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Dr. Lars Watermann: "Wer die Wirtschaftlichkeit forcieren möchte, weiß im Mafo-Segment um den wertschöpfenden Beitrag der Forschung"

Dr. Lars Watermann (Watermann Agens GmbH)
Dr. Lars Watermann, Gründer und Geschäftsführer der auf Transaktionsberatung spezialisierten Watermann Agens GmbH und Mitglied im Beirat von marktforschung.de, hat den zum 01. September dieses Jahres erfolgten Verkauf von IMAGIN an Maritz begleitet. Im Interview mit marktforschung.de äußert er sich zur aktuellen Situation am Marktforschungsmarkt und erörtert für Transaktionen in der Branche relevante Kriterien.
marktforschung.de: Herr Dr. Watermann, ist die Marktforschungsbranche Ihrer Einschätzung nach weiterhin ein Markt, in dem sich Zukäufe lohnen ?
Dr. Lars Watermann: Ja. Dies gilt jedoch weniger für traditionell aufgestellte Full-Service-Institute, als für Nischen-Anbieter mit klarem Profil. Ferner entstehend im Dunstkreis der Marktforschung neue Geschäftsideen und Technologien, die naturgemäß von jungen Firmen entwickelt werden. Und da die großen Marktforschungsgruppen vor der Herausforderung stehen, wichtige Trends des "digital space" wie z.B. Social Media Intelligence, WOM, Online Communities für Innovation und Co-Creation, in überschauberer Zeit in eigene Tools umzusetzen, entstehen hier neue Märkte für Unternehmenstransaktionen. Es ist einfacher und oftmals sogar klüger, die Entwicklung von Trends abzuwarten und dann durch Firmenzukäufe zu wachsen.
Aus Sicht veräußerungswilliger Marktforscher sieht das schon anders aus: Durch die "Fusionitis" der letzten Jahre – TNS / NFO Infratest, GfK / NOP, WPP / TNS inklusive der Einbringung von RI in TNS, Ipsos / Synovate – fallen potenzielle Käufer weg. Vor allem in solchen Ländern, in denen diese Gruppen bereits stark vertreten sind. Strategische Käufer investieren in Marktzutritt, aber nicht mehr in die Erhöhung von Marktanteilen. Daher sind nach unserer Beobachtung Full-Service-Institute in von den großen Playern bereits abgedeckten Regionen nur schwierig veräußerbar.
marktforschung.de: Zählt die von Maritz Research kürzlich akquirierte IMAGIN AG zu diesen Nischenanbietern ?
Dr. Lars Watermann: Gewiss, IMAGIN ist ein gutes Beispiel für einen Nischenanbieter, der sehr erfolgreich an der Schnittstelle von Softwareentwicklung, Marktforschung und Beratung agiert.
Interessanterweise stellt sich IMAGIN nicht als Marktforscher vor, sondern als Spezialist für Kundenorientierung und Feedback-Management-Systeme. Ein solch klares Profil erhöht die Attraktivität eines Unternehmens für Käufer. Das hat uns sehr dabei geholfen, den "best owner" für IMAGIN zu finden.
marktforschung.de: Trotz immer wieder stattfindender Gespräche sind Merger in Deutschland vergleichsweise selten. Was ist der Grund dafür?
Dr. Lars Watermann: Die Anzahl vermeintlicher Gespräche sagt nichts über die Häufigkeit von Transaktionen oder deren Abschlusswahrscheinlichkeit aus. Offen gesagt, entzieht es sich meiner Kenntnis, wer im Markt mit wem über was spricht. Ich weiß lediglich: wenn wir Gespräche führen, dann sind sie mandatiert und damit konkret. Und in Fällen wie beispielsweise psychonomics, SINUS oder jetzt IMAGIN endeten sie auch mit dem gewünschten Erfolg.
Ich erinnere bei uns nur ein Mafo-Projekt, das gestoppt und vertagt wurde, da die Firma durch ihre Spezialisierung hohes Potenzial, aber noch nicht die für die Erzielung eines attraktiven Kaufpreises notwendige Nachhaltigkeit bei der Profitabilität vorweisen konnte. Wenn wir diese Firma im nächsten oder übernächsten Jahr Übernahmeinteressenten vorstellen, habe ich keine Zweifel, dass es zur Transaktion kommt.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Oftmals ist die falsche Erwartungshaltung zu Beginn solcher Gespräche ein späterer Deal-Breaker. Unternehmenstransaktionen bedeuten selbstverständlich Veränderung. Manche Verkäufer stören sich beispielsweise an der Einschränkung lieb gewonnener Freiräume. Allein, wer ein paar Millionen vom Tisch #break#nehmen möchte, sollte sich gefallen lassen, dass der Käufer die Musik zumindest mitbestimmt. Zudem können einzelne Passagen des Kaufvertrages, und hier insbesondere zur Gewährleistung, Transaktionen platzen lassen. Und auf Seiten der Käufer verblüfft mich immer wieder, wie wenig strukturiert und abgestimmt gerade die großen Player vorgehen. Ein erfolgreiches M&A Projekt braucht Mentoren und ein straffes Zeitmanagement. Auf beiden Seiten des Tisches.
marktforschung.de: Welche Bedingungen müsste ein Marktforschungsunternehmen erfüllen, um überhaupt für einen Investor interessant zu sein?
