Interview Dr. Jan Scholzen, GE Healthcare "Ein Preis ist richtig gesetzt, wenn die Zahlungsbereitschaft in der Zielgruppe getroffen wird"

Sie waren einige Jahre "Pricing Manager Germany + European Chains" bei GE Healthcare: Wie genau kann man sich die Arbeit eines Pricing Managers vorstellen?
Dr. Jan Scholzen: Im Grunde waren es drei Hauptaufgaben: Analyse, Interne Marketing-Beratung und Verhandlung mit Kunden.
Der Schwerpunkt lag sicherlich auf der Analyse von Umsatz, Absatz, Margen, Rabattstufen und Durchschnittspreisen; in dem Kontext war ich tatsächlich in jedes Verkaufsprojekt eingebunden und konnte den Preis festsetzen. Da macht man sich nicht immer beliebt - weder beim Vertrieb noch bei den Kunden.
Der Beratungsansatz war - zumindest für mich - die spannendste Aufgabe: Hier ging es darum, je Produktgruppe, gemeinsam mit Vertrieb und Marketing eine sogenannte Value Selling Strategie zu entwickeln. Dabei war es zentral wichtig, die Zahlungsbereitschaften der Zielgruppen für bestimmte Features abzuschätzen und gleichzeitig eine packende Argumentation mit dem Vertrieb für die wichtigsten Nutzenargumente herauszuarbeiten – das haben wir verstetigt und der Vertrieb hat sehr gut mitgemacht. Auch das Lernen aus gewonnenen oder auch verlorenen Projekten hat eine große Rolle gespielt. Jedenfalls haben wir es damals geschafft, Marktanteile zu steigern ohne die Preise zu senken. Das war eine gute Erfahrung auch für den Vertrieb, weil man gesehen hat, dass man mit einem differenzierten Nutzenversprechen bei unterschiedlichen Zielgruppen punkten kann.
Nicht weniger spannend waren dann einzelne Verhandlungen – insbesondere bei großen Krankenhausketten - die ich gemeinsam mit den Key Account Managern vorbereitet und bei denen ich auch teils vor Ort mitgewirkt habe.
Welche Produkte und/oder Services vertreiben Sie aktuell?
Dr. Jan Scholzen: GE Healthcare bietet viele Hightech-Lösungen für Ärzte und Krankenhäuser an: Bildgebende Systeme wie CT, MR, Mammographie, Ultraschallgeräte, Beatmungs- und Anästhesiesysteme bis hin zu Monitoren und IT-Lösungen für Krankenhäuser. Das umschließt sowohl den Vertrieb der Systeme, die klinisch und technische Anwendungsberatung ("Applikation") und zusätzlich auch Serviceleistungen wie Wartung und Reparatur. Ich persönlich bin in Deutschland für den Vertrieb von Ultraschallsystemen in der Frauenheilkunde verantwortlich.
Woran erkennen Sie, dass ein Preis richtig gesetzt wurde? Wann ist ein Preis gut?
Dr. Jan Scholzen: Ein Preis ist richtig gesetzt, wenn die Zahlungsbereitschaft in der Zielgruppe getroffen wird. Das heißt die Kunden müssen für den Preis eine "preiswerte" Gegenleistung erhalten und das Unternehmen muss eine faire Marge erzielen, um genügend Mittel für zukünftige Investitionen zu erwirtschaften. Als Unternehmen lässt sich die Wirkung des Preises ja ziemlich schnell am Absatz und Umsatz, am Marktanteil, an den Deckungsbeiträgen und der Preisentwicklung bewerten. Für uns entsprechend ist eine niedrige Preiserosion ein gutes Maß für einen richtigen und fairen Preis.
Wann führt GE Pricing-Studien durch?
Dr. Jan Scholzen: Insgesamt doch eher selten und wenn, dann eher bei Neuprodukteinführungen. Alles in allem sprechen wir sehr viel mit Kunden und Interessenten; da bekommt man schnell eine Einschätzung, ob die Innovation einen Mehrwert bietet. Aber: Die Anzahl verkaufter Systeme ist doch eher klein, insbesondere im Vergleich zur Automobilindustrie. Die Konfigurationen der Geräte können grundsätzlich sehr unterschiedlich sein. Da wäre der Aufwand für viele Pricing-Studien doch sehr hoch.
Aktuell sind Sie für den Vertrieb von Ultraschall-Geräten zuständig. Das sind Geräte, die mehrere 10.000 Euro kosten. Wie bestimmt man einen Preis für solche Geräte? Welche Faktoren werden hier einbezogen? Ich vermute, dass man dort mit der Van-Westendorp-Methode nicht weit kommt. Oder funktioniert Preisforschung und Pricing bei hochpreisigen Produkten genauso wie bei Schnelldrehern?
Dr. Jan Scholzen: Die Ultraschalltechnologie ist robust und bewährt. Wenn ich ein Preis-Premium erzielen möchte, muss ich wirklich einen relevanten und höheren Nutzwert bieten im Vergleich zum Wettbewerb oder zu meinen eigenen günstigeren Geräten. Also zur Frage: Der Markt für medizinische Ultraschallsysteme ist überschaubar, die Stückzahlen sind klein und die Kunden kennen sich in der Regel sehr gut aus - auch bei den Preisen. Von daher sehe ich für das Gros der Systeme eher eine wettbewerbsbezogene Preis-Festsetzung. Interessant wird es dann, wenn wir tatsächlich relevante Alleinstellungsmerkmale für die Anwender bieten - auch das kommt zum Glück vor! Dann können wir einen etwas höheren Preis verargumentieren, insbesondere wenn man zum Beispiel bei der Nutzung eine Zeitersparnis für die Anwender belegen kann oder dem Arzt eine höhere diagnostische Konfidenz bietet. Auch der "Spaß am Schallen" spielt sicherlich eine Rolle.
Persönlich habe ich recht gute Erfahrungen mit van Westendorp gemacht - gerade wenn es um das Abschätzen von Preisschwellen geht! Dafür nehmen wir eine klassische Systemkonfiguration an und befragen Anwender aus der Zielgruppe. Auch wenn die Conjoint-Analyse sicherlich methodisch mehr Möglichkeiten bietet, ist mir persönlich doch die externe Validität eines robusten Studienergebnisses am wichtigsten. Und da reicht es mir im überschaubaren BtB-Kontext, Preisschwellen zu kennen. Den Realitätstest machen wir dann mit dem Vertrieb im Markt selbst. Wie immer hat man nur eine Chance für einen ersten Preis - nachgelagerte Preiserhöhungen sind ohne zusätzliche Features kaum möglich. Das muss dann schon sitzen. Und der Vertrieb muss auch überzeugt sein.
Wie stark ist bei GE der Zusammenhang zwischen Preisliste und dem tatsächlichen Verkaufspreis? Wie laufen Preisverhandlungen in der Praxis ab?
Dr. Jan Scholzen: Wir orientieren uns sehr stark an unserer Preisliste und haben auch ein Rabatt-Schema. Alles sehr klar. Keine Raketenwissenschaft, aber sehr brauchbar finde ich: Wer viel abnimmt, bekommt höhere Rabatte. Ganz einfach. Und sehr fair, oder?
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