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Dr. Alexander Linder, Insights Professional Ein differenziertes Organisationsmodell für effiziente Insights-Organisationen Teil 1

Dr. Alexander Linder
Teil I – die Treiber hinter dem neuen Insights Organisationsmodell
Die Erkenntnisse in diesem Artikel basieren auf Experteninterviews, Diskussionen mit Insights-KollegInnen (FMCG, Retail und Consumer Electronics) sowie einer internationalen, qualitativen Benchmark Studie des Informationsdienstleisters mBrain, welche die Insights Strukturen von 4 Marken aus der Mode- und Luxus-Branche näher betrachtet. Es kristallisieren sich insbesondere drei Aspekte heraus:
- Viele Insights-Abteilungen sind nach wie vor in Marketingorganisationen verankert und werden von einem CMO geführt.
- Die meisten Insights-Abteilungen sind geografisch unterteilt wie z.B. EMEA, Amerika oder Pazifik.
- Die typischen Insights-Bereiche sind Kunde, Marke, Markt, Social Media, Wettbewerb und Werbewirksamkeit. Eine kleine Minderheit deckt auch den Bereich der Supply Chain Insights ab.
Aus inhaltlicher Sicht (WAS wird getan und WO wird es getan) sind diese Aspekte immer noch sinnvoll, aber machen sie auch Sinn, wenn man die Stakeholder in den Fokus rückt?
Insights Professionals, deren Hauptziel darin besteht, Marken dabei zu unterstützen und anzuleiten, sich mehr in Richtung Consumer Centricity zu bewegen, müssen sich gleichzeitig fragen, wie gut sie in Bezug auf Stakeholder Centricity abschneiden, denn ihre Kunden sind die Stakeholder.
Ein vertiefter Blick auf die Stakeholder und deren Erwartungen ist angesichts der vielfältigen organisatorischen Veränderungen in vielen Branchen notwendig. Die Erwartungen der Stakeholder an Insights Professionals ändern sich schneller, als man denkt. Alleine in den letzten 3-5 Jahren sind eine Vielzahl neuer Erwartungen entstanden, welche die Insight-Teams vor neue Herausforderungen stellen. Diese können in zwei Bereiche gegliedert werden:
- Die Art und Weise wie Insights-Abteilungen arbeiten und interagieren
- Die Sozialkompetenzen
Schaut man sich zunächst die Aspekte Arbeit und Interaktion genauer an, lässt sich folgendes sagen:
- Insights-Professionals müssen in der Lage sein, die richtigen Umsetzungsempfehlungen abzuleiten und den Umsetzungsprozess als solchen zu begleiten. Sehr oft wünscht sich der Stakeholder, dass die Insights Professionals einen Betrag leisten, welcher über die reine Insights Expertise hinausgeht, wie zum Beispiel eine eigene Sichtweise einzunehmen und Sachverhalte konstruktiv zu diskutieren. In vielen Unternehmen endet die Zusammenarbeit oftmals mit der Übergabe der Ergebnisse nach der Präsentation. Die Frustration ist ziemlich hoch, wenn die Insights-Professionals erkennen, dass keine oder nur eine unzureichende Umsetzung der Ergebnisse erfolgte beziehungsweise die Stakeholder erkennen, dass zum Beispiel der Austausch über die Umsetzung nicht stattfindet oder der Erfolg der Umsetzung von Maßnahmen nicht messbar ist. Ganzheitliches Denken, das Erkennen des Gesamtbildes und verschiedene Quellen zu kombinieren und zu verknüpfen sind kritische Erfolgsfaktoren.
- Es ist ebenso wichtig, dass Insights-Professionals in funktionsübergreifenden Teams/Projekten arbeiten können, umso mehr, wenn es um die Umsetzung von Insights-Ergebnissen geht. So kommt zum Beispiel die Anfrage für eine Käufer-Segmentierung aus dem Marketing, das funktionsübergreifende Umsetzungsteam besteht hingegen auch aus MitarbeiterInnen der Retail-, CRM- und MarKomms-Teams. Der erfolgreiche Insights-Professional denkt vernetzt und versteht sich selbst als Schnittstelle, um die relevanten Zielgruppen zwecks einer besseren Umsetzung zusammenzubringen.
- Insights-Professionals müssen mehr die Sprache des Stakeholders verstehen und sprechen, in der Regel eine Marketing-Sprache. Damit verbunden ist die Forderung, dass Insights-Professionals einen Geschäftssinn entwickeln und das Geschäft des Stakeholders in einem sehr breiten Umfang verstehen müssen. Heute werden Berichte oftmals in einer Insights-Sprache mit vielen Fachtermini geschrieben. Eine stärkere Anpassung der Berichte an die Sprache der Stakeholder dürfte die Einbindung interner Kunden und Partner effektiver gestalten und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Ergebnisse und Empfehlungen umgesetzt werden. Erfolgreiche Insights-Professionals sind ständig mit ihren Stakeholdern in Kontakt, nicht nur zu bestimmten Zeitpunkten. Sie nehmen aktiv an wichtigen Meetings und Workshops teil, um ein tieferes Geschäftsverständnis zu erlangen und somit als echte Geschäftspartner wahrgenommen zu werden.