Dr. Lars Watermann: Überzeugendes, integeres Management. Motiviertes Team. Klarer strategischer Fokus. Nachhaltige, positive Geschäftsentwicklung, zumindest in den letzten 2 bis 3 Jahren. Keine Abhängigkeit von einzelnen Kunden. Kontinuierliche Kundenbeziehungen, wenn möglich zu großen, global agierenden Firmen. Und letztlich die Bereitschaft, einen Verkauf als wichtigen Schritt zur Wachstumssicherung der Firma zu verstehen und nicht als den Einmarsch nerviger Besucher, die beim Spielen stören.
marktforschung.de: Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Kriterien, die ausschlaggebend sind, dass ein Unternehmer zu einem Verkauf "ja" sagt?
Dr. Lars Watermann: Die persönliche Chemie zwischen Käufer und Verkäufer, die Transaktionsstruktur und die Bedingungen des Kaufvertrages. Ersteres ist ein unternehmenskulturelles Kriterium, zweites ein materielles und drittes ein rechtliches. Zudem ermutige ich unsere Kunden regelmäßig, (mehr) auf ihren Bauch zu hören. Im Verlauf eines mehrmonatigen M&A Projektes entstehen viele Eindrücke, die die Wahrnehmungen der verhandelnden Parteien prägen. Ein mulmiges Gefühl kann man nicht so einfach verbuchen wie einen achtstelligen Euro-Betrag. Und das ist auch gut so!
marktforschung.de: Mit WPP hält ein weltweit agierender Medienkonzern Mehrheitsanteile an einigen der größten Marktforschungsunternehmen, mit Matthias Hartmann hat die GfK ab 2012 einen Vorstandsvorsitzenden verpflichtet, der von IBM kommt und dort unter anderem für globale Strategieentwicklung verantwortlich war. Seit 1. Juni ist Andreas Kösters, zuletzt Mitglied im Management Board von Springer Science+Business Media, CEO von TNS Infratest. Jüngst waren immer wieder kritische Stimmen zu vernehmen, die den Trend in der Marktforschung zur Fokussierung auf wirtschaftliche Aspekte zu Lasten der eigentlichen "Forschung" monierten. Ist diese Kritik berechtigt in einer Branche, die speziell in Deutschland eine stark wissenschaftlich geprägte Tradition hat?
Dr. Lars Watermann: Das eine sollte das andere nicht ausschließen. Diese Wechselwirkung ist sogar Bedingung für langfristigen Erfolg. Aber die zitierte Kritik halte ich für unberechtigt.
Ich habe in den vergangenen 7 Jahren viele Marktforschungsunternehmer getroffen, die den Forschungstyp verkörpern. Für einige galt: "When all you have is a hammer, the whole world looks like a nail." Bei Forschung Klassenbester, bei Umsatz und Ertrag versetzungsgefährdet. Was nützt die beste Forschung, wenn damit nicht genügend Geld verdient werden kann, um Mitarbeiter zu entwickeln und nachfolgende Forschungsprojekte zu finanzieren?
Andererseits gilt: Wer die Wirtschaftlichkeit forcieren möchte, weiß im Mafo-Segment um den wertschöpfenden Beitrag der Forschung. Die von Ihnen zitierten kritischen Stimmen mag es geben. Sie belegen meines Erachtens aber eher das bekannte Phänomen, dass Wandel unwillkommen ist. Dort wird der Geschmack eines Kuchens kommentiert, von dem man noch kein Stück probieren konnte. Das spiegelt die Ängste von Menschen gegenüber Veränderung wider, ist aber wenig zielführend und in den in Bezug genommenen Fällen zudem unfair.
Ich war stets und bleibe davon überzeugt, dass es Unternehmen sehr gut bekommen kann, von Erfahrungen, Ideen, Sichtweisen und der Führungskultur neuer externer Manager zu lernen. Letztlich kann es sich sogar als Glücksfall herausstellen, wenn zur Marktforschung Führungskräfte Zugang erhalten, die Strategieentwicklung von der Pike auf gelernt haben. Was nicht die Gefahr reduziert, dass gute Strategien von Holdinggesellschaften einkassiert werden, die aus financial reporting einen höheren Lustgewinn ziehen.
marktforschung.de: Herr Dr. Watermann, vielen Dank für das Interview!
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