Julia David, Produkt + Markt Drei Entwicklungen, die die qualitative Forschung schon bald prägen werden

Empathie für die Zielgruppe aufzubringen, sich also einzufühlen und sich mit ihr zu identifizieren, wird für qualitative Forscher und Forscherinnen zukünftig von größter Relevanz sein. (Bild: picture alliance / Zoonar | Max)
Qualitative Forschung muss und wird sich in zunehmendem Maße digitaler Technologien bedienen. Das sorgt für mehr Effizienz, Agilität und Qualität. Parallel zur Technologisierung wird qualitative Forschung noch empathischer werden. Das Story Telling über Zielgruppen und Insights nutzt sich zusehends ab. Statt über die Zielgruppen zu reden, werden die Projektteams mit ihnen kommunizieren und so ihre Realitäten nicht nur verstehen, sondern auch nachfühlen. Julia David ist Diplom-Psychologin und Group Managerin des qualitativen Expertenteams „explore + evolve“. Sie beschreibt drei ausgewählte Thesen über die Zukunft der qualitativen Forschung:
1. "Künstliche Intelligenz wird für mehr Geschwindigkeit sorgen und wird Researchern und Auftraggebern helfen, Biases ab- und Empathie aufzubauen."
Zu den naheliegenden Bereichen der Künstlichen Intelligenz in der Forschung zählt Natural Language Processing (NLP). Hierunter versteht man die automatisierte Verarbeitung menschlicher Sprache. NLP wird kurzfristig die Art und Weise verändern, wie wir sprachbasierte Informationen analysieren werden. Bereits heute liefern Speech-to-Text-Tools brauchbare Transkripte, um die Researcher beispielsweise bei der qualitativen Inhaltsanalyse zu unterstützen. Je häufiger diese Systeme eingesetzt und trainiert werden und je besser die dahinterliegenden Modelle sind, umso besser werden sie verstehen, umso genauer transkribieren und damit die Analyse qualitativer Daten deutlich vereinfachen.
NLP wird sich in der qualitativen Forschung darüber hinaus schon sehr bald vom Assistenten und Beschleuniger zum Co-Analytiker entwickeln. Denn machen wir uns nichts vor: Je schneller qualitative Daten analysiert und reported werden müssen und je mehr die Unternehmen auf DIY-Qual setzen, umso stärker kommen Wahrnehmungs- und Interpretationsverzerrungen zum Tragen. KI kann hier zukünftig als Korrektiv für die Interpretationen der zu erforschenden Wirklichkeiten dienen. Denn es kategorisiert unvoreingenommen und weitgehend objektiv. So findet KI Muster in den Daten, die dem Laien verborgen und von den Forschungsprofis nur mit viel Aufwand identifiziert werden können.
Künstliche Intelligenz wird qualitative Marktforschung nicht nur automatisieren und beschleunigen. Vielmehr wird sie zum unverzichtbaren Partner für die Qualitätssicherung, die Interpretation der Daten und die Entscheidungsfindung.
2. "Die Insight-Inflation wird nachlassen, denn Empathie wird die neue Währung der qualitativen Marktforschung."
Hand aufs Herz, wie viele Insights haben Sie tatsächlich vom Hocker gehauen? Wie oft haben Sie nach einer qualitativen Forschung das Gefühl gehabt, dass ein Report viel Heuhaufen, aber wenig Nadel enthielt? Und wie oft hat sie ein Insight zwar überzeugt, aber nicht zu mehr Nähe zu Ihren Kunden geführt?
Qualitative Forschung darf sich nicht damit zufriedengeben, nur faszinierende in bunten Stories verpackte Insights zu liefern. Wir glauben, dass es zukünftig noch mehr darauf ankommen wird, dass sich Mitarbeitende und Teams in ihre Zielgruppen empathisch einfühlen können. Sie müssen mitfühlen, mitleiden, mitfreuen – ja am besten identifizieren – und nicht nur faktisch wissen, welche Wünsche und Schmerzpunkte die User haben. Nur dann können Produkte, Services und Innovationen „fliegen“. Die Forscher und Forscherinnen werden dabei mehr und mehr zu Coaches. Ihre Aufgabe wird es sein, den Teams zu helfen, Empathie aufzubauen und zu erhalten. Gleichzeitig sorgen sie für die wissenschaftliche Distanz, um die Erlebnisse im Sinne des Projektes einordnen und nutzen zu können. Die Zukunft der qualitativen Marktforschung ist daher weniger Story Telling, sondern viel mehr Reality Experiencing. Weniger Zuspitzung auf Insights als viel mehr Schaffung von Empathy.
3. "Qualitative Researcher werden unterschiedliche Rollen und mehr Verantwortung in den Projekten übernehmen. Coaching und vor allem wissenschaftliche Kompetenz werden an Bedeutung gewinnen."
Qualitative Forschung wird in Zukunft noch wichtiger werden. Denn je mehr Daten zur Verfügung stehen, umso häufiger stellt sich die Frage nach dem "Warum". Und umso größer ist der Wunsch, über die reinen Daten hinaus Empathie mit den Kunden aufzubauen. Digitale Tools wie MROCs oder mobile Ethnographie, aber auch Künstliche Intelligenz helfen dabei, dies zu realisieren.
Ohne erstklassig ausgebildete qualitative Forscher und Forscherinnen wird es aber auch in Zukunft nicht gehen. Im Gegenteil: Ihre Rolle wird wichtiger und anspruchsvoller werden. Bereits heute sehen wir, dass neue Aufgaben und Anforderungen auf sie zukommen. In Teams fungieren sie als Agile Coaches, in der Forschung und Analyse als wissenschaftliche Koryphäen, im Ergebnis- oder Innovationsworkshop als Facilitators und darüber hinaus beherrschen sie die digitalen Lösungen der Zeit.
Über Julia David

Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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