Kolumne von Jens-Uwe Meyer Donald Trump – der Albtraum für den Marktforscher

Ist Donald Trump wirklich der Albtraum für Marktforscher? (Bild: Michael Vadon - CC-BY-SA 4.0 Wikimedia Commons)
Stellen Sie sich eine Fokusgruppe vor, in der sie folgende Fragen stellen: "Was denken Sie über einen Kandidaten, der ständig seine Meinung ändert?" "Würden Sie einen Kandidaten wählen, der Frauen beleidigt?" "Wie wichtig ist es Ihnen, dass ein politischer Kandidat über Erfahrung in der Politik verfügt?" Vielleicht schreien Sie jetzt auf und sagen: "Solche Fragen würde ich ja nie stellen." Gut, dann versuchen Sie es anders. Das Ergebnis wäre das gleiche: herauskommen würde, dass Donald Trump unwählbar ist. Anders ist es kaum zu erklären, dass das republikanische Establishment die Kandidatur des Milliardärs im vergangenen Jahr eher belächelte. US-Wahlkampf ist traditionell Hochsaison für die Marktforschung. Man könnte fast sagen: eine Art Konjunkturprogramm.
1992 war ich Journalist beim US-Auslandsrundfunk Voice of America – meine erste Berührung mit Wahlkampf-Marktforschung. Bei Bill Clinton wurde alles auf den Prüfstand gestellt, was möglich war: der Name seines Wahlprogramms, die Inhalte, die Art wie er seine Lebensgeschichte erzählte, die Orte an denen er auftrat, selbst die Beleuchtung bei seinen Reden wurde verändert, nachdem die Marktforschung ergeben hatte, dass er präsidialer wirken müsste. Wie wurde das arrangiert? Von hinten wurden Scheinwerfer aufgestellt, die sein graues Haar zum Leuchten brachten. Clinton war zudem ein Meister der getesteten Phrasen. Die "vergessene Mittelklasse" testete in allen Umfragen gut. Das tut sie übrigens bis heute. Mario Rubio, mittlerweile ausgeschieden, bediente sich fleißig an Clintons Phrasen. Auch er versprach, sich für die vergessene Mittelklasse einzusetzen.
Doch etwas Merkwürdiges passiert in diesem Jahr: Die Wähler identifizieren sich nicht mit dem Sohn kubanischer Einwanderer, der seinen Weg von unten nach oben gemacht hat und den man möglicherweise als einen von ihnen ansehen könnte. Nein: sie identifizieren sich mit einem Millionärssohn. Einem, der es durch Geschäftssinn geschafft hat, vom Millionär zum Milliardär zu werden. Einem, der sich sein Leben lang selbst inszenierte.
Das alles klingt unlogisch. Ist es auch zum Teil. Doch hinter der Unlogik ist eine gewisse Logik zu erkennen: Donald Trump ist die Wildcard der amerikanischen Politik. Manchmal passieren Dinge, die vollkommen unvorhergesehen sind und ein scheinbar geordnetes System aus der Bahn werfen. Ein Kometeneinschlag, der die Existenz der Dinosaurier beendet. Das iPhone, das die schöne Welt der Handyhersteller aus der Bahn wirft, der Tesla, der Menschen dazu bringt, plötzlich stundenlang im Regen Schlange zu stehen und Geld für ein Auto auszugeben, das sie noch nie gesehen haben.
Wäre dies ein Pitch, käme die Stelle, an der jeder von uns sagen würde: "Mit unserer überlegenen Methodik der … hätten wir das selbstverständlich vorhergesehen." Oder wir hätten Sätze wie diese gesagt: "Wir setzen auf Big-Data-Analysen und können daher frühzeitig neu aufkommende Muster identifizieren." Wow! Irgendetwas Schlaues wäre uns schon eingefallen. Aber in einem Artikel von Insidern für Insider lassen wir diesen Unsinn doch einfach mal weg. Akzeptieren wir, dass es jenseits der erforschbaren und berechenbaren Welt der Marktforschung eine weitere gibt, die uns trotz aller kriminalistisch und wissenschaftlich fundierten Methoden verborgen bleibt. Oder fällt Ihnen eine Methode ein?
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