Studie des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts Ostdeutsche und der Rechtsextremismus: Eine Erhebung mit einer außergewöhnlich hohen Ausschöpfungsquote

Letzte Woche hat das Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Universität Leipzig eine Studie zu Rechtsextremismus in Ostdeutschland veröffentlicht. Das Bemerkenswerte an der Studie aus Sicht der Marktforschung: Sie hat eine ungewöhnlich hohe Ausschöpfungsquote. Das kann einerseits für die Qualität der Stichprobe sprechen, andererseits führt es auch zur Frage, wie diese hohe Ausschöpfung methodisch erzielt werden konnte.

In zwei Wellen befragten Interviewer Menschen in Ostdeutschland nach ihrer politischen Einstellung. Besonders überraschend: die ausgesprochen hohe Ausschöpfungsquote (Bild: picture alliance/dpa | Daniel Karmann).

Der Tenor der Studie: Ostdeutsche wünschen sich einen autoritären Staat und in den neuen Bundeländern sind rechtsextreme Einstellungen stark verbreitet. Die Studie hat in den Medien hohe Wellen geschlagen. Nach eigenen Angaben führt das Else-Frenkel-Brunswik-Institut regelmäßig bevölkerungsrepräsentative Studien zur politischen Einstellung in Deutschland durch. Beauftragt mit der Durchführung der Studie wurde das Markt- und Sozialforschungsinstitut USUMA mit Sitz in Berlin. Das Else-Frenkel-Brunswik-Institut selbst gibt umfangreiche Einblicke in die Methodik und den Verlauf der Studie.  

Um die Vergleichbarkeit mit den bisher von dem Institut durchgeführten Leipziger Autoritarismus Studien sicherzustellen, wurde ein repräsentatives Face-to-Face Sample an Privathaushalten entlang des von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Meinungsforschungsinstitute zur Verfügung gestellten Auswahlrahmens gezogen. Die Besonderheit der Studie ist hier, dass lediglich in den fünf ostdeutschen Bundesländern sowie Ost-Berlin erhoben wurde.

Die Forschenden begründen dies damit, dass die Fallzahlen bei einer bundesweit repräsentativen Erhebung ansonsten in der Regel nicht ausreichen, um Aussagen für einzelne ostdeutsche Bundesländer zu treffen. 

Erhebung in zwei Wellen 

Danach wurden an insgesamt 277 ostdeutschen Sample-Points 6.648 Haushalte für die Befragung ausgewählt. Die Erhebung verlief in zwei Wellen vom 3. Mai bis zum 31.Juli 2022. Durch qualitätsneutrale Ausfälle reduzierte sich die Zahl der benutzten Adressen auf 6.478. Insgesamt konnten 3.074 Interviews erhoben werden, was einer Ausschöpfungsquote von 46,2 Prozent entspricht. Das ist ungewöhnlich und überraschend hoch, was einerseits für die Qualität der Stichprobe sprechen kann, andererseits aber auch zu der Frage führt, wie diese hohe Ausschöpfung methodisch erzielt werden konnte. Laut Brancheninsidern wäre bereits eine Ausschöpfung zwischen 30 bis 40 Prozent ausgesprochen hoch.

Die 46,2 Prozent konnten sich Experten gegenüber marktforschung.de nur dadurch erklären, dass es bei Random-Route Stichproben immer wieder vorkäme, dass Ausfälle nicht korrekt durch die Interviewer klassifiziert werden und so das tatsächliche Brutto-Sample von der Größe unterschätzt wird.  

Die politische Einstellung wurde mittels des Leipziger Fragebogens zur rechtsextremen Einstellung erhoben (Decker et al. 2013; Heller et al. 2020). Dieses Instrument kann als etabliert und bewährt gelten. Für die Untersuchung wurden zudem die ostdeutschen Befragten der Leipziger Autoritarismus Studie 2022 mit in die Analyse aufgenommen, so dass insgesamt 3.546 Probanden für die Analyse der Einstellung zur Verfügung standen. Damit ist die Studie des Instituts insgesamt als „repräsentativ“ einzustufen. 

