Oliver Spitzer, september Strategie & Forschung Do your fu*#%ing job! - Ein Forscher ohne Mut zur Beratung kommt uns nicht ins Haus.

Oft kann der Forscher aus einer Vielzahl sehr guter Ideen auswählen und mit der Empfehlung die Kirsche auf dem Sahnehäubchen liefern. Nicht immer liegt der Idealfall vor, deshalb können Empfehlungen in ganz unterschiedlichen Stadien verschieden ausfallen. Aber schon die Frage, ob Forscher überhaupt empfehlen dürfen, ist völlig daneben. Sie zeigt schon den Missstand in der Branche auf. Forschung ist niemals nur Selbstzweck. Der Job eines Marktforschers ist es, handfeste Empfehlungen zu geben. Nur dafür muss vorher geforscht werden.
Keiner hält den Kopf hin
Den Bericht über den Zaun werfen und wegrennen ist viel bequemer als den Kopf für eine konkrete Empfehlung hinzuhalten. Deswegen kommen konkrete Empfehlungen in Forschungsergebnissen nie vor. Agenturen nehmen die mäßig hilfreichen Forschungsergebnisse hin, weil sie zum Arbeitsalltag gehören. Der Marktforscher hat keinen Einfluss darauf, was aus seinen Forschungsergebnissen gemacht wird. Wenn die Agentur am Ende etwas umsetzt, das dann nicht funktioniert – halb so wild - dann hat der Forscher das im Zweifel natürlich ganz anders gemeint und die doofe Agentur hat‘s nicht verstanden. Dem Marktforscher fehlt oft der Mut zu empfehlen, weil er sich angreifbar macht und den guten Namen des Instituts einsetzt. Wenn er mal eine Empfehlung riskiert, dann ist sie meist nicht konkret genug, um dem Werbetreibenden beziehungsweise der Agentur tatsächlich im Detail zu helfen. Hier wird es dann schwierig. Deshalb liegen Agenturen und Institute seit jeher im Streit miteinander.
Aber: Es liegt in der Verantwortung des Instituts, dem Markenunternehmen beziehungsweise der Agentur einen Weg aufzuzeigen, wie Ideen, Konzepte oder Werbemittel am besten funktionieren. Die Empfehlung bietet der Marke einen unvergleichlichen Mehrwert und hilft der Agentur bei der Arbeit, treibt am Ende mehr Leute zum Kauf, Like oder Share, oder erhöht bei richtig guter Forschung die psychologische und emotionale Wirksamkeit des Werbemittels. Es geht darum, etwas Neues zu schaffen, das wirksam(er) ist. Das erfordert Mut!
Es braucht neue Skills
Ich habe noch kein Institut gesehen, das nicht behaupten würde, tolle Empfehlungen zu geben. Aber die Realität zeigt, dass die meisten gar nicht wissen, wie eine echte Empfehlung aussieht. Woher auch?
Es werden die immer gleichen Skills eingesetzt. Fortbildungen gibt es zu Statistik, zu SPSS oder neuen Methoden – am besten mit KI und agil. Aber Storytelling, Arbeitsweise einer Agentur oder einfach nur "Was macht eine brauchbare Empfehlung aus", stehen nicht auf dem Stundenplan.
Betriebliche Forscher haben es teilweise sogar noch schwerer. Sie werden bis heute oft "von oben" gebremst und dazu angehalten, die immer selben KPI zu produzieren. Es stellt sich immer die gleiche Frage: Liegen wir mit dieser Kampagne drunter oder drüber? Das ist ein Instandhaltungsservice, keine Forschung. Aber wenn der Forscher mit Instandhaltung beschäftigt ist, wo und wann soll er dann empfehlen?
Schöne neue Welt
Es findet jedoch eine Veränderung statt. Keiner steckt in den Köpfen der Zielgruppen wie der Marktforscher und alle stellen fest, dass ihr Wert darin liegt, Marketer, Produktentwickler oder Strategen mit Insights auszustatten, sie aber nicht damit allein zu lassen! Je nach Konstellation dürfen Forscher nach der Ergebnispräsentation auch mal zwei Stunden mit Kunde und Agentur brainstormen. Es gibt zwar Meinungen, die behaupten, dass Marktforscher sich in einem solchen Fall zu weit aus dem Fenster lehnen und den Agenturen ins Handwerk fuschen - allerdings dreht es sich dann gerade um jene, die die Beratung am nötigsten haben; diese brauchen Empfehlungsstärke, weil sie im Zweifelsfall noch nicht erlebt haben, was eine gut gemachte Empfehlung bewegt. Zudem kann man durch handfeste, marketingtaugliche Empfehlungen, die in einer Sprache erfolgen, die nicht nur ein Statistik-Aficionado lieben kann, die alte Feindschaft zwischen Agenturen und Instituten aufbrechen. Dann lehnt man sich als Institut gemeinsam mit der Agentur aus dem Fenster und wird zu wirkmächtigen Überzeugungstätern.
