KOLUMNE VON DR. JOHANNES KIRSCH Die Quadratur des Kreises? Den NPS nachhaltig entwickeln und dabei signifikant Kosten sparen

Der Kundenservice eines Unternehmens benötigt eine gut durchdachte Struktur und Ordnung. Diese Ansicht vertritt unser Kolumnist Dr. Johannes Kirsch, Experte in Sachen Kundenbindung. Das erhöht nicht nur die Zufriedenheit der Kunden, sondern ist auch wichtig für die zuständigen Mitarbeitenden und somit für das gesamte Unternehmen.

Bei der Entwicklung des Kundenservice kommt Dr. Kirsch eine Abwandlung von Hegels Dialektik in den Sinn: „Quantität schlägt um in Qualität“. (Bild: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Michael Kuenne)

Bis vor ungefähr fünf Jahren hätte ich mich nicht getraut, so selbstbewusst eine solche Headleine zu formulieren. Die Technik der Text- und Sprachanalyse verbunden mit den Möglichkeiten, die Künstliche Intelligenz (KI) bietet, schafft dem Kundenservice die Datenbasis, um gesprochene Sprache wirksam gestalten zu können. Die „Arbeit am NPS“ kann aktiv begonnen und Dialog-Kosten dadurch sehr nachhaltig eingespart werden.

Vielleicht erinnern Sie sich an meine letzte Kolumne „Arbeit am NPS“. Dort habe ich zeigen wollen, dass sich Kundenzufriedenheit einer fortwährenden Arbeit an den Prozessen der Leistungserstellung benötigt: Nicht die Entwicklung der Freundlichkeit der „Call-Agenten“ ist zentral, sondern die systematische Arbeit an der Skript-basierten Steuerung der Dialog-Prozesse.

Unsere Aufgabe ist es, alle Kontakte zum Kunden zu strukturieren und zu kontrollieren

Nach der Gestaltung der Kontakte analysieren wir das Ergebnis unserer Bemühungen. Unser neues „Dialog-Design-Entwicklungsteam“ entwickelt und optimiert auf der Basis des bereits Erreichten Sprechskripte und Textbausteine stetig weiter. Dieses Team ist analog zu den Entwicklungsabteilungen der Produktproduzenten strukturiert und arbeitet „iterativ inkrementell“.

Wer so arbeitet – als Energieversorger, Versicherer oder Bank, um nur einige Beispiel zu nennen – der kommt in der Entwicklung der Gesamtproduktivität voran. Er wird mit signifikanten Kostenreduzierungen im Kundenservice belohnt, und gleichzeitig sind Kunden wie Mitarbeiter zufrieden mit den Ergebnissen ihrer Dialogarbeit.

Einsparung Nr.1: Die Average Handling Time sinkt, Sales, Konformität und Produktivität steigen

Jedes Gespräch hat in Bezug auf den geforderten Inhalt immer eine angemessene Länge. Sie steht in Relation zu Anlass, Zielperson und dem zu leistenden dokumentarischen Aufwand. Jeder Gesprächsinhalt braucht für den Dialog zwischen Kunde und Agent ein tragfähiges Gerüst, welches hilft, den Transport der Informationen zu gewährleisten.

Das Gesprächsskript reflektiert diese Bedingung für ein gutes, weil strukturiertes Gespräch.

Der Agent bekommt hierdurch einen Leitfaden, der ihm die Sicherheit gibt, dass er die für den Gesprächsanlass wichtigsten Punkte berücksichtigt hat.

Hilfreiche Sicherheit im Gespräch

Diese Sicherheit im Gespräch schafft dem Agenten Entlassung, und sie ermöglicht ihm eine „routinierte“ Abwicklung. Sie sorgt dafür, dass der Agent in Distanz zum Dialoggeschehen bleibt. Das wiederum verschafft ihm die nötige Ruhe, die es braucht, um das Anliegen des Kunden zu verstehen, es als Geschäftsvorfall einem internen Prozess zuzuordnen und dem Kunden eine Lösung anbieten zu können. Das Gespräch bekommt für seinen Ablauf Anker, auf die der Agent hinarbeiten kann, durch sie entstehen Routine und Verfahrenssicherheit.

Die Zeiten, die „Unsicherheit“ und Überforderung kosten, reduzieren sich. Und das bedeutet: die Average Handling Time (AHT) sinkt und die Produktivität steigt nachhaltig.

Sinkt die AHT, steigt die Verfügbarkeit der Agenten, es wird Zeit freigesetzt. Sales-Werte und andere gewünschte Inhalte, die in einem Gespräch transportiert werden sollen – zum Beispiel ein Hinweis auf andere Kontaktkanäle und Serviceleistungen – werden nicht mehr „vergessen“. Es entsteht eine routinierte Ansprache.

Einsparung Nr.2: das Coaching der Agenten

Henry Ford soll gesagt haben, dass er sicher die Hälfte seiner Werbeausgaben aus dem Fenster wirft, doch er wisse leider nicht, welche Hälfte er einsparen könne. Coaches sind da sicher anderer Meinung. Gleichwohl, worin nun messbar der Nutzen ihrer Arbeit liegt, das erschließt sich nicht so leicht.

Heute verändern das Dialogskript und die Konformitätskontrolle in Echtzeit diese Situation strukturell. Aus der Kognitionsforschung wissen wir: Menschen sind die Konstrukteure ihrer Wirklichkeit. Das macht sich die moderne Pädagogik und Didaktik schon lange zu Nutzen. Im Kundendialog verfolgt das Skript diesen Aspekt ebenfalls: Das Verhalten des Agenten wird an einem Strukturkonzept ausgerichtet.

Dadurch, dass der Agent jederzeit selbst sieht, ob und wie genau er sich an die Sprechvorgaben hält, wird er für sich selbst Wege suchen, sein Verhalten konform auszurichten.

Eine der schwierigsten Coachingaufgaben erledigt sich dabei von selbst. Der Coach bekommt zukünftig einen deutlich präziseren Auftrag, der Erfolg seiner Arbeit wird messbar. Präzision und Transparenz führen dazu, dass Aufgaben entfallen. Das spart Arbeitszeit und reduziert mithin die Kosten im doppelten Sinne: Es wird nicht nur weniger „Coachzeit“ je Mitarbeiter benötigt, es reduzieren sich damit in toto unproduktive Trainings- und Coachingzeiten. Coach- plus Mitarbeiterzeit wird nachhaltig eingespart.

Einsparung Nr. 3: Fluktuation und Krankenzeiten

Das liest sich verwegen. Was führt zu hohen Krankenständen? Überforderung, ein Gefühl von Ohnmacht, emotionaler Stress und Mