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Frauen in der Marktforschung: Nayeli Tusche, Spiegel Institut Es geht darum, die Art und Weise zu ändern, wie die Welt unsere Stärke wahrnimmt

Nayeli Tusche, Senior Director beim Spiegel Institut, wünscht sich eine Selbstverständlichkeit der Gleichberechtigung und meint, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in diesem Bereich sicherlich schon große Schritte gemacht hat.
Frau Tusche, was waren Ihre Beweggründe, in der Marktforschung einzusteigen?
Nayeli Tusche: Ehrlicherweise habe ich mich nicht bewusst für die Marktforschung entschieden; unsere Wege haben sich einfach gekreuzt. Bereits in der Schule habe ich mich sehr dafür interessiert, wie wir Menschen denken, fühlen und handeln, und natürlich für die Gründe, die sich dahinter verbergen. Tatsächlich habe ich am Anfang überlegt, in die Richtung der klinischen Psychologie zu gehen, bis ich – im Rahmen meines Studiums – die Themen Kreativität, Ideengenerierung und Innovation entdeckt habe. Die Frage „Wie wird eine Produktinnovation zum echten Erfolg?“ hat mich gereizt und begleitet mich noch heute jeden Tag bei meiner Arbeit - bei jeder Anfrage und jedem Projekt.
Sie haben an der Universität Maastricht Ihren Bachelor (BS) in Psychologie abgeschlossen und dort ein Jahr als Tutorin gearbeitet. Was nehmen Sie aus dieser Zeit an besonderen Erfahrungen für Ihre berufliche Entwicklung mit?
Nayeli Tusche: An der Universität Maastricht wird mit dem Ansatz des sogenannten "Problem-Based-Learning" gelehrt. Studierende arbeiten beispielsweise in kleinen Gruppen von bis zu 13 Studenten an Fallbeispielen, die von realen Problemen inspiriert sind. Sie erlernen Faktenwissen, üben aber vor allem mit anderen zusammenzuarbeiten, Präsentationen zu halten, wissenschaftliche Forschung zu betreiben und – am wichtigsten – analytisch und kritisch zu denken. Auf diese Weise lernen Studierende, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und Antworten zu finden. Sie arbeiten selbstständig und werden von einem Tutor lediglich angeleitet. Ich bin überzeugt, dass dieses System mich stark in meiner Arbeitsweise geprägt hat.
Gab es für Ihren beruflichen Werdegang wichtige Vorbilder oder Mentorinnen beziehungsweise Mentoren?
Nayeli Tusche: Ja sehr viele. Aber ich spreche in diesem Zusammenhang lieber von Sparringspartnern und Sparringspartnerinnen. Ich bin der Meinung, dass jede und jeder, die/der mich bei meinem bisherigen beruflichen Werdegang in irgendeiner Weise begleitet hat – sei es als Coachende, Mentorin oder Mentor, Kollege oder Kollegin, Praktikantin oder Praktikant, Masterand oder Masterandin, Kundin sowie Kunde oder Vorgesetzte(r) – mich geprägt und zu meinen Kompetenzen beigesteuert hat. Tatsächlich war ich immer von sehr tollen Menschen umgeben und kann mich in dieser Hinsicht sehr glücklich schätzen. War alles immer rosarot? Nein, ich glaube bei keinem ist immer alles rosarot, aber auch „herausfordende“ Menschen sind im Endeffekt Sparringspartnerinnen beziehungsweise Sparringspartner, von denen man viel lernen kann.
Naeli Tusche im Video-Interview
Sehen Sie hier auch Frau Tusches Antworten als Video!
Nach fast zwölf Jahren, davon acht als Senior Innovation Researcher & Consultant, bei HYVE – the innovation company, sind Sie jetzt bald zwei Jahre Senior Director beim Spiegel Institut. Welche speziellen Herausforderungen haben Sie als Frau in leitenden Positionen in der Marktforschungsbranche wahrgenommen?