Wer beraten will, der wird neue (Forschungs-) Methoden bauen
Den Wert, den ein Forschungsinstitut stiftet, kann man nur in der Qualität der Empfehlungen messen. Und damit dies einen Wert stiftet, braucht es die richtige Methodik. Die Frage ist also, wie viel Forschung und vor allen Dingen welche Forschung benötigt der Forscher, um eine saubere Empfehlung geben zu können. Es gibt in der Marktforschung sehr viele Methoden. Allerdings führen sie viel zu oft dazu, dass kreative Konzepte totgeforscht werden. Wenn eine großartige Idee beispielsweise eintausend Personen online vorgelegt wird und diese dummerweise kreativ-chaotisch, aber nicht selbsterklärend war, dann ist sie so gut wie tot. 1.000 Leute haben die Idee nicht verstanden. Zack – Guillotine. Besser ist es, in das emotionale Innenleben der Zielgruppen zu blicken und aus dessen Motiven, Needs und Wünschen etwas Neues zu schaffen. Das erfordert natürlich, dass man Marke, Werbemittel und die Psychologie der Zielgruppe versteht. Dieses Verständnis ist Basis handfester Empfehungen.
Ermöglicht eine Methode das, dann muss der Forscher jetzt "nur" noch alles NACH der Forschung richtig machen. Damit er sich auf dieser Extra-Meile nicht verläuft hier 5 Wegweiser:
Die goldene Empfehlung
Eine Empfehlung, die zu spät kommt, weil der Spot längst abgedreht wurde ... eine Empfehlung deren Umsetzung zeitlich oder budgetär nicht drin ist ... eine Empfehlung, die spätestens in der Rechtsabteilung des Kunden vor eine Wand rennt ... das ist alles nichts wert. Darum gilt:
- Haltung: Forscher müssen beraten, müssen konkrete Empfehlungen geben, sonst haben ihren wichtigsten Mehrwert nicht geliefert. Punkt.
- Skills: Es reicht nicht, sich mal am Empfehlen zu versuchen, oder das Schlagwort Empfehlungsstärke in die Unternehmenswerte zu tippen – dann aber trotzdem einen 100-Charter über den Zaun zu werfen. Forscher müssen lernen was Marke und Agentur im täglichen Business brauchen und wie man eine Empfehlung in deren Köpfe bekommt.
- Timing: Kritzeleien und Verbalkonzepte statt Hochglanz. Forscher sollten so früh wie möglich in den Kreativ-Prozess einsteigen – auch wenn Forschung hier unbequemer ist, da es noch keine so schönen Stimuli zum Testen gibt. In diesem Stadium sind alle auf Unternehmens-/Marken- und Agenturseite noch offen für Empfehlungen und man kann (mit Fingerspitzengefühl) noch mitgestalten. Institute sind in der Verantwortung, brauchbare Methoden zu produzieren, durch die sie schon früh im Prozess einsteigen können.
- "2nd Best": Manchmal gibt es den besten Weg und den machbaren. Nicht immer kann genau das kommuniziert werden, was für die Zielgruppe am Wirksamsten wäre. Budgetlimits, Rechtsabteilungen, Angebots-Bundle, die schon geschnürt sind, ein Vorstand der sagt "das haben wir immer schon so gemacht" – Forscher müssen sich trauen gegen jede Hürde den Königsweg aufzuzeigen, sollten aber das Business ihres Kunden so gut kennen, dass sie im gleichen Atemzug den besten, tatsächlich gangbaren Weg aufzeigen können.
- Tanzbereich: Forscher, die nur mit Forschern sprechen, werden selten eine Beziehung zur Marke und zur Agentur herzustellen. Aber nur in einer gesunden Beziehung kann mal über Empfehlungen sprechen, ohne dass diese nach Kritik wirken. Die Beziehung wird immerzu vernachlässigt.
Die schönste Forschung bringt nichts, wenn der Werbetreibende beziehungsweise die Agentur am Ende nichts daraus machen kann. Für september ist die Haltung deshalb ganz klar: Wir sind forschende Berater. Nicht andersherum.
Zum Autor: Oliver Spitzer ist geschäftsführender Partner der september Strategie & Forschung GmbH. Als Full-Service Marktforschungs-Agentur hat sich september auf Tiefenpsychologie und innovative Emotionsforschung für Marken, Produkt- und Kommunikationsentwicklung spezialisiert.
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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