Kolumne von Jens-Uwe Meyer Donald Trump – der Albtraum für den Marktforscher

Donald Trump (Bild: „Mr Donald Trump New Hampshire Town Hall on August 19th, 2015 at Pinkerton Academy in Derry, NH by Michael Vadon 03“ von Michael Vadon)

Ist Donald Trump wirklich der Albtraum für Marktforscher? (Bild: Michael Vadon - CC-BY-SA 4.0 Wikimedia Commons)

Stellen Sie sich eine Fokusgruppe vor, in der sie folgende Fragen stellen: "Was denken Sie über einen Kandidaten, der ständig seine Meinung ändert?" "Würden Sie einen Kandidaten wählen, der Frauen beleidigt?" "Wie wichtig ist es Ihnen, dass ein politischer Kandidat über Erfahrung in der Politik verfügt?" Vielleicht schreien Sie jetzt auf und sagen: "Solche Fragen würde ich ja nie stellen." Gut, dann versuchen Sie es anders. Das Ergebnis wäre das gleiche: herauskommen würde, dass Donald Trump unwählbar ist. Anders ist es kaum zu erklären, dass das republikanische Establishment die Kandidatur des Milliardärs im vergangenen Jahr eher belächelte. US-Wahlkampf ist traditionell Hochsaison für die Marktforschung. Man könnte fast sagen: eine Art Konjunkturprogramm.

1992 war ich Journalist beim US-Auslandsrundfunk Voice of America – meine erste Berührung mit Wahlkampf-Marktforschung. Bei Bill Clinton wurde alles auf den Prüfstand gestellt, was möglich war: der Name seines Wahlprogramms, die Inhalte, die Art wie er seine Lebensgeschichte erzählte, die Orte an denen er auftrat, selbst die Beleuchtung bei seinen Reden wurde verändert, nachdem die Marktforschung ergeben hatte, dass er präsidialer wirken müsste. Wie wurde das arrangiert? Von hinten wurden Scheinwerfer aufgestellt, die sein graues Haar zum Leuchten brachten. Clinton war zudem ein Meister der getesteten Phrasen. Die "vergessene Mittelklasse" testete in allen Umfragen gut. Das tut sie übrigens bis heute. Mario Rubio, mittlerweile ausgeschieden, bediente sich fleißig an Clintons Phrasen. Auch er versprach, sich für die vergessene Mittelklasse einzusetzen.

Doch etwas Merkwürdiges passiert in diesem Jahr: Die Wähler identifizieren sich nicht mit dem Sohn kubanischer Einwanderer, der seinen Weg von unten nach oben gemacht hat und den man möglicherweise als einen von ihnen ansehen könnte. Nein: sie identifizieren sich mit einem Millionärssohn. Einem, der es durch Geschäftssinn geschafft hat, vom Millionär zum Milliardär zu werden. Einem, der sich sein Leben lang selbst inszenierte.

Das alles klingt unlogisch. Ist es auch zum Teil. Doch hinter der Unlogik ist eine gewisse Logik zu erkennen: Donald Trump ist die Wildcard der amerikanischen Politik. Manchmal passieren Dinge, die vollkommen unvorhergesehen sind und ein scheinbar geordnetes System aus der Bahn werfen. Ein Kometeneinschlag, der die Existenz der Dinosaurier beendet. Das iPhone, das die schöne Welt der Handyhersteller aus der Bahn wirft, der Tesla, der Menschen dazu bringt, plötzlich stundenlang im Regen Schlange zu stehen und Geld für ein Auto auszugeben, das sie noch nie gesehen haben.

Wäre dies ein Pitch, käme die Stelle, an der jeder von uns sagen würde: "Mit unserer überlegenen Methodik der … hätten wir das selbstverständlich vorhergesehen." Oder wir hätten Sätze wie diese gesagt: "Wir setzen auf Big-Data-Analysen und können daher frühzeitig neu aufkommende Muster identifizieren." Wow! Irgendetwas Schlaues wäre uns schon eingefallen. Aber in einem Artikel von Insidern für Insider lassen wir diesen Unsinn doch einfach mal weg. Akzeptieren wir, dass es jenseits der erforschbaren und berechenbaren Welt der Marktforschung eine weitere gibt, die uns trotz aller kriminalistisch und wissenschaftlich fundierten Methoden verborgen bleibt. Oder fällt Ihnen eine Methode ein?

Der Autor

Dr. Jens-Uwe Meyer, Geschäftsführer der Innolytics GmbH, entwickelt Software für Marktforschung und Unternehmensberatung. Sein Unternehmen führt Projekte zur Analyse versteckter Kundenbedürfnisse und Mitarbeiterbefragungen durch.

 

Diskutieren Sie mit!     

  1. Christian Führer am 03.05.2016
    Motivforschung !
  2. HJ Hofkirchner am 04.05.2016
    Oder fällt Ihnen eine Methode ein?

    Selbstverständlich gibt es dafür eine Methode, und sie ist kein Geheimnis.

    Verblüffend ist nur der weiter andauernde Gebrauch der von Ihnen zu recht kritisierten Uralt-Methode "Fokusgruppe", deren Probleme Legende sind. Z.B. dass Teilnehmer sich in Fokusgruppen überwiegend politisch korrekt geben, im Volksmund auch lügen genannt, weil sie Bestrafung (soziale Ächtung) befürchten, wenn sie ihre wahre Meinung äussern.

    Umgekehrt ist es bei der Prognosemarkt-Methode: Teilnehmer, die das künftige Resultat richtig vorhersagen, werden nicht bestraft sondern belohnt. Als Resultat ersparen sich Klienten böse Überraschungen, denn sie sehen bereits frühzeitig wichtige Ergebnisse und Einflüsse richtig voraus, einschließlich der qualitativen Gründe im Marktgespräch der Teilnehmer.
  3. Michael Dorsch am 28.09.2017
    @ Führer und Hofkirchner: Und Sie sind tatsächlich der Meinung, Sie hätten mit Ihren Methoden die im Artikel genannten Disruptionen vorhergesehen? Wow! Und: lol!

    Wäre schön, wenn Kommentare sich mehr auf den Inhalt bezögen, als plumpes Eigenmarketing zu betreiben. Vielen Dank, Herr Meyer, für den gelungen Aufruf zu Demut, Bescheidenheit und Einsicht in die eigenen Grenzen.
  4. Roland Stickel am 29.09.2017
    Herr Meyer, ich sehe das genauso! Und diese unseligen Versuche, alles und jedes (vor allem im Nachhinein) erklären zu können und wollen, sind schrecklich. Dazu kommt, dass die genommen Methode x deswegen versagt hat, weil meine Methode y so wahnsinnig besser und aussagefähiger ist.
    Das erhöht die Glaubwürdigkeit unserer Branche nicht wirklich ...

Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.

Anmelden

Weitere Highlights auf marktforschung.de