Interview zu Influencer-Kampagne "Eine Kampagne sollte nie nur auf Reichweite setzen!"

Influencer-Marketing gehört nicht zu den einfachsten Dingen des unternehmerischen Handelns. Man muss erst einmal die passenden Influencer finden! Und die brauchen dann noch Follower. Am Beispiel einer erfolgreichen Kampagne bei einem nicht ganz so leicht zu vermarktenden Produkt erklären Sandra Gärtner, GreenAdz, und Björn Wenzel von Lucky Shareman, wie aus einer guten Idee auch ein großer Erfolg werden kann.

Sandra Gärtner, Björn Wenzel

Sandra Gärtner, Björn Wenzel

marktforschung.de: Herr Wenzel wir reden heute über eine Kampagne, bei der Influencer beauftragt wurden, eine Smartphone-Bezahlfunktion in einer Banken-App bekannter zu machen. Das klingt nach einem anstrengenden Vorhaben, oder liege ich falsch?

Björn Wenzel: Influencer-Marketing zählt in der Finanzdienstleistungsbranche in der Tat bisher nicht gerade zum Standard-Repertoire. Die Kampagne sollte das Markenbild des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken unterstützen und gleichzeitig die teils junge Zielgruppe motivieren, die Smartphone-Bezahllösung Kwitt zu nutzen. Wir mussten also eine tolle Idee haben, die Influencer sorgfältig auswählen und die Inhalte genau prüfen. Der Aufwand hat sich gelohnt: Zwischen August und November 2018 haben 110 Influencer es geschafft, rund 61 Millionen Kontakte für Kwitt zu generieren.

marktforschung.de: Nach welchen Kriterien hat Lucky Shareman die Influencer ausgewählt? Wie viele Follower brachten diese Influencer mit?

Björn Wenzel: Wir haben zehn Macro-, 58 Mid- und 42 Micro-Influencer ausgewählt, die zwischen 20.000 bis zu 2,5 Millionen Follower mitbrachten. Eine Kampagne sollte nie nur auf Reichweite setzen. Der Zielgruppenfit, die Qualität der Beiträge und die Interaktion mit den Followern sind ebenso wichtig für den Erfolg. Bei der Interaktion punkten Micro- und Mid-Influencer oft, da sie eine große Nähe zu ihrer engagierten Community mitbringen. Macro-Influencer haben dafür oft hochwertige Videos und eine große Reichweite. Durch die Kombination erreichte die Kampagne über 60 Millionen Kontakte, einen Zielgruppenfit von 80 Prozent und eine Interaktionsrate allein auf Instagram von 4,7 Prozent. 

marktforschung.de: Den Banken ging es schon einmal besser, die Online-Konkurrenz untergräbt Geschäftsmodelle, die Jahrzehntelang funktionierten und jetzt eben nicht mehr. Heißt das im Umkehrschluss, dass jetzt auch ganz neue Werbeformen aktiviert werden müssen? Oder so gefragt: Wie groß muss die Not sein, dass Banken jetzt schon Influencer braucht?

Björn Wenzel: Nicht nur die Bankenbranche schichtet Budgets in Influencer-Marketing um! Die meisten Marken investieren hier mittlerweile Budgetanteile von bis zu 15 Prozent, Tendenz steigend. Der Grund: Besonders jüngere Zielgruppen, und für Kwitt standen auch Zielgruppen zwischen 16 und 39 Jahren im Fokus, werden über klassische Kanäle nicht mehr optimal erreicht, sehr wohl aber über Social Media. Denn TV-Reichweiten sinken und klassisches Online-Marketing leidet unter dem Einsatz von Ad Blockern. Influencer, die mit ihren Fans auf Augenhöhe unterhaltsame Inhalte teilen und sie zum Interagieren anregen, sind für die meisten Marken ein Traum. Diese direkte Ansprache und Resonanz ist über klassische Kanäle nicht zu verwirklichen.

marktforschung.de: Wie muss ich mir das ganz konkret vorstellen? Die Volksbanken und Raiffeisenbanken haben eine Bezahlfunktion programmieren lassen, mit der man Geld an Freunde überweisen kann. Also eine Funktion, die Paypal ja schon lange bietet. Die Bank beauftragte dann Sie, um die Bekanntheit zu steigern und bald war klar, dass junge Menschen am besten über soziale Medien erreicht werden. Was passierte dann? Wie wählt man überhaupt Influencer aus?

Björn Wenzel: Die Smartphone-Bezahl-Funktion Kwitt gab es schon seit einigen Monaten. Der Verband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken wollte die Funktion 2018 nun bekannter machen und die Nutzung steigern, besonders auch bei jungen Leuten. Die Funktion ist besonders unkompliziert. Kleine Beträge bis 30 Euro können ohne TAN überwiesen werden. Im Gegensatz zu Paypal handelt es sich um ein deutsches Produkt und eine reine Smartphone-App, bei der keine Transaktionsgebühren anfallen und die Daten nicht weitergegeben werden. 

