Die Frage zum Sonntag | heute von Rainer Faus, pollytix Die Union im freien Fall

Nach einem Jahr Corona-High: Für die CDU/CSU geht es knapp ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl zurück auf Los. Sie pendelt sich aktuell in etwa auf dem Vorkrisenniveau ein und fällt zum 1. April auf 26,9 Prozent, wie der Verlauf despollytix-Wahltrend (Das gewichtete Mittel der veröffentlichten Sonntagsfragen zur Bundestagswahl der verschiedenen Institute) seit Anfang 2020 zeigt. Diese Entwicklung ist nicht monokausal, vielmehr kämpft die Union mit mehreren Problemen zugleich.
Das schon seit längerem Vorhersehbare betrifft die ungeklärte Nachfolge von Angela Merkel als Kanzlerin bzw. Kanzlerkandidatin: Ihre Fußstapfen sind für die potenziellen Nachfolger zu groß und ein signifikanter Anteil des Umfragehochs in der Krise war vor allem eine Merkel-Wahl, weil ihr Abgang in der Wähler*innenschaft da noch nicht eingepreist war. Mit dem unglücklichen Agieren des neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet, immerhin qua Funktion in der Pole-Position für die Kanzlerkandidatur, wird das Nachfolgedilemma der Union aber zunehmend salient. Hinzu kommt, dass das zunehmend als chaotisch wahrgenommene Management der Corona-Krise genauso der Union zugeschrieben wird wie das als besonnen wahrgenommene Agieren der Bundesregierung zu Beginn der Corona-Krise. Nicht zu unterschätzen ist zudem die nach wie vor virulente Masken-Affäre, die zur Krise der Union maßgeblich beiträgt und sich auch in den Wahlschlappen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg manifestierte.
Verluste nach Links und Rechts
Spannend ist dabei nicht nur, dass die Union in der Wähler*innengunst verliert, sondern genauso wer dafür zulegt: Die CDU/CSU verliert im Monatsverlauf 7,2 Prozentpunkte. Die größte Gewinnerin sind die Grünen mit 3,3 Prozentpunkten Zuwachs, gefolgt von FDP (+1,8 Prozentpunkte) und AfD (+1,2 Prozentpunkte). Die FDP, vor gut einem Jahr nach dem Tabubruch von Thüringen noch bei lediglich gut 5 Prozent, kratzt damit zum ersten Mal seit November 2017 wieder an der 10 Prozent-Marke. Die SPD profitiert wenig vom Aderlass der Union, genauso wie sie zu Beginn der Pandemie, kaum von der hohen Zufriedenheit mit der Bundesregierung profitiert hat. Interessanterweise legt das Mitte-Links-Lager (Grüne, SPD, Linke) kumuliert ähnlich stark zu wie das Lager rechts der Mitte (FDP, AfD).
GroKo impossible, Grüne Ampel mit Mehrheit
Durch die tektonischen Verschiebungen am Wähler*innenmarkt ist auch in den aktuellen 'virtuellen' Koalitionsoptionen wieder reichlich Bewegung, wie der pollytix-Koalitionsrechner zeigt. Die GroKo aus CDU/CSU und SPD ist in den aktuellen Sonntagsfragen ohne Mehrheit, wie schon vor der Corona-Krise. Durch die wiedererstarkte FDP hätte eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP aber eine knappe Mehrheit. In den Bereich des Möglichen rückt, wenn auch aktuell knapp ohne Mehrheit, ebenso eine Koalition aus Grünen, SPD und Linken. Ein schwarz-grünes Bündnis aus CDU/CSU und Grünen kommt aktuell weiterhin auf eine rechnerische Mehrheit.
Drei Unsicherheitsfaktoren: CDU-Kanzlerkandidat, Grünen-Kanzlerkandidatin und die Corona-Krise
Über die Volatilität im Wähler*innenmarkt hatte ich schon Ende letzten Jahres geschrieben und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht – weder in die eine, noch in die andere Richtung. Der Wind kann sich noch drehen. Drei Faktoren spielen in den nächsten ein bis zwei Monaten eine entscheidende Rolle: Die ersten beiden betreffen die Kür der Kanzler*innenkandidat*innen von Union und Grünen: Bei der Union läuft es mutmaßlich auf Markus Söder oder Armin Laschet raus, bei den Grünen auf Annalena Baerbock oder Robert Habeck. Egal für wen sich die Parteien jeweils entscheiden – der öffentliche Druck auf die Gekürten wird gewaltig sein und bei einer Nominierung zwischen Ostern und Pfingsten besteht bis zur Bundestagswahl immer noch die Gefahr, im Brennglas der medialen Öffentlichkeit zu verglühen. Dazu kommt die zwar berechenbare, von der Politik aber leider zunehmend fehleingeschätzte Corona-Pandemie. Kommt es hier zum Kollaps, dürfte das der Union deutlich mehr schaden als den anderen Parteien. Bekommt die Politik die Pandemie in den Griff, wird dies vermutlich am meisten der Union nützen.
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/jre
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