Silke Martin, infas 360 GmbH Energie selbst erzeugen: Das Zukunftspotenzial der energieautarken Haushalte

Energieautarke Haushalte nutzen moderne Technologien wie etwa Photovoltaik-, Windkraft- und Solarthermie-Anlagen oder Biomasseheizwerke. Wie sieht hier die Zukunft aus? Welche Haushaltstypen und Menschen streben Energieautarkie an? Wo leben diese und wie hoch ist deren Marktpotenzial? infas 360 hat diese Fragen im Rahmen einer Studie beantwortet.
Eine Befragung mit Themenschwerpunkt Energie: Wie denken, handeln und planen Menschen?
infas 360 hat mehr als 10.000 Haushalte im Rahmen des CASA Monitor ausführlich zum Thema Energiebeschaffung befragt. Der CASA Monitor ist eine mit der respondi AG im Auftrag von infas 360 mehrmals im Jahr online durchgeführte Haushaltsbefragung mit wechselnden Themenschwerpunkten. In der aktuellen Erhebung wurde unter anderem nach Nutzung, Ausstattung, den Einstellungen und Wünschen, aber auch nach konkreten Plänen und Grundbedürfnissen der Haushalte in Sachen Energieversorgung gefragt. Der Fragebogen wurde gemeinsam mit Dr. Guido Beier (de3p.com), einem ausgewiesenen Design-Thinking-Pionier erarbeitet. Erstmals wurde dabei das Bedürfnissystem der Basic Human Needs von de3p integriert.
Segmentbildung: Wer ist wie stark affin für Energieautarkie?
Um den Grad der Energieautarkie eines Haushalts zu klassifizieren, wurde ein entsprechender Index gebildet. In einer Clusteranalyse wurden sieben Haushaltstypen mit abgestuften Energieautarkie-Affinitäts-Ausprägungen ermittelt. Drei dieser Cluster beschreiben dabei die ganz oder teilweise energieautarken Haushalte. Die anderen vier Segmente beinhalten Haushalte, die mit dem Thema eher wenig anfangen können. Aber auch diese sind für ein Gesamtverständnis des Marktes von Bedeutung. Deshalb wurden für alle ermittelten Cluster detaillierte Beschreibungen erarbeitet.

Anreicherung mit mikrogeographischen Sekundärdaten: Was wissen wir darüber hinaus längst über die Befragten?
Die anonymisierten Antworten der Befragten wurden anschließend mit weiteren rund 700 mikrogeographischen Sekundärdaten auf Gebäudeebene aus der CASA Datenbank von infas 360 verknüpft. Hierzu zählen Merkmale wie etwa Etagenanzahl, qm-Zahl, Anzahl Parteien, Dachform und Ausstattung des Gebäudes, soziodemographische Daten der Bewohner, Kaufkraft im Siedlungsblock, infrastrukturelles Umfeld, Wohnumfeldinformationen, Ausländeranteil, Vorhandensein von Gärten oder Photovoltaikanlagen, verfügbare Energieformen, Consumer Insights, Pkw-Daten. Diese nicht personenbezogenen Informationen leisten einen wichtigen Beitrag zur Erweiterung der Erhebungsdaten.
Diskriminanzanalyse: Welche Merkmale sind Segment prägend?
Eine Diskriminanzanalyse macht anschließend deutlich, welche der über 700 Merkmale welchen Segmenttyp von anderen Segmenttypen schärfer trennen können. Eine Beispiel: Grundsätzlich haben Menschen mit Wohneigentum die größte Affinität zur Energieautarkie, allein weil sie das Thema durch entsprechende Investitionen selbst beeinflussen können. Das sind bereits 41 Prozent aller befragten Haushalte. In der Befragung wurden auch diejenigen, die aktuell zur Miete wohnen befragt, ob sie innerhalb der nächsten 24 Monate einen Immobilienkauf planen. Dies bejahten weitere 17 Prozent aller Befragten. Aus diesen beiden Merkmalen bildete sich also die Grundgesamtheit für die Segmentierung.

