"Eine Organisation ohne Veränderungen kann nicht existieren": Wolfgang Dittrich und Martina Winicker zu ihrem bevorstehenden Ausscheiden aus dem BVM-Bundesvorstand

Martina Winicker, Wolfgang Dittrich (BVM)
Beim BVM Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V. stehen einschneidende personelle Veränderungen bevor: Sowohl Wolfgang Dittrich (d.core GmbH), seit neun Jahren im Vorstand des BVM und seit 2005 Vorstandsvorsitzender, als auch Martina Winicker (IFAK Institut), seit sechs Jahren Vorstandsmitglied, werden nicht mehr bei der nächsten Bundesvorstandswahl antreten, die am 22. Mai in Berlin stattfindet.
Im Gespräch mit marktforschung.de hob Wolfgang Dittrich rückblickend auf seine Zeit beim BVM mit den Diskussionen um die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie dem immer stärker werdenden Trend zur Online-Forschung vor allem zwei Aspekte hervor, die die deutsche Marktforschungslandschaft in den vergangenen Jahren signifikant geprägt und verändert haben. Dittrich betonte, insbesondere im Hinblick auf die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes habe der BVM gemeinsam mit dem ADM entscheidende Modifikationen erreichen können, die der Markt- und Sozialforschung verbesserte Rahmenbedingungen geschaffen hätten. Hinsichtlich der immens gestiegenen Bedeutung von Online-Forschung beobachtet der Geschäftsführer der d.core GmbH auch, dass "Menschen im Internet immer mehr bereit sind, eine aktive Rolle zu spielen, kreativ zu sein, innovativ zu sein". Hierin liege im Hinblick auf die weiter steigende Bedeutung von Social Media eine Chance und gleichzeitig eine Gefahr für die Forschung. "Daher freut mich besonders, dass mit den neuen Kandidaten Dr. Raimund Wildner vom GfK Verein und Dr. Michael Bartl von der Hyve AG das Spektrum der methodischen Grundlagen auf beste Weise vertreten ist", so Dittrich.
Mit Blick auf die Entwicklungen beim BVM in den vergangenen Jahren hob der Diplom-Kaufmann zahlreiche organisatorische Veränderungen wie die Erneuerung der Korporativen Mitgliedschaft und deren Beitragsstruktur sowie den Umzug des Verbandes und den Aufbau einer entsprechenden Geschäftsstelle in Berlin unter der Leitung von Geschäftsführerin Ellen Didszus – "ein Glücksgriff", wie er betont – hervor. Wesentlich seien auch die Entwicklung des "Inbrief" hin zur anerkannten Fachzeitschrift, die Veränderung des BVM-Kongresses zu dem "jährlichen Branchenevent" inklusive Gala und die Einführung des "Preis der Deutschen Marktforschung" im Jahr 2005 gewesen. "Darüber hinaus freut mich sehr, dass der BVM seit 2002 seine Mitgliederzahl fast verdoppelt hat und wir gerade das 1.500ste Mitglied erwarten", ergänzt Dittrich.
Die Veränderungen in der Online- bzw. Internetwelt sieht auch Martina Winicker als besonders signifikant für die deutsche Marktforschungslandschaft an. "Einerseits haben sich durch die technischen Entwicklungen viele neue Möglichkeiten für die Marktforschung #break#ergeben. Die Variationen für die Datenerhebung sind vielfältiger geworden, insbesondere in der qualitativen Forschung sind vollkommen neue Wege eröffnet worden", so die IFAK-Geschäftsführerin gegenüber marktforschung.de. "Andererseits haben sich die Gewohnheiten und Verhaltensweisen der Bevölkerung durch das Internet sehr verändert, so dass sich hieraus grundsätzlich neue Forschungsfelder entwickelt haben. Wichtig ist es heute, das veränderte Nutzungsverhalten von Konsumenten zu erforschen. Dabei geht es nicht nur um das veränderte Mediennutzungsverhalten, sondern auch um verändertes Kaufverhalten, wie z.B. in der Reisebranche."
Für den BVM sei es stets wichtig, die neuen Entwicklungen der Marktforschung zu erkennen, sich damit auseinanderzusetzen und zu begleiten, betont Winicker. "Das neue "Wissen" muss von einem Berufsverband dann auch wieder den Mitgliedern und der gesamten Branche zur Verfügung gestellt werden. Dies haben wir in verschiedenen neuen Seminarthemen und in Fachtagungen umgesetzt. Zudem haben die neuen Möglichkeiten des Internets für die gesamte Branche und somit für alle Verbände, d.h. auch für ADM und ESOMAR die Aufgaben gebracht unsere professionellen Standards, insbesondere Richtlinien der Marktforschung, auch für den Bereich der Internet/Onlineforschung zu erarbeiten."
