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Jubiläum von SKOPOS Einfach mal "kein Arschloch sein" hilft enorm - Interview mit Olaf Hofmann zu 25 Jahren SKOPOS

marktforschung.de: 25 Jahre SKOPOS: Wie fing eigentlich alles an? Was ist der Gründungsmythos von SKOPOS?
Olaf Hofmann: Der Gründungsmythos ist denkbar simpel: Jörg Korff (Anmerkung: Mitgründer von SKOPOS) und ich wollten uns nicht aus den Augen verlieren. Wir hatten uns im Rahmen eines Praktikums im Bereich Personalauswahl kennengelernt und wollten unbedingt weiter zusammenarbeiten. Nicht unbedingt selbstständig, aber welche Firma stellte damals schon zwei Psychologen gleichzeitig ein? Die Wahrscheinlichkeit schien uns denkbar gering. Dann war nur noch die Frage, was wir machen: Personalauswahl und Assessment-Center wäre okay gewesen. Eine andere Sache hat uns viel mehr interessiert: Marktforschung. Da war die Entscheidung schnell gefallen.
marktforschung.de: Was waren die ersten Projekte?
Olaf Hofmann: Eine Mitarbeiterbefragung in einem Plastikteilepresswerk in Berlin. 1995 gab es da Probleme: Selbst Mitarbeiter von Ford kauften damals keinen Ford mehr. Ich musste dann in das Presswerk nach Berlin und die zumeist türkischen Mitarbeiter am Band befragen. Diese hatten Angst, zitterten am ganzen Körper, als ich sie interviewen wollte. Ich musste als Psychologe zunächst Vertrauen aufbauen, dann erst fingen sie an zu erzählen, warum sie keine Ford-Autos mehr fahren wollten. Wir erhielten einen Orderscheck als Bezahlung in einem schönen Ford-Blau. Den haben wir kopiert und uns an die Wand gehängt.
Es ist auch kein Zufall, dass unser Büro auf einem Mediengelände ist (Hinweis: Das Büro von SKOPOS befindet sich im Medienpark Hürth). Die heutige Grundy light entertainment, damals noch Fremantle, hat viele Formate und Moderatoren durch uns testen lassen und lud uns ein, auf das Gelände zu ziehen. Wir saßen davor in der Lichtstraße in Ehrenfeld, in der Nähe der Live Music Hall. Wenn da Konzerte waren, bekamen wir Freikarten, weil man aufgrund der Lautstärke nicht mehr arbeiten konnte. Durch den Umzug kamen wir in Kontakt mit RTL, Sat1, DF1 (Vorgänger von Sky) und haben anfangs viel Medienforschung gemacht. Das war so von 1997-2001.
Erst danach haben wir angefangen, für Automobil-Hersteller zu arbeiten. Die Branche macht heutzutage rund 40 Prozent unseres Umsatzes aus. Davon haben wir Ahnung, da muss man uns nichts erklären. Bei FMCG-Unternehmen haben sie in den Anfangsjahren immer schnell gemerkt, dass ich da keine Ahnung von habe. Zahnpasta-Packungen haben mich einfach nie interessiert. Erst viel später begannen wir, dann auch in diesem Bereich Projekte zu realisieren.
marktforschung.de: Zurückblickend über die 25 Jahre: Was waren die Meilensteine, die SKOPOS zu dem gemacht hat, was es heute ist?
Olaf Hofmann: Das erste Wachstum war organisch, sehr langsam. Anfang 2000 hatten wir vier Mitarbeiter, waren zu sechst. Dann kam die Dotcom-Blase. Überall floss das Venture-Capital-Geld. Zudem hatten wir eine eigene Befragungssoftware programmieren lassen, was allerdings viel Geld und Zeit kostete. Also schrieben wir einen Businessplan und suchten Investoren, damals für eine Million Euro. Mit der Summe wurden wir aber nirgends eingeladen, unter fünf Millionen wollte sich keiner mit uns abgeben. Also änderten wir den Businessplan. Plötzlich lief es und wir bekamen erste Finanzierungszusagen im Mai 2000. Dann kippte der Neue Markt und die Zusagen waren hinfällig. In diesem Moment kam ein Investor auf uns zu: "Wir haben ein Portfolio-Unternehmen, die Dooyoo AG, die brauchen Marktforschung. Wir würden Euch gerne kaufen". Das haben wir dann über einen Aktientausch tatsächlich gemacht. Ausgehend von einer Bewertung von Dooyoo in Höhe von 100 Millionen Euro vor Börsengang.
