich ändernde Rahmenbedingungen hoch zu halten. Über welchen Stock man da als betrieblicher Marktforscher konkret springen muss, nur weil er hingehalten wird, sei dahingestellt. Hier ist dann die Urteilsfähigkeit des Betrieblichen gefragt.
  2. G Wackert am 22.03.2018
    Thomas Schäfer bringt es hiermit auf den Punkt.
    Das Thema ist aktueller denn je; haben doch alle Unternehmen
    mit einer betrieblicher Marktforschung dann den Service und die neutrale Unterstützung der externen Marktforscher bitter nötig, wenn es darum geht, nicht den Budgets zum Opfer zu fallen bei stürmischer See, sondern sie haben einen Lotsen an Bord, der neue Routen erschliessen kann und auch die "Untiefen" nicht nicht scheut.
  3. Eckart Strangfeld am 23.03.2018
    G Wackert spricht von Service und neutraler Unterstützung der externen Marktforscher, welche die Betrieblichen bitte nötig hätten - einen Lotsen, der Untiefen nicht scheut und neue Routen erschließen kann. Das ist dann doch eher eine idealistische Vorstellung der Unterstützung. Selten lassen sich Institute auf Neues ein. Laufend kommen sie mit neuen Zauberstückchen ums Eck, bleiben aber den Validierungsnachweis ihrer Methode schuldig, schicken zwar erfahrene „Verkäufer“ vor - ist der Auftrag dann da, kümmert sich Herr und Frau Jungspund weiter um das Projekt. Den Institutsmarkforscher als die Rettung darzustellen, ist wie Öl zum Löschen anzubieten. Der Betriebliche ist auf sich selbst gestellt und muss nicht nur selbst wissen, was er tut, sondern auch noch einschätzen können, inwieweit der Institutler etwas taugt oder ob der nur einen guten Schnitt machen will. Schlechten Rat bekomme ich an jeder Ecke und an jedem Tag, wenn ich nicht aufpasse.

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