Dr. Otto Hellwig: "Stichproben- und Datenqualität sind auch in Zukunft die eigentlichen Treiber der Online-Marktforschung"

Dr. Otto Hellwig ist Vorstand der Respondi AG und in diesem Jahr Jurymitglied und Stifter des Preises beim Best-Practice-Award der GOR. Im Interview mit marktforschung.de äußert er sich zu aktuellen Trends und Fragestellungen im Bereich der Online-Forschung.

marktforschung.de: Herr Dr. Hellwig, Sie sind Jurymitglied und Stifter des Preises beim Best-Practice-Award der General Online Research 2009. Was erwarten Sie von der diesjährigen Veranstaltung?

Otto Hellwig: Keine Veranstaltung vereint Grundlagenforschung, innovative Entwicklungen und Praxisnähe im Bereich der Online-Forschung wie die General Online Research. Mit Wien findet die GOR zum zweiten Mal in ihrer Geschichte nicht in Deutschland statt. Für mich ein konsequenter Schritt. Der heutige Markt ist viel internationaler als noch vor zehn Jahren und eine diesen Markt begleitende Forschung muss Methoden und Instrumente entwickeln, die dieser Internationalität folgt. Das Internet, in dem nationale Grenzen nur kaum bemerkbar sind, ist als Instrument der Datenerhebung für diese Ansprüche bestens geeignet. Online-Forschung muss daher international sein und hat gerade da ihre Stärken. Dies bestätigt auch die Nachfrage bei der Respondi AG: obwohl 90 Prozent unserer Kunden ihren Sitz in Deutschland haben, waren in 2008 mehr als die Hälfte unserer Online-Befragungen international.

Mit der Stiftung des Best-Practice-Awards möchten wir gezielt zwei Aspekte der GOR unterstützen: die Verbindung aus Grundlagenforschung, Innovation und Praxis und den Blick auf die Internationalität. Deswegen freut es mich außerordentlich, dass das Spektrum der eingereichten Beiträge aus der betrieblichen Praxis in ihrer Gesamtheit diese Aspekte widerspiegeln. Die Beiträge stammen allesamt von international operierenden Unternehmen, und zwei der eingereichten Beiträge beschäftigen sich explizit mit international vergleichenden Fragestellungen. In Unternehmen orientiert sich Online-Forschung unmittelbar am Praxisbezug, und dieser ist immer häufiger international.

Persönlich verspreche ich mir von den Kongressbeiträgen und auch von den vielen Gesprächen zwischen den Veranstaltungen Anregungen und Ideen für unsere alltägliche Arbeit in der Online-Marktforschung. Als Online-Panelanbieter sind wir die Dienstleister der Fragesteller in der Marktforschung. Nur wenn wir deren Interesse und Ansprüche verstehen, können wir ein gutes Produkt liefern.

marktforschung.de: Liegt die Zukunft der Marktforschung im Internet?

Otto Hellwig: Die Zahlen lassen dies vermuten, und ich bin da ganz optimistisch. In den letzten Jahren hat das Internet in fast allen Lebensbereichen zwischen Konsum, Information und Kommunikation die Gesellschaft in Gänze erreicht. Der Umgang mit diesem Medium ist im Alltag angekommen. Konnten wir vor Jahren beobachten, dass die Teilnahme an Online-Befragungen häufiger in der Freizeit oder in Pausenzeiten stattgefunden hat, ist dieser Effekt heute nicht mehr gegeben. Die Probanden nehmen während ihrer Arbeitszeit an Umfragen teil. Dies ist nur ein Indiz dafür, dass das Internet zum Alltag gehört. Möchten wir für die Marktforschung die Verbreitung des Internets begleiten, bietet es sich an, das Internet als Forschungsinstrument zu nutzen. Auf diesem Gebiet wächst die Online-Marktforschung parallel mit der Nutzung des Internets.

Online-Marktforschung wird aber auch jenseits dieser Fragestellungen als reines Erhebungsinstrument eingesetzt. Die Mehrheit der von uns durchgeführten Studien bezieht sich nicht auf das Internet als Forschungsgegenstand und gerade in diesem Bereich ist das stärkste Wachstum vorhanden. Die Gründe, warum man von herkömmlichen Erhebungsinstrumenten zu Online-Methoden wechselt, sind dabei vielschichtig. Die Entscheider achten dabei auf Kosten, Internationalität und Aktualität. Der Aspekt der methodischen Machbarkeit, also Validität und Reliabilität des Instruments, ist diesen Entscheidungen natürlich vorangestellt.