Wir hatten Schwierigkeiten, das Geld auszugeben, was Dooyoo uns überließ. Eine hohe Cash-Burn-Rate war damals wichtig. Wir haben jeden eingestellt, der nicht bei drei auf den Bäumen war. Wir hatten drei fest angestellte Mitarbeiter im Marketing. Außerdem haben wir eine PR-Agentur und Werbeagentur für horrende Monatsbeträge verpflichtet. Irgendwann im Herbst 2000 hieß es dann: "Wir haben kein Geld mehr, Ihr müsst jetzt wieder profitabel sein". Dann mussten wir leider die Hälfte der Leute wieder entlassen. An einem Tag, im 15-Minuten-Rhythmus. Das war echt hart.
Insgesamt hatte Dooyoo damals ~2 Mio. Euro in uns investiert. Für eine kleine Bude, die wir damals waren, viel Geld. Wir haben in Tools investiert und ein Access-Panel aufgebaut – das Europanel, was später in ODC aufgegangen ist. Später wollte Dooyoo dann auch SKOPOS, als letztes verbliebenes Asset, wiederverkaufen. "Lasst uns doch zurücktauschen!", war unser Vorschlag. Aber das passte von der Bewertung nicht mehr. Ich sollte dann als angestellter Geschäftsführer die Firma verkaufen. Ich bin u. a. zu Martin Sorrell nach London geflogen. Aber eigentlich wollten wir das gar nicht und haben einen Management-Buy-Out vorgeschlagen. Wir fanden aber keine Bank, die uns das Geld dafür leihen wollte. Erst unser Steuerberater trieb einen Tennisfreund auf, der für die Deutsche Bank Remscheid arbeitete und den Deal, trotz fehlendem Eigenkapital und katastrophaler Bilanz, einging. Wir bekamen dann 700.000 Euro, sozusagen "Auf die blauen Augen", und konnten damit Teile von SKOPOS zurückabwickeln. Der Rest wurde über die Gewinne der folgenden Jahre abgestottert.
Die nächste Zäsur war die Urlaubszeit 2002. Ich war der einzige in der Firma, der bereits Kinder hatte. Alle anderen waren noch kinderlos und als ich am Ende der Sommerferien aus dem Urlaub zurückkam, gingen alle anderen Kollegen in den Urlaub. Ich stand mit sechs Projekten und drei Praktikanten allein da. Das war das x-te Mal, dass das passierte. Ich habe selten so viel gearbeitet wie in diesen Wochen und war kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Völlig überarbeitet fuhr ich Sonntagsnachts nach Antwerpen zur Präsentation am nächsten Morgen, trug meinen Anzug auf dem Arm und merkte, dass ich die Hose durch die Gosse schleifte. Da habe ich erkannt, dass es so nicht weitergehen kann.
Eine Woche später sprachen mich auf der GOR, der Online Research Konferenz der DGOF, dann Thomas Starsetzki, den ich von Rogator kannte, und Marcus Dreyer an. Marcus Dreyer kannte ich noch nicht. Er beeindruckte mich allein schon dadurch, dass er einen Memory-Stick hatte. Ich hatte zuvor noch keinen gesehen. Was für ein cooler, digitaler Typ, dachte ich. Beide stiegen dann ein und wir leiteten SKOPOS ab da zu viert.
Der nächste Meilenstein war die Gründung von ODC Services – Online Data Collection – gemeinsam mit der Psyma im Sheraton am Frankfurter Flughafen. Im Fernsehen liefen Bilder von Hurricane Katrina, daran erinnere ich mich noch. ODC haben wir dann gemeinsam großgemacht. 2011 lief mit 660.000 Euro Gewinn im ersten Halbjahr ausgesprochen gut. In diesem Moment kam Norstat und wollte uns kaufen, obwohl das von unserer Seite gar nicht beabsichtigt war. Wir haben uns dann erfahrene M&A-Berater geholt. Die haben uns dabei geholfen, ODC zu einem hohen Preis an Norstat zu verkaufen. Im Nachhinein muss man sagen: Wir konnten eine extrem hohe Bewertung erzielen. Aber, die wollten und mussten kaufen. Das war nur Glück, dass wir diese Bewertung erzielt haben. Das Geld haben wir dann in die Firma reinvestiert. Wenn man sich SKOPOS heute anschaut, mit sechs Portfolio-Unternehmen, 100 Mitarbeitern und 14 Millionen Umsatz – das ist ganz wesentlich aus diesem Deal entstanden. "You need money to make money." – das habe ich dadurch gelernt.
