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Studie McKinsey und Tilting the Lens Digitale Teilhabe: mehr Zugänglichkeit für blinde und sehbehinderte Verbraucher

Oft finden sich Menschen mit Sehbehinderung in der digitalen Welt nur schwer zurecht. (Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Waltraud Grubitzsch)
McKinsey und die Beratung für Barrierefreiheit Tilting the Lens haben gemeinsam in Deutschland, Italien und den USA untersucht, wie Unternehmen ihre digitalen Angebote besser an den Bedürfnissen blinder und sehbeeinträchtigter Menschen ausrichten können. Tilting the Lense arbeitet seit 2020 mit Menschen mit Behinderung zusammen, um barrierefreie Lösungen für Menschen, Orte, Produkte und Werbeaktionen zu schaffen.
Abbruch wegen mangelnder Barrierefreiheit
Blinde Internetnutzer brechen laut Studie etwa zwei Drittel ihrer E-Commerce-Transaktionen wegen mangelnder Barrierefreiheit ab und sind gezwungen, sich anderweitig nach besser zugänglichen Optionen umzusehen. Letztlich würden sich behinderte Verbraucher an Unternehmen wenden, denen sie vertrauen, dass sie ihnen problemlose digitale Interaktionen bieten.
Im Allgemeinen würden sehbehinderte Verbraucher die Grundsätze des digitalen Vertrauens bei Kaufentscheidungen als fast so wichtig einstufen wie Kosten und Lieferzeiten und geben an, dass sie ihre Geschäfte woanders tätigen, wenn das Vertrauen verletzt wird.
Die Ergebnisse der Studie deute darauf hin, dass die Auswirkungen auf Marken wahrscheinlich weitaus größer sind. Blinde Internetnutzer würden nicht nur auf Transaktionen verzichten. Die Unzugänglichkeit treibe sie dazu, Marktsegmente und Unternehmen ganz zu meiden. Viele Studienteilnehmer hätten ihr digitales Engagement in Branchen als gering eingestuft, in denen es von den Verbrauchern im Allgemeinen als hoch eingestuft wird, zum Beispiel in der Telekommunikation, bei Versorgungsunternehmen und Versicherungen.
Branchen müssen besser werden
Darüber hinaus würden die Antworten der Teilnehmer auf die Frage nach zwölf beliebigen Branchen darauf hindeuten, dass diese alle besser werden können und müssen, wenn sie digitales Vertrauen bei behinderten Menschen aufbauen wollen. Als ein Beispiel nennt die Studie den Bankensektor, der unter den Studienteilnehmern den höchsten Rang beim digitalen Engagement einnahm.
Neunzig Prozent der Teilnehmer in Deutschland und den Vereinigten Staaten und alle Teilnehmer in Italien hätten angegeben, dass sie in den letzten sechs Monaten digitale Bankgeschäfte getätigt haben. Viele der Teilnehmer seien des Lobes gewesen, dass die Apps für mobiles Banking einfach und leicht zu navigieren sind, da sie zum Beispiel Hilfstechnologien bieten, die den Inhalt des Bildschirms vorlesen oder es dem Nutzer ermöglichen, den Inhalt zu vergrößern.
Dennoch würde etwa die Hälfte der Befragten die digitalen Erfahrungen in der Branche insgesamt als "brauchbar, aber schwierig" oder "mit vielen Problemen verbunden" einstufen.
Wie können Führungskräfte also die Zugänglichkeit ihrer digitalen Produkte und Dienstleistungen so verbessern, dass sie ein besseres Kundenerlebnis schaffen und damit das digitale Vertrauen stärken? Das Feedback der Forschungsteilnehmer lege nahe, dass die Antwort nicht in der Barrierefreiheit an sich liegt, sondern in der Verbesserung der Kundenerfahrung für Menschen mit Behinderungen.