Die positive Entwicklung der Online-Marktforschung ist demnach ein gutes Zeugnis der Qualität von Online-Erhebungen. Dies darf aber kein Ruhekissen sein. Stichproben- und Datenqualität sind auch in Zukunft die eigentlichen Treiber der Online-Marktforschung. Da wir in diesem Bereich nicht rein wissenschaftlich geleitet wie z.B. bei Zufallsstichproben arbeiten können, muss die Online-Marktforschung jenseits der wissenschaftlichen Theorie mit einer Kultur aus Regeln und Erfahrungen arbeiten. Hier ist die Kunst der Marktforscher gefragt - auch unter Kosten- und Zeitdruck - dieser Kultur zu folgen. Da, wo dies nicht gelingt, wird die Online-Marktforschung auch keine Zukunft haben. Denn unabhängig vom Internet wird auch in Zukunft die eigentliche Frage sein: Wer bietet gute und wer schlechte Marktforschung?

marktforschung.de: Welche Trends stehen hierbei aus Ihrer Sicht derzeit im Fokus der Online-Marktforscher?

Otto Hellwig: Es fällt mir schwer, diese Frage durch Trends zu beantworten. Sicherlich gibt es viele neue Entwicklungen in der jüngsten Geschichte der Online-Marktforschung und ich hoffe, dass wir auf der GOR einige dieser spannenden Innovationen auch diskutieren können. Alle Trends folgen dabei zwei wesentlichen Aufgaben der Online-Marktforschung: Datenqualität und online-spezifische Methodik. Die Datenqualität fragt nach der Häufigkeit der Teilnahme, der Motivation der Teilnehmer, der Einmaligkeit der Teilnehmer, der Identität der Teilnehmer und der Konstruktion der Fragebögen. Gerade die Fragebogenkonstruktion wird als Teil der Qualitätsstiftung noch viel zu wenig beachtet. Hier sollten Panelanbieter und Institute noch näher zusammenarbeiten.

Obwohl Kommunikation im Internet anderen Regeln als der Kommunikation am Telefon folgt, gleicht die Mehrheit der Erhebungskonzepte immer noch telefonischen Befragungen. Hier stehen wir quasi noch am Anfang der Entwicklung der Online-Marktforschung, und darum sollte auch hier der Fokus liegen. Die Konzepte der Zukunft müssen stärker die Zeitspanne, Interaktivität und Gruppendynamik von Entscheidungsprozessen beachten. Im Internet wird kürzer und dafür häufiger kommuniziert, und Sprache ist dabei nur ein Element der Verständigung.

International ist die Online-Marktforschung in diesem Aspekt schon weiter als im deutschsprachigen Raum. Man arbeitet zum Beispiel mit themenspezifischen Online-Paneln, in denen die Mitglieder intensiv und mit mehreren Facetten der Kommunikation in die Entwicklung und Beurteilung von Produkten einbezogen werden.

marktforschung.de: Worin bestehen Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für die Online-Marktforschung?

Hier möchte ich mich auf das gerade gesagte beziehen. Die größten Herausforderungen sehe ich im Bereich der Stichprobenqualität und der für Online-Marktforschung passenden Erhebungskonzepte. Für gute Marktforschung, die den Anspruch haben muss, handlungsleitend zu sein, müssen die Ergebnisse valide sein, und dies hängt von der Kultur der Forschung ab. Die Konzepte müssen zum Medium passen, alles andere ist mutwillig und hat einen negativen Einfluss auf Validität und Reliabilität.

Der Auftraggeber muss aber auch seine Chance nutzen, gute von schlechter Online-Marktforschung zu unterscheiden. Hier muss der Kunde nach wie vor die richtigen Fragen stellen. Gerade hier bietet die GOR willkommene Gelegenheit, den eigenen Fragekatalog zu erweitern.

marktforschung.de: Herr Dr. Hellwig, vielen Dank für das Interview!

 

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