Munkes‘ Mind Die Rückkehr der Küchenpsychologie

Manchmal muss man die Hände überm Kopf zusammenschlagen, wenn es um die Psychologie am Küchentisch geht. (Beitragsbild: picture alliance / photothek | Ute Grabowsky)
Einen besonders fruchtbaren Nährboden scheinen hier beispielsweise Personas zu bieten: Mit viel „common sense“ darüber, wie Menschen ticken, werden sie allerorten konstruiert.
Teilweise gewinnt man hierbei den Eindruck, dass nach der Maxime gehandelt wird: Je spektakulärer das Narrativ hinter der Persona, desto realitätsnäher wird sie.
Doch woher kommen diese alltagspsychologischen Annahmen über Menschen und die Ursachen ihres Handelns eigentlich?
Der vermeintlich direkteste Weg ist die Introspektion. Man fragt also andere Menschen (oder auch sich selbst), warum man so handelt wie man handelt. Das Problem bei diesem Vorgehen: kognitive Prozesse sind der Introspektion (meist) nicht zugänglich – sondern lediglich das Resultat dieser Prozesse ist bewusst.
Die Antwort, wie man die „Warum-Fragen“ des Handelns erhält, ist daher die Wiedergabe laienpsychologischer Annahmen, wie Verhalten erklärt werden kann. Neu ist diese Erkenntnis indes nicht: Formuliert wurde sie von Nisbett und Wilson - und zwar bereits im Jahr 1977!
Und welche Alternativen zur Laienpsychologie stehen uns zur Verfügung? Nun, beispielsweise validierte Modelle!
Es existieren hiervon in der Marktforschung nicht wenige, die sich bewährt haben – und das über eine Zeitspanne von weit mehr als einem Jahrhundert.
Konkret (bevor Sie anfangen zu rechnen): Das AIDA-Modell aus dem Jahr 1898, sozusagen ein “Klassiker”! Ursprünglich sollte AIDA den Ablauf eines Verkaufsgesprächs beschreiben, verwandelte sich im Laufe der Zeit dann aber in ein „Funnel-Modell“, das zeigt, wie Werbung funktioniert. AIDA hat seinen Nutzen in der Praxis bewiesen und sich somit in der Anwendung validiert. Darüber hinaus ermöglicht es innerhalb der „Community“ eine gemeinsame Sprache, da die zentralen Elemente ausformuliert wurden. Soweit zum „Oldtimer“, nun ab in die Gegenwart:
Nicht in der Praxis, sondern in der psychologischen Entscheidungsforschung hat Behavioral Economics als wissenschaftlich-fundierte Denkschule ihre Wurzeln. Sie kann zwar nicht alle relevanten Aspekte der Konsumierenden erklären – auch wenn manchmal der Eindruck vermittelt wird, hier die „Weltformel des menschlichen Verhaltens gefunden zu haben: In jedem Fall stellt Behavioral Economics ein wissenschaftlich-validiertes Denkmodell zur Verfügung, auf das sich immer mehr Marktforschende explizit berufen.
Egal, ob in der Praxis oder durch die Wissenschaft validiert:
Der Mehrwert der Modelle besteht nicht darin, „das richtige Modell“ gefunden zu haben, sondern darin, die Annahmen des Modells explizit und somit überprüfbar zu machen.
Denn: Nur explizite Modelle können sich bewähren, da nur diese überprüfbar sind.
Brauchen wir eigentlich noch Modelle? Es gibt doch jetzt Künstliche Intelligenz…
Natürlich brauchen wir sie! Mutmaßlich besteht die zentrale Aufgabe der Marktforschung darin, Unternehmen Modelle zu liefern, auf deren Basis sie entscheiden und agieren können.
Und außerdem machen Algorithmen tatsächlich auch nichts anderes, als Regelhaftigkeiten in Daten zu suchen. Sie gehen dabei von der Prämisse aus: „Vergangenes Verhalten ist der beste Prädiktor für zukünftiges Verhalten!“ Wenn nun Menschen zum Objekt dieser Algorithmen werden, landen wir schließlich bei der „CPU-Psychologie“. Mit der Küchenpsychologie gemeinsam hat diese, dass die Annahmen beziehungsweise Regeln nicht expliziert werden – also in der Black Box bleiben. Und natürlich werden häufig hier wie dort wahrgenommene Zusammenhänge zu Kausalitäten „aufgewertet“.
Marktforschung ist viel mehr als die technische Umsetzung von Befragungen
Am Ende ist entscheidend:
Wir müssen uns unsere Denkmodelle viel bewusster machen und explizit formulieren! Denn nur dadurch werden sie bewertbar und überprüfbar.
Und wir sollten als Forschende darüber hinaus den Anspruch an uns haben, nur mit wissenschaftlich-fundierten Denkmodellen zu arbeiten: Dank DIY-Plattformen ist es heute jedem technischen Laien möglich, eine Befragung durchzuführen.
Die Existenzberechtigung unserer Profession leitet sich jedoch nicht daraus ab, Befragungen technisch umzusetzen, sondern aus dem konzeptionellen Verständnis des Konsumierenden und der daraus folgenden Kompetenz, Befragungen zu konzipieren und Ergebnisse in Handlungsempfehlungen umzusetzen.
Über die Person
Dr. Jörg Munkes ist Geschäftsführer bei der GIM in Heidelberg, wo er seit knapp 20 Jahren tätig ist. Als promovierter Sozial- und Persönlichkeitspsychologe hat er die Entwicklung der quantitativen Forschung des Full-Service-Instituts über viele Jahre geprägt und dabei ein Faible für psychografische Zielgruppen-, Werte- und Markenforschung entwickelt. Als GIM-Geschäftsführer ist er unter anderem für das Business Development verantwortlich und gleichzeitig ein von Natur aus neugieriger Mensch –... mehr
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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