Kohärente Nutzererfahrungen
Während der Studie wurde festgestellt, dass kohärente Nutzererfahrungen, kollaborative Designpraktiken und kontinuierliche Verbesserungen die Grundlage für gutes Design sind. Auch die Forschungsteilnehmer hätten diese Praktiken als entscheidend für das Verständnis und die Erfüllung der Bedürfnisse ihrer Gemeinschaften hervorgehoben. Mit anderen Worten: Gutes Design und integratives Design sind untrennbar miteinander verbunden.
Es sei von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen auch bei Tests die potenzielle Customer Journey innerhalb, über und außerhalb digitaler Kanäle abbilden und verfolgen, um ein konsistentes und hochwertiges Kundenerlebnis zu gewährleisten. Dabei sind unter anderem folgende Punkte zu beachten.
Dinge, auf welche die Branchen achten sollten
Sind die Kundenerfahrungen sowohl über mobile Apps als auch über Websites zugänglich? Ein Studienteilnehmer in Deutschland habe berichtet, dass seine Erfahrungen mit zwei Banken, die er nutzt, davon abhängen, welchen Kanal er wählt: Er habe festgestellt, dass die Website des einen Instituts zugänglich ist, die mobile App jedoch schwierig zu nutzen ist, während die mobile App des anderen Instituts (mit einigen Problemen) nutzbar ist, die Website jedoch mit Bildschirmlesesoftware schwer zu navigieren ist.
Wenn sich eine Person an den Kundendienst wendet, um Hilfe bei einem Problem mit der digitalen Zugänglichkeit zu erhalten, verfügen die Mitarbeiter des Kundendienstes dann über die nötigen Ressourcen, um die Situation zu lösen? Ein Studienteilnehmer in Italien habe festgestellt,
dass die Mitarbeiter in den Kundendienstzentren bei Problemen mit der Barrierefreiheit häufig keine klaren Eskalationswege kannten, so dass die Probleme nicht gelöst werden konnten.
Ein anderer Teilnehmer in Italien habe berichtet, dass er von einem Online-Lieferdienst das falsche Essen erhalten hatte, weil der Alt-Text ein Wurstbrötchen fälschlicherweise als Hamburger auswies. Als sich die Person an den Lieferservice gewandt habe, habe sich das Unternehmen geweigert, die Situation zu bereinigen. Ihr System sei auf den Bildschirmtext abgestimmt, habe das Unternehmen erklärt, die Person habe das erhalten, was sie bestellt hatte.
Menschen mit Sehbehinderungen Teilhabe ermöglichen
Die Studie kommt zu folgendem Schluss: „Die Macht der Digitalisierung ist tiefgreifend. Für viele hat sie alltägliche Aufgaben erleichtert und ihnen Zugang zu Bildung, Waren und Dienstleistungen sowie zu Beschäftigungsmöglichkeiten verschafft, die ihnen zuvor verwehrt waren. Doch wie unsere Forschungsteilnehmer feststellten, muss noch mehr getan werden, um Menschen mit Sehbehinderungen eine umfassendere Teilhabe an unserer zunehmend digitalen Welt zu ermöglichen.
Das ist nicht nur richtig, sondern kann den Unternehmen, die der digitalen Barrierefreiheit Vorrang einräumen, auch erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringen, da sie das Vertrauen ihrer Kunden vertiefen und ihren Kundenstamm erweitern können.
Diese Untersuchung liefert nicht alle Antworten. Aber es ist klar, dass die Grundlagen eines guten Designs - kohärente Entwicklung, kollaboratives Design und kontinuierliche Verbesserung - auch die Grundpfeiler eines barrierefreien Designs sind.“
Methodik
Erhebungsmethode | Forschungsgesprächsgruppen |
Befragte Zielgruppe | Blinde und Sehbehinderte |
Stichprobengröße | 29 Personen |
Feldzeit | April bis Mai 2022 |
Länder | Deutschland, Italien und USA |
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