Nayeli Tusche: Die Marktforschungsbranche ist sehr dynamisch, schnelllebend und teilweise unvorhersehbar. Heute steht X an, morgen Y, übermorgen doch X mit ein wenig Y und plötzlich soll Z auch noch dazu. Fügt man noch die eine oder andere qualitative Studie hinzu, bei der wir auf das Timing beziehungsweise die Verfügbarkeit von Teilnehmenden oder der Kundschaft angewiesen sind, kann schon mal Chaos entstehen. Das Ganze ergänzt um strategische Aufgaben und Personalverantwortung führt zu einem außergewöhnlichen Spannungsfeld. Das Problem? Neben meiner Rolle als Führungskraft in der Marktforschung, bin ich auch Ehefrau, und Mutter von zwei Kindern (fünf und acht Jahre alt). Ja, es ist manchmal ganz schön herausfordernd und ja, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass alles immer einwandfrei läuft und mein Tank immer voll ist. Willkommen in der Realität: Auch Führungskräfte sind Menschen.
Die guten Nachrichten: Mein Mann und ich sind ein gut eingespieltes Team, und wir unterstützen uns gegenseitig. Außerdem habe ich ein grandioses Team im Spiegel Institut an meiner Seite, das mir kräftig unter die Arme greift, meine Doppelrolle als Mama und Führungskraft mehr und mehr versteht, und mir jeden Tag dabei hilft, unsere Werte und frauenfreundliche Kultur aktuell zu halten und weiter auszubauen.
Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag am Spiegel Institut bei Ihnen aus?
Nayeli Tusche: Zum Glück gibt es für mich keinen typischen Alltag, sonst würde ich wahrscheinlich nicht dieses Interview führen. Jeder Tag sieht anders aus und bringt neue Herausforderungen mit sich. Diese Abwechslung brauche ich. Aber natürlich gibt es auch Konstanten, die mir mein Leben als Führungskraft und Mama (aber auch als Tochter, Tennisspielerin, Freundin, etcetera) erleichtern: täglich flexible Arbeitszeiten, Homeoffice – wo und wann auch immer – Gleitzeit und die tollen Werte unseres Unternehmens.
Welche Ihrer wichtigsten Projekte würden Sie als Ihre persönliche „Aushängeschilder“ benennen?
Nayeli Tusche: „Mein persönlicher Aushängeschild“? Tatsächlich sage ich hier bewusst „keins“, denn ich bin der Meinung, dass tolle Projekte und Erfolge immer das Ergebnis eines tollen Teams und einer guten Zusammenarbeit sind. Wichtige und persönliche „Aushängeschilder“ sind für mich ehemalige oder jetzige Kolleginnen und Kollegen, die ich „aufblühen“ sehe. Das zu erleben und zu wissen, dass ich dazu beigetragen habe, macht mich am Ende des Tages glücklich. Übrigens, gilt das auch für Kunden und Kundinnen. Die Kundschaft durch unsere Arbeit vorankommen zu sehen, gehört zu meinen größten Erfolgen.
Gibt es etwas, was Sie sich von Männern in der Marktforschung für ein gleichberechtigtes Arbeitsverhältnis wünschen? Sehen Sie auch bei Frauen noch Potenzial für Verbesserungen?
Nayeli Tusche: Nein, ich wünsche mir nichts Konkretes von Männern. Die Kraft, Dinge zu ändern, liegt in den Händen von uns allen. Dabei geht es nicht darum, Frauen stärker zu machen, nein, Frauen sind bereits stark. Wie die australische Aktivistin G.D Anderson sagte:
Es geht darum, die Art und Weise zu ändern, wie die Welt unsere Stärke wahrnimmt.
In meiner privilegierten Rolle als Führungskraft sehe ich mich in der Verantwortung Kollegen und Kolleginnen dabei zu unterstützen, diese Stärke richtig wahrzunehmen und sich bei dieser Thematik zu emanzipieren.
Am Ende der Reise soll eine Selbstverständlichkeit zur Gleichberechtigung herrschen, und in diesem Bereich hat Deutschland sicherlich schon große Schritte gemacht. Aber ein Blick auf andere Teile der Welt, wie Lateinamerika oder den mittleren Osten, zeigt: hier herrschen noch ganz andere Verhältnisse. Um das Ziel der Gleichberechtigung als Selbstverständlichkeit zu erreichen, ermutige ich Frauen in privilegierten Positionen und Regionen, gerne mehr Mut und Souveränität zu zeigen; und Männer dazu, sich weltweit stärker in die Rolle und Geschichte der Frau hineinzuversetzen.