marktforschung.de: Welche schwierigen Phasen gab es im Verlauf der Jahre? Welche Entwicklungen waren besonders herausfordernd?
Olaf Hofmann: Die zehn Jahre zwischen Dooyoo und dem Verkauf von ODC waren schwierig. Es ist herausfordernder, ein Unternehmen von 25 auf 40 Mitarbeiter zu bringen als von 50 auf 100. Das Wachstum im Bereich 25 bis 40 Mitarbeiter ist auch viel schwieriger als von sechs auf zwölf Mitarbeiter zu wachsen. Das geht einfach. Am Anfang macht man alles selbst und muss sich weniger auf andere verlassen. Jetzt mit 7-8 Geschäftsführern ist es auch wieder einfach bzw. einfacher. Im mittleren Bereich ist es nicht so leicht, weil man sich zwischen Kundenprojekten, in denen man noch mitmischt, und Administrativem aufreibt.
marktforschung.de: Was sind die drei Hauptfaktoren, weshalb es SKOPOS heute noch erfolgreich gibt?
Olaf Hofmann: Schwierige Frage. Ich bin weder die Vertriebskanone noch der hervorragende Methodiker. Was mich laut den Kollegen hier ausmacht, ist, dass ich gut mit Menschen umgehen kann. Für ein Unternehmen, das es seit 25 Jahren gibt, haben wir viele Mitarbeiter, die seit 20 Jahren bei SKOPOS arbeiten. Unser erster Mitarbeiter arbeitet immer noch bei uns. Wir waren immer in der Lage, gute Leute zu halten, besser zu machen und gute Leute von außen anzuziehen. Einfach mal "kein Arschloch sein" hilft enorm. Der wahre Charakter zeigt sich, wenn Du jemandem Macht gibst. Wir sind bodenständig und fair geblieben.
Das Zweite ist eine geistige Flexibilität, die wir hier haben. Dinge im Markt zu sehen und darauf richtig zu reagieren. Wie z. B., als wir gemeinsam mit Martin Grupe und Oliver Kern SKOPOS CONNECT gegründet haben, weil wir erkannt hatten, dass Kunden-Communities die Marktforschung grundlegend verändern werden. Oder als wir uns entschlossen haben, Software selbst zu programmieren, was eigentlich ein großes Wagnis war, sich aber für uns mittlerweile gut rechnet.
Wir sind keine Spezialisten, wie viele andere im Markt. Die dritte wichtige Erkenntnis ist daher, zu erkennen, was andere besser können und wovon man selbst besser die Finger lässt.
marktforschung.de: Die Marktforschungsbranche verändert sich stark: Was sind aus Deiner Sicht die Herausforderungen in den nächsten fünf Jahren?
Olaf Hofmann: Es gibt immer mehr marktfremde Player. Früher war man im Wettbewerb mit anderen Instituten, jetzt konkurriert man auch mit Software-Unternehmen. Qualtrics ist ein Tsunami, der auf uns zurollt. Man muss viel genauer herausarbeiten, für was man selbst im Markt noch stehen will. Wo ist meine Daseinsberechtigung jenseits von Qualtrics und ähnlichen Playern? Die insights- bzw. datengetriebene Branche wächst. Die Frage ist, wo sie wächst. Ich glaube, dass die Zugänglichkeit von guter Software für unsere Branche ein echter Gamechanger ist. Qualtrics ist die erste stimmige End-to-End-Lösung von Befragungssoftware bis hin zum Dashboard mit sehr gutem Marketing. Das drückt - im Sog mit SAP - andere an die Wand. Große Unternehmen konsolidieren damit ihre Forschung auf einer Plattform. Institute sind dann noch Datenlieferant, was ja nicht schlecht sein muss. Wir als Gruppe müssen prüfen, inwiefern die einzelnen Units davon betroffen sind und wie wir darauf reagieren.