Ein anderes wichtiges Thema, das sich in den letzten Jahren immer mehr offenbart habe, sei die immer geringere Bereitschaft der Zielpersonen, an Umfragen teilzunehmen. "Die Ausschöpfungsquoten aller Erhebungsmethoden sind kontinuierlich gesunken, so dass es für unsere Branche wichtig ist, unser Ansehen in der Bevölkerung zu verbessern und über unsere Arbeit zu informieren, um diesen Trend aufzuhalten. Zum Thema der sinkenden Stichprobenausschöpfung haben insbesondere die beiden Verbände BVM und ADM in den letzten Jahren viel geleistet, was sich jetzt in der Öffentlichkeit in Form der Initiative Markt- und Sozialforschung zeigt", hob die Diplom-Psychologin hervor.
Sich nicht mehr für den Bundesvorstand des BVM zur Wahl zu stellen, hat sowohl für Martina Winicker als auch für Wolfgang Dittrich private Gründe. "Die Entscheidung, diese Tätigkeit nicht mehr weiter zu machen, ist mir sehr schwer gefallen. Die Arbeit mit den Kollegen im BVM-Vorstand hat mir sehr viel Spaß gemacht, es war ein tolles Team und wir haben in den letzten Jahren viel erreicht. An dieser Stelle möchte ich auch dem gesamten Team für die gute Zusammenarbeit danken", so Martina Winicker. Wolfgang Dittrich betonte ebenfalls, die Jahre im Vorstand seien eine tolle Zeit gewesen, andererseits sei es aber auch Zeit, wieder Veränderungen herbeizuführen. "Eine Organisation ohne Veränderung kann nicht existieren, und das bedeutet auch eine Veränderung hinsichtlich der Personen", so der scheidende Vorstandsvorsitzende.
Hinsichtlich der Veränderungen der Medienlandschaft und Mediennutzung hoben sowohl Wolfgang Dittrich als auch Martina Winicker die Notwendigkeit für die Marktforschungsbranche hervor, sich den Veränderungen zu stellen und anzupassen. So sieht Dittrich in den Medien auch in Zukunft einen wichtigen potentiellen Auftraggeber für Marktforschung. Eine Herausforderung bestehe dabei unter anderem darin, die Wirkung der neuen Medien im Sinne der Werbungtreibenden erfassbar zu machen. "Darin liegen #break#aber auch Chancen für neue Geschäftsmodelle und die Möglichkeit, Studien zu entwickeln, die es so vor zehn Jahren noch nicht geben konnte."
Mit Blick auf den diesjährigen BVM-Kongress unter dem Titel "Die Zukunft machen – Marktforschung auf dem Weg in die Netzwerkgesellschaft von morgen" betonte Martina Winicker, die zentrale Aufgabe der Marktforschung sei die Gewinnung von Informationen und deren Verarbeitung und beide Prozesse seien seit jeher mit den aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft einhergegangen. "Marktforschung bildet ja auch die gesellschaftlichen Prozesse ab. Deshalb bin ich der Meinung, dass unsere Branche grundsätzlich immer bei aktuellen Entwicklungen dabei ist, sei es zur Generierung von Informationen, sei es in der Anwendung neuer technischer oder logistischer Möglichkeiten um Informationen zu gewinnen und zu verarbeiten", so Winicker. "Wenn es einen Weg zur "Netzwerkgesellschaft von morgen" gibt, so hat unsere Branche heute schon ein gutes Stück des Weges zurückgelegt. Allerdings ist anzumerken, dass sich in den letzten Jahren die Online- und Internet-Möglichkeiten so rapide entwickelt und verändert haben, dass heute Dinge möglich sind, die "gestern" noch nicht denkbar waren. Aus diesem Grund halte ich es auch für die absehbare Zukunft für möglich, dass Dinge entstehen, die das, was wir heute für Zukunft, bzw. für den Weg dorthin halten, überholen."
Für den BVM-Bundesvorstand kandidieren in diesem Jahr die bisherigen Vorstandsmitglieder Dr. Frank Knapp, Jörg Ermert, Sabine Menzel und Dr. Ulrike Schöneberg sowie als neue Kandidaten Dr. Michael Bartl (Hyve AG) und Dr. Raimund Wildner (GfK Verein).
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