Soziale Erwünschtheit vermeiden 

In den angesteuerten Haushalten führten geschulte Interviewer mit den ausgewählten Probanden mündlich-persönliche Interviews durch. Der Fragebogen bestand zudem aus einem Selbstausfüllerteil, um eine zu starke Verzerrung der Antworten zu Fragen nach der rechtsextremen Einstellung im Sinne einer sozialen Erwünschtheit zu verhindern. Hier ist absolute Anonymität für die Befragten wichtig.  

USUMA freut sich über den Erfolg 

marktforschung.de hat bei USUMA nachgefragt, wie die hohe Ausschöpfungsquote zu erklären ist. Es antwortete Rainer Schwarz, Gründer und Gesellschafter bei USUMA. „Diese hohe Ausschöpfungsquote erfreut uns natürlich sehr. Aus unserer Sicht kamen hier drei Faktoren zusammen, die den Erfolg unserer Studie für das Else-Frenkel-Brunswik-Institut erklären könnten“, so Schwarz. 

Als einen Grund nennt Schwarz das Design der Studie. „Sie war genau auf die neuen Bundesländer zugeschnitten. Das passte perfekt. Gleichzeitig war das Interesse seitens der Menschen in Ostdeutschland sehr groß an unserer Umfrage“, so Schwarz. Ein weiterer Grund sieht er in der hohen Reputation der Universität Leipzig in den neuen Bundesländern.

Das war ein richtiger Türöffner für unsere Interviewer“, meint der Gründer. „Die Uni hat dort ein enorm gutes Standing.“ 

Absolute Anonymität 

Als den wichtigsten Grund für die hohe Ausschöpfungsquote nenn Schwarz die Tatsache, dass die Befragten den Selbstausfüllerteil des Fragebogens der Studie in absoluter Anonymität ausfüllen konnten. „Ansonsten hätten viele ihre extremen politischen Einstellungen niemals geäußert“, weiß Schwarz. Die Befragten hatten die Möglichkeit, den Fragebogen allein auszufüllen und diesen dann mit einem vorfrankierten Umschlag an USUMA mit der Post zu schicken. „Sie konnten sich auch dafür entscheiden, den ausgefüllten Fragebogen von den Interviewern zu einem späteren Zeitpunkt bei sich zuhause abholen zu lassen.“ 

Als nicht unerheblich sieht Schwarz auch die Tatsache, dass die Erhebung in zwei Wellen durchgeführt wurde. „In der zweiten Welle haben wir natürlich die Haushalte, die in der ersten Welle nicht bereit waren, noch einmal gefragt, ob sie an der Erhebung teilnehmen wollen. Und zu unserer Überraschung waren bei der zweiten Anfrage plötzlich noch einmal viele Menschen bereit, doch mit einem Interviewer zu reden.“ Das alles habe zu dieser außergewöhnlich hohen Ausschöpfungsquote beigetragen.

Fazit 

Reicht der gute Ruf einer Universität, damit man dem Interviewer die Tür öffnet? Ja, sagt das durchführende Institut Usuma.

Das überrascht, galten doch die fünf neuen Bundesländer bislang als vergleichsweise demokratie-kritisch. In der Vergangenheit wurde öfters mal argumentiert, dass gerade dort die Bereitschaft, an Umfragen teilzunehmen, unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. Umso erstaunlicher, dass in diesem Fall eine Ausschöpfungsquote erzielt werden konnte, die deutlich höher ausfällt als bei vergleichbaren Erhebungen.  Warum das genau so ist, bleibt trotz der Erklärungen des Instituts etwas diffus.

So ist man sich unsicher, ob man sich mit dem Forschungsteam über die hohe Ausschöpfung freuen sollte. Oder ob es nicht doch eine Systematik gibt, die nicht nur die Ausschöpfungsquote, sondern auch die Zusammensetzung der Stichprobe und damit der Ergebnisse beeinflusst hat. Vergleichbar mit Zweifeln,  die schon mal aufkommen, wenn ein Radrennfahrer bei der Tour de France reihenweise die schwersten Bergetappen mit deutlichem Vorsprung gewinnt.

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