Welcher Aspekt in Ihrem Berufsalltag bereitet Ihnen die meiste Freude, und wie gewinnen Sie neue Inspirationen?
Nayeli Tusche: Inspirationen spielen sowohl in meinem privaten als auch in meinem beruflichen Leben eine große Rolle. Mich begeistern und inspirieren bereits vermeintliche Kleinigkeiten, Kleinigkeiten, die mit der Marktforschung im ersten Moment nichts zu tun haben. Ja, Filmszenen und Märchen haben schon mal eine Rolle während Abschlusspräsentationen gespielt, um Ergebnisse emotionaler und greifbarer zu vermitteln. Daher bin ich ständig im „Entdeckungsmodus“ und potenziell könnte alles ein neuer Impuls sein (zum Beispiel ein Spruch, eine Person, ein Artikel, etcetera), der mich besser lassen werden kann. Ebenso versuche ich, so gut ich kann, anderen eine Inspiration zu sein. Ein Satz wie „Nayeli, das war echt inspirierend“ zu hören, macht mich überglücklich.
Was ist der wichtigste Ratschlag, den Sie Neueinsteigerinnen und Neueinsteigern in der Marktforschungsbranche geben können?
Nayeli Tusche: Ganz einfach: Stay curious! Für mich persönlich ist Wissenshunger der wichtigste Schlüssel, um eine erfolgreiche Marktforscherin zu werden - kombiniert mit einer guten Prise Selbstvertrauen.
Wie sehen Ihre Zukunftsvisionen für Frauen in der Marktforschungsbranche aus, und was müsste unternommen werden, um diese Visionen zu erreichen?
Nayeli Tusche: Die Vision enthält eindeutig keinen Gender Pay Gap, eine gute Verteilung von Frauen und Männern in den hochbezahlten Bereichsleiterebenen sowie Eltern, die sowohl als Erziehungsberechtigte als auch als Berufstätige erfolgreich sind, ohne dabei ihre mentale oder physische Gesundheit zu gefährden.
Historisch gesehen, musste die Frau sich leider oft entscheiden: Karriere oder Kinder. Beides bedeutete oft Ungleichgewicht, Burnout oder das eigene „Ich“ komplett zu vergessen. Auch ich stand schon vor Fragen wie: „Schaffe ich das alles? Will ich das? Ist dieser Weg der richtige für mich?“. Meine größte Erkenntnis: Ich kann nicht alles haben und ja, ich muss bei bestimmten Aspekten Abstriche machen.
Selbstverständlich hat sich vieles getan in Europa, aber die Reise ist noch lange nicht zu Ende. Jedoch, nachdem ich in fünf verschiedenen Ländern leben durfte, kann ich sagen, dass in Deutschland an vielen Orten, zum Glück, die richtigen Umstände (zum Beispiel Kindernachmittagsbetreuung, flexible Arbeitszeiten…) und Einstellungen (zum Beispiel „widme deinem kranken Sohn deine ganze Aufmerksamkeit und nimm dir die Zeit die du brauchst, mach dir kein Kopf“) herrschen. Es gibt hier inzwischen viele Unternehmen und Menschen, die es möglich machen, dass der Weg nicht „schwarz“ oder „weiß“ ist. In meiner Vision ist dieser „graue“ Weg, der in Wirklichkeit sehr bunt ist, überall umsetzbar. Diese Möglichkeit des „grauen“ Weges, die ich gerade erleben darf, wünsche ich mir für all meine Kolleginnen in der Marktforschung.
Über die Person
Nayeli Tusche arbeitet als Senior Director im Spiegel Institut. Seit knapp einem Jahr leitet sie das Mannheimer Researcher Team bestehend aus 25 Mitarbeitenden. Vorab war sie zwölf Jahre bei der HYVE - the innovation company beschäftigt – die letzten acht Jahre als Senior Innovation Researcher & Consultat.
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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