- Interessanterweise erwarten die Stakeholder von Insights-Professionals immer noch, dass sie ihnen die neusten und aktuellsten Technologien / Methoden zur Verfügung stellen, zwecks effizienterer / effektiverer Generierung von Insights. Dies bedeutet nicht, dass der Stakeholder diese Technologien beziehungsweise Methoden in allen Details verstehen will. Der Insights- Professional muss derjenige sein, der die Anwendung dieser neuen Technologien/Methoden kennt, versteht, erklären kann und pro-aktiv vorschlägt - mit dem Ziel, schneller, kostengünstiger und ohne Qualitätseinbußen zu Insights zu kommen.
- Eine Insights-Organisation generiert im Laufe der Zeit viele Studien, jede Studie wird in der Regel für sich alleine betrachtet und beantwortet ein bestimmtes Set an Fragen. Der erfolgreiche Insights-Professional muss die verschiedenen Studien miteinander verknüpfen können, um neue Erkenntnisse zu gewinnen, ohne zusätzliche Primärstudien in Auftrag zu geben. Das beinhaltet zum Beispiel die Zusammenführung der Konsumenten-Segmentierung mit den Shopper-Tracker-Daten und den Brand-Tracker-Berichten, um Länderberichte für eine Auswahl an Ländern zu erstellen.
Betrachtet man nun den Aspekt der Sozialkompetenzen, welche notwendig sind, damit Insights- Professionals zu akzeptierten und vertrauenswürdigen Partnern der Stakeholder werden, dann treten vor allem folgende Aspekte zu Tage:
- Von den Insights-Professionals wird erwartet, dass sie als Vordenker beziehungsweise Sparringspartner agieren. Aktiv an Sitzungen mit den Stakeholdern teilnehmen, die Rolle des konstruktiven Herausforderers übernehmen sowie neue und inspirierende Perspektiven einbringen rücken in den Fokus. Dies beinhaltet auch die Einflussnahme auf die Stakeholder zum Beispiel mittels Forschungsauftrags des Stakeholders: Diskutieren, konstruktiv herausfordern und Vorschläge unterbreiten, stets mit dem Geschäftsziel vor Augen, ist zentral für einen erfolgreichen Insights-Professional. Ein vollständig fokussierter und informierter Forschungsauftrag, der die brennenden Fragen enthält, sodass die entsprechenden Antworten gefunden werden können, ist ein wichtiger Meilenstein für zukünftige erfolgreiche Ergebnisse.
- Immer wichtiger werden Moderations-, Storytelling- und Kommunikationsfähigkeiten inklusive der entsprechenden Visualisierung. Ziel ist es, die Insights-Ergebnisse im richtigen Format und in der richtigen Sprache zu vermitteln, damit die Umsetzung entsprechend folgen kann. Folien mit zu vielen Statistiken, Abbildungen und Metriken, die immer noch weit verbreitet sind, langweilen und führen zu einer sinkenden Aufmerksamkeit. Der Insights-Professional muss das ”So-What” verstehen und die relevanten Details in gute Stories in der Sprache des Stakeholders verpacken. Dadurch lassen sich die wichtigen Botschaften transportieren.
- Die Rolle des Insights-Professionals besteht unter anderem auch darin, Insights-Spezialisten miteinander zu vernetzen beziehungsweise sich zu Synthese-Spezialisten weiter zu entwickeln. Es geht darum, traditionelle Marktforscher mit Datenwissenschaftlern, Business-Intelligence-Experten, CRM-Spezialisten et cetera zusammenzubringen, um aktuelle Erkenntnisse und Herausforderungen zu diskutieren. So lassen sich die verschiedenen Perspektiven zusammenführen und zu einem Gesamtbild kombinieren. Der Insights-Professional wechselt von einem reaktiven zu einem proaktiven Modus der Zusammenarbeit und kann somit in die Rolle des Treibers kundenzentrierter Aktivitäten hineinwachsen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Fähigkeiten zum Aufbau von partnerschaftlichen Beziehungen eindeutig eine neue Anforderung sind. Der Insights-Professional muss immer mehr zum mittel- bis langfristigen Partner werden und ist schon lange kein einfacher Datenanalyst beziehungsweise Informationsanbieter mehr.
Der Autor
Dr. Alexander Linder war «VP Corporate Brand-, Consumer- and Market-Intelligence» bei Swarovski. Er hat diesen Bereich vor mehr als 13 Jahren aufgebaut und im Laufe der Zeit kontinuierlich weiterentwickelt. Er war verantwortlich für das globale Portfolio von Insights Generation, Insights Excellence & Best Practice sowie Insights Activation & Dissemination. Er ist anerkannter Referent auf internationalen Konferenzen und veröffentlicht Artikel in verschiedenen nationalen und internationalen Fachzeitschriften. Derzeit ist er auf der Suche nach einer neuen, beruflichen Herausforderung.
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