Hartmut Scheffler, Berater für Marktforschung und Markenführung Eine Minute - Spannungsfeld Männlichkeit

Hartmut Scheffler zieht ein kurzes Fazit zur Studie "Spannungsfeld Männlichkeit" (Bild im Hintergrund: picture alliance / PIXSELL | Davor Puklavec/PIXSELL).
Aktuell bestimmt die Studie „Spannungsfeld Männlichkeit“ die Diskussion. Interessant, wie unterschiedlich darauf reagiert wird. Drei Linien sind festzustellen:
- Das Thema ist so wichtig und die Ergebnisse sind so schlimm, dass man über Methode oder falsche Überschriften gar nicht reden sollte: das Problem heiligt die Mittel.
- Die Methode ist verbesserungsfähig, die Ergebnisse sind deshalb möglicherweise nicht valide, nicht repräsentativ und damit nicht oder wenig aussagekräftig: nur die bestmögliche Methode erlaubt - gerade zu so einem relevanten Thema - Veröffentlichungen und Schlussfolgerungen.
- Und gefühlt leider am seltensten: das Thema ist wichtig, die Methode akzeptabel. Das Problem sind aber PR und Medien, die um der Aufmerksamkeit willen falsche Überschriften gewählt haben.
Aus Konjunktiv wird Indikativ, aus „ich würde…“ wird „ich habe…“, aus 18-35 jährigen Männern werden „die Männer“. Reichweite, Aufmerksamkeit, Erregungsfaktor schlagen Korrektheit.
Meine Meinung:
- Ja, das Thema ist wichtig und die Ergebnisse sind auch unter dem Filter methodischer Bedenken und effektheischender Veröffentlichung erschreckend. Dies legitimiert aber nie und in keinster Weise die geäußerte Ignoranz gegenüber Methodenfragen und vor allem falschen Überschriften und Aufhängern. Der Zweck heiligt nie die Mittel.
- Ja, die Methode ist verbesserungsfähig… aber so schlecht ist sie auch nicht. Lasst bitte die Kirche im Dorf! Es gibt viele schlechter gemachte Studien ohne Aufregungsfaktor. Die Hinweise sind natürlich berechtigt und gilt es in Zukunft zu berücksichtigen.
- Das wahre Problem ist aber, dass - aus ideologischen Gründen oder Unwissenheit oder beidem? - effekthaschende PR und dann ungeprüfte / unreflektierte Übernahme von solchen falschen Überschriften stattgefunden haben. Dies führt zu mehrfachem Schaden: Die Seriosität der Umfrageforschung nimmt Schaden. Die Glaubwürdigkeit veröffentlichter Daten und das Vertrauen darin nimmt Schaden. Und letztendlich wird auch dem so wichtigen Thema kein Gefallen getan – gar Schaden zugefügt.
Mein Resümee:
Es braucht hohes Verantwortungsgefühl sowie Exaktheit in Durchführung und Kommunikation/Veröffentlichung bei Auftraggebern wie Durchführenden.
Es braucht ein gutes Verständnis von Daten, Datenmissbrauch (zum Beispiel durch Fehlinterpretation) und Aussagekraft von Daten bei allen Beteiligten, also bei Absendern wie Adressaten von Meldungen.
Kurz: Problem und Lösung liegen in der – oft fehlenden – Datenkompetenz in der Bevölkerung als Adressaten, bei Journalisten als Multiplikatoren, bei Politikern. Nur ausreichende Datenkompetenz kann Datenbeugung und Datenmissbrauch durch – wie hier – unrichtige Aussagen und Behauptungen verhindern.
Also leider: ein Lehrstück!
Über die Person
Hartmut Scheffler ist Diplom-Soziologe und Stadt –, Raum – und Regionalplaner. Von 1980 an in der Marktforschung tätig, seit 1990 bis 2020 Geschäftsführer des Emnid Institutes Bielefeld, später TNS Emnid, dann TNS Infratest, Kantar TNS, Kantar Deutschland. Mitglied in verschiedenen Beiräten und Branchenverbänden, unter anderem ADM (12 Jahre Vorstandsvorsitzender, seit 2021 Ehrenmitglied), BVM (dort 2009 als Forscherpersönlichkeit des Jahres geehrt). Seit Juli 2020 im Ruhestand, seit Januar 2021... mehr
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