Fünf Fragen an Christian von den Brincken, Ströer SE "Die Unternehmen sind immer weniger mit der gelieferten Qualität in der Marktforschung zufrieden"

Christian von den Brincken (Bild: Ströer SE)
marktforschung.de: Welche Anforderungen werden heute an Marktforscher gestellt?
Christian von den Brincken: Es kommt darauf an, die Wirksamkeit einer Marketing-Maßnahme bis zum erfolgten Kaufabschluss nachzuweisen. Im Marketing zählt mehr denn je der Beweis, dass eine Maßnahme "verkauft". Der sogenannte Return on Investment ist aber keine Gefühlssache. Hier geht es um sehr genaue Kennziffern. Im Online-Marketing können diese Zahlen relativ einfach und schnell generiert werden. Die werbungtreibenden Kunden fragen dadurch aber auch vermehrt bei Offline-Maßnahmen nach vergleichbaren Kennziffern. Diese zu liefern, darin liegt eine Herausforderung. Darüber hinaus fragmentieren die Zielgruppen immer mehr. Im Grunde genommen ist eine Person kaum noch einer festen Gruppe zugehörig, sondern Zielgruppen ändern sich kontextuell.
marktforschung.de: Ist betriebliche Marktforschung noch zeitgemäß?
Christian von den Brincken: Meiner Meinung nach mehr denn je, weil eine unzählige Menge an Daten vorhanden sind. Deren Erhebung, Analyse und Auswertung sind heutzutage zwar mittels Computer- und Online-Technik wesentlich einfacher geworden, aber es gilt, dieses Wissen zu transformieren und vor allem auch richtig einzuordnen und zu bewerten. Algorithmen können diese Aufgabe nicht übernehmen. Sie können bestenfalls das Material, also die Grundlage liefern. Für die Interpretation braucht man den Menschen.
marktforschung.de: Stehen betriebliche Marktforscher innerhalb eines Unternehmens in Konkurrenz zu anderen Datenexperten wie Data Analysts oder der Business Intelligence?
Christian von den Brincken: Allen gemeinsam ist, dass sie aus großen Datenmengen sinnvolle Informationen gewinnen müssen. Ihre Aufgaben erfordern dabei eine enge Zusammenarbeit und idealerweise kommt es vor allem zu Synergien, etwa in der Frage der Datenhaltung und -aufbereitung und der Anwendung geeigneter Verfahren.
marktforschung.de: Wie hat sich der Beruf des betrieblichen Marktforschers verändert?
Christian von den Brincken: Durch Big Data sind die Anforderungen an betriebliche Marktforscher gestiegen. Es stehen immer mehr Informationen zur freien Verfügung, sodass die reine Datenerhebung in Form von klassischer Marktforschung an Bedeutung verliert. Vielmehr müssen Marktforscher ihre Hauptkompetenzen erweitern und sich als Berater positionieren, welche die Datenflut deuten und daraus die richtigen Schlüsse für Unternehmen ziehen können. Die Analytik spielt inzwischen eine große Rolle im Beruf des betrieblichen Marktforschers.
marktforschung.de: Was sind die Herausforderungen in den kommenden Jahren?
Christian von den Brincken: Das Vertrauen in die Marktforschung hat insgesamt gelitten, insbesondere nach den vom Spiegel erhobenen Vorwürfen und Anschuldigungen. Die Unternehmen sind immer weniger mit der gelieferten Qualität in der Marktforschung zufrieden. Die Institute verweisen bei dieser Diskussion auf die seit Jahren sinkenden Marktforschungs-Budgets – der Zeit- und Kostendruck würden Qualitätsmängel begünstigen. Diese Entwicklung führt in einen Teufelskreis, der in Summe zum Vertrauensverlust führt. Institute und Unternehmen sind daher gefordert, diesen Kreis zu durchbrechen und sich wieder auf ihre Kernkompetenzen zu besinnen. Für Unternehmen bedeutet das, den Fokus auch auf die Qualifikation des betrieblichen Marktforschers zu legen.
marktforschung.de: Vielen Dank!
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