Tiefeninterviews und Persona-Bildung: Was genau bewegt die Menschen hinter den Segmenten wirklich?
Mit Vertretern jeden Segmentes führte Dr. Guido Beier mehrstündige Tiefeninterviews. Dabei wurden noch einmal ganz gezielt Beweggründe für das unterschiedliche Verhalten und die divergierenden Einstellungen herausgearbeitet. Auf Grundlage der Kombination aus Basis-Segmentierung und den sehr detaillierten Erkenntnissen aus den Tiefeninterviews lassen sich Personas beschreiben, die sich für ein effizientes Planen und Agieren in Marketing und Vertrieb als extrem hilfreich herausgestellt haben. Die Zielgruppen können so individuell mit dem passenden Marketingmix angesprochen werden.
Regionalisierung: Wie Segment-affin ist jeder einzelne Haushalt in Deutschland und wo befinden sie sich?
Die Ergebnisse wurden von infas 360 flächendeckend auf jedes Gebäude in Deutschland übertragen. Dabei wurden die für jedes Gebäude vorliegenden Basis-Merkmalskombinationen automatisiert nach Übereinstimmungen mit den Merkmalskombinationen der verschiedenen Segmente überprüft und entsprechend gematcht. Nun lässt sich für jedes Gebäude, aber auch zusammengefasst für jede beliebige Ebene und Region (Straßenabschnitt, Siedlungsblock, Stadtteil, Stadt, u.a.) eine entsprechende Affinität zur Energieautarkie prognostizieren. Erst nach der Regionalisierung werden die Erkenntnisse aus der Befragung wirklich operationalisierbar für potenzielle Energieanbieter oder Anbieter entsprechender Techniken, aber auch für Immobilienunternehmen, die konkrete Hinweise auf die gewünschte Ausstattung in ihrem Marktgebiet erzielen können.
Erste Auswertung: Wie viele gibt es von welchem Segment und wie leben sie?
Nach dem flächendeckenden und hausgenauen Übertrag der Ergebnisse auf den Gesamtmarkt lassen sich zahlreiche neue Erkenntnisse gewinnen. So zeigt sich, dass die Grundgesamtheit der Eigentümer und der Eigentums-Planer, zusammen 21 Millionen Haushalte umfasst (56 Prozent von gesamt 40 Mio. Haushalten in Deutschland).
Das Segment EAC 7 mit der höchsten Energieautarkie-Affinität beinhaltet 6 Prozent der Haushalte. Die drei Cluster EAC 7, EAC 5 und EAC 1 beschreiben die Haushalte mit vorhandener Tendenz zur Energieautarkie. Zusammen sind das deutschlandweit rund 5 Mio. Haushalte, die somit auch den deutschen Markt für die Energieautarkie bilden.
Auszug aus dem Steckbrief: Cluster EAC 1 = mittlere Energieautarkie-Affinität sind etwas älter (eher 60+), mit hoher Kaufkraft, wohnen ruhig im Einfamilienhaus auf dem Land oder am Stadtrandgürtel und haben das Bedürfnis, sozial und nachhaltig, aber auch innovativ und unabhängig zu agieren. Cluster EAC 7 = sehr hohe Energieautarkie-Affinität) unterscheidet sich in vielen Parametern. Ihre Vertreter leben zum Beispiel aktuell eher in den Innenstädten, sind zwischen 35 und 50 über Jahre alt, gebildet, verfügen über eine mittlere Kaufkraft und haben eher Kinder im Haushalt. Sie streben aus der City in den Speckgürtel und wollen dafür sehr zukunftsorientiert investieren. Eine Motivation dabei ist das Bedürfnis von "Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit" in Energiefragen.
Geographische Auswertungen: Wie unterscheidet sich die regionale Potenzialverteilung?
Die regionale Verteilung der Energieaffinitäts-Cluster ist heterogen. In der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf sind beispielsweise nur 14 Prozent der Haushalte für Energieautarkie affin, bundesweit sind es 24 Prozent (s. Abbildung unten).

Innerhalb Düsseldorfs gibt es weitere signifikante Unterschiede (s. Abb.: hellgrün = EAC1 bzw. mittlere Affinität, mittelgrün = EAC5 bzw. hohe Affinität, dunkelgrün = EAC7 bzw. sehr hohe Affinität). Es gibt Stadtteile wie Niederkassel, in denen die mittlere Klasse deutlich überwiegt und Stadtteile wie Flingern-Süd, in der die sehr hohe Energieautarkie-Affinität vorherrscht.

Städteranking: Welche Stadt liegt beim Energieautarkie-Potenzial vorne?
Durch die Regionalisierung lassen sich auch Deutschlands Städte vergleichen. In der nachfolgenden Auswertung wurden die 20 einwohnerstärksten Städte untersucht. Hier liegen 657.417 der energieautarken Haushalte. Die restlichen befinden sich in kleineren Städten und auf dem Land, so das Studienergebnis. Absolut gesehen hätte natürlich Berlin die Nase vorn, prozentual hat jedoch Münster als kleinste untersuchte Stadt den höchsten Anteil mit 28 Prozent. Selbst bei den absoluten Zahlen erreicht Münster mit 24.504 energieautarken Haushalten immerhin fast das Niveau von Stuttgart (24.526), einer fast doppelt so großen Stadt.
Nachfolgende Tabelle zeigt die 20 größten Städte Deutschlands, deren Grundgesamtheit für Ener-gieautarkie (Eigentümer + Mieter, die vor Eigentumskauf stehen) und innerhalb dieser den Anteil der potenziell Energieautarken im Ranking (1-20).
(Hervorgehoben: Die Top 5 der 20 größten Städte Deutschlands hinsichtlich des Anteils der energieautarkie-affinen Haushalte im Verhältnis zur Gesamtzahl der Haushalte der Stadt)
Zur Autorin:
Silke Martin ist Senior Consultant Research & Customer Analytics bei infas 360. In dieser Funktion betreut sie den CASA Monitor, eine regelmäßige Haushalts-Befragung von infas 360 und ist für die Kunden Spezialistin in CRM-Analysen.
Nach dem Bachelorstudium der Wirtschaftspsychologie mit Schwerpunkt Personal- und Organisationsmanagement absolvierte Silke Martin ein Masterstudium der psychologischen Statistik mit Schwerpunkt angewandte Methoden. Nach Anstellungen als Data Analystin im aCRM und im Projekt-, Kunden- und Kampagnenmanagement wechselte sie im Jahre 2014 zur infas 360 GmbH.
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