Insgesamt ist mir aber nicht bange. Der Bedarf an erkenntnisgetriebener Beratung steigt und wird weiter oben in Unternehmen angesiedelt sein. Durch die Digitalisierung erhält die Ebene der betrieblichen Marktforscher als Vermittler der Ergebnisse eine andere Rolle. Sie sind nicht mehr der klassische Gatekeeper. Das ist für uns und die betrieblichen Marktforscher gut. Forschungs-Communities sind nicht mehr nur in der Marktforschung aufgehängt, Analysen werden mit Dashboards selbst erstellt. Der Markt wächst, auch wenn die ADM-Umsatzzahlen stagnieren. Das ist nicht überraschend, da die branchenfremden Player nicht Mitglied im ADM sind.
marktforschung.de: Es gab etliche Konsolidierungs- und Fusionswellen in der Marktforschung. Warum ist SKOPOS heute immer noch eigenständig?
Olaf Hofmann: Wenn ich mein Unternehmen verkaufen sollte, dann muss ich danach komplett raus sein. Die Erfahrung mit einem halben Verkauf habe ich einmal gemacht. Das lässt Du lieber. Ich habe persönlich kein Problem, an jemanden zu berichten, aber auf so manches Gebaren von Playern speziell im angelsächsischen oder französischen Raum kann ich gut verzichten. Wir arbeiten nicht auf einen Verkauf hin, ganz im Gegenteil. Unser Portfolio mit sechs Units ist viel zu divers für einen klassischen M&A-Deal.
marktforschung.de: Gibt es besondere Rituale in der Firma, die sich im Laufe der Jahre entwickelt haben?
Olaf Hofmann: Unsere Weihnachtsfeiern sind legendär. Da freuen sich viele schon Monate vorher drauf. Wir können nämlich gut feiern! Bei uns wird viel gelacht – man muss hier keine Angst haben. Wir gehen auch sehr offen mit Zahlen um. Es gibt z. B. eine große Transparenz für die Mitarbeiter bzgl. der Geschäftszahlen.
marktforschung.de: Was ist Dein persönliches Erfolgsrezept?
Olaf Hofmann: Ich bin Cineast und liebe Tarantino-Filme. Es gibt eine Szene in Pulp Fiction, da spricht Marsellus Wallace zu Butch: "In der Nacht des Kampfes wirst Du vielleicht einen leichten Stich spüren. Das ist der Stolz, der Dich hier oben ärgert. Scheiß auf den Stolz …". Den Film habe ich 1995 gesehen und der hat mich tief beeindruckt. Wenn ein Mitarbeiter kommt und Dich kritisiert, reagiere nicht mit Stolz und Abwehr. Bleib bescheiden und hör es Dir an, werde kein eitler Gockel. Ich bin kein unemotionaler Typ, das ist es nicht. Aber ich versuche stets, nicht-emotional zu handeln.
Eine andere Sache ist: "What get’s measured, get’s done". Ich habe immer versucht, Dinge messbar zu machen, wie z. B. Conversion-Rates von Angeboten. Wir haben von Anfang an jedes Projekt nachkalkuliert und die Ergebnisse kommuniziert. Mir war klar, dass ich im kaufmännischen Bereich null Erfahrung habe und ich hatte keinen Mentor oder Lehrer, also hatte ich nur eine Chance: Ich musste viel lesen und verstehen und versuchen, das im Alltag umzusetzen. Das habe ich hinbekommen. Ich kann nicht alles wissen. Aber ich kann Dinge annehmen, wenn jemand kommt, der Ahnung hat, der mir erklärt, wie das funktioniert. Da kann ich ruhig mal zuhören. Und das tue ich gerne. Denn nur so kann ich mich kontinuierlich weiterentwickeln.
Hinweis: SKOPOS feiert sein 25-jähriges Jubiläum im Rahmen eines ganztägigen digitalen Kundentags am 25. Juni 2020. Wer sich anmelden möchte, kann dies hier tun: https://www.skopos-group.de/news/digitaler-kundentag.html.
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