Jetzt zur Auswahl der Influencer: Wir haben Micro-, Mid- und Macro-Influencer kombiniert, um verschiedene Zielgruppen abzudecken und neben der Reichweite eine gute Interaktionsrate zu erreichen. Mindestens ebenso wichtig wie der Markenfit der Influencer ist die Zusammensetzung ihrer Follower. Wir haben vor dem Kampagnenstart deshalb auch deren Interessen, Marken- und Werbewahrnehmung unter die Lupe genommen. 

marktforschung.de: Nun mussten die Influencer ja erst einmal die Follower aktivieren. Wie ging das?

Björn Wenzel: Die Idee "Challenge & Charity" von unserem Agenturpartner Heimat wirkte sehr aktivierend. Die Influencer posteten im Kampagnenzeitraum 376 Beiträge auf Instagram, YouTube, Twitch und auf ihren Blogs. Und diese Beiträge hatten es in sich. Je höher die Beträge, die Follower via Kwitt an eine von 80 Stiftungen spendeten, desto ausgefallener wurden die Challenges der Influencer. So wurde Flo (@flowesterm) von einer Ladung Wasserbomben durchnässt und Joey von Joey`s Jungle lief unter anderem kaum bekleidet durch ein Brennnesselfeld. Die Interaktionen über Instagram zeigen: Den Fans gefielen die Challenges. Und sie waren bereit, Kwitt zu nutzen.

marktforschung.de:  Eine beeindruckende Kampagne mit beträchtlichem Aufwand, denke ich. Wie haben Sie dann aber gemessen, ob sich das alles gelohnt hat?

Sandra Gärtner: Wir haben im Vorfeld Key Performance Indicators (KPIs) festgelegt. Und zwar nicht nur quantitative Kennzahlen wie Reichweite, Neuregistrierungen der Bezahllösung, tatsächliche Zahlungen mit Kwitt und Interaktionsraten in Social Media. Sondern besonders auch qualitative Werte: Die Steigerung der Marken- und Produktwahrnehmung und die Markensympathie. Die quantitativen Werte sind mittels Monitoring-Tools einfach zu messen. Für die qualitativen Werte haben wir gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut GreenAdz die Befragungs-Lösung Influencer Performance Score entwickelt. Dabei laden Influencer ihre Follower vor und nach der Kampagne zu einer Befragung ein. Incentiviert werden die Teilnehmer durch Baumspenden von GreenAdz an eine Umweltschutzorganisation - insgesamt wurden bei dieser Befragung 2.845 Bäume gepflanzt. Die Befragung der Follower erbrachte Insights zu Markenbekanntheit, Marken- und Produktwahrnehmung und Aktivierung der Zielgruppen. 

marktforschung.de: Und welche Ergebnisse stechen hervor?

Sandra Gärtner: Fast 61 Millionen Kontakte sind natürlich ein Highlight. Die Zahlungen mit Kwitt stiegen um 27 Prozent, die Neuregistrierungen um 21 Prozent. Soweit die harten Zahlen. Außerdem stieg aber die Markenbekanntheit von Kwitt bei den Befragten um 27 Prozent, das Markenwissen versechsfachte sich, und die Interaktionsrate allein in Instagram lag bei 4,7 Prozent. 

marktforschung.de: Eine Frage zum Schluss: was meinen Sie, wird Influencer-Marketing für die Marktforschung bald eine deutlich größere Rolle spielen? Oder hat es seine beste Zeit schon hinter sich?

Björn Wenzel: Influencer-Marketing und Marktforschung ergänzen sich wunderbar. Influencer-Marketing wird heute immer öfter bei Marken in der Mediaplanung mitgedacht - genau deshalb erwarten Marken und Agenturen aber auch eine verlässliche Planungsgrundlage. Marktforschung kann neben den Reichweiten auch die Wahrnehmung von Marke, Produkt und Werbung untersuchen. Lucky Shareman nutzt deshalb zwei Befragungs-Tools, beide mit dem Marktforschungsunternehmen GreenAdz entwickelt: 

Der Influencer Performance Score fragt die Werbewirkung der Kampagne bei den Followern ab. Und für eine bessere Planungsgrundlage noch vor dem Start der Kampagne kommt seit Mitte März ein neues Tool zum Einsatz: Für die neue Markt-Media-Studie Influencer Facts befragt der Influencer seine Follower nach deren Interessen, Werbeaffinitäten und auch danach, wie stark sie dem Influencer vertrauen. Marken erfahren so rechtzeitig, wie glaubwürdig der Influencer ist, wie gut seine Botschaften in der Zielgruppe ankommen werden - und ob die Follower der Zielgruppe der Marke entsprechen. Der Clou: Die Influencer Facts ist in das Auswertungs-Tool mediMACH* integriert. So ist erstmals eine strukturierte Planung der passenden Influencer auf Basis von passenden Zielgruppen für Influencer-Kampagnen möglich. 

Mit den genannten Marktforschungslösungen lassen sich also Kampagnen vorab besser planen und der Erfolg am Ende besser nachweisen. Wir sind sicher, dass Marktforschung die wichtigste Grundlage ist, um die gesamte Gattung Influencer-Marketing weiter voranzubringen und zu professionalisieren.

marktforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch! 

Das Interview führe Tilman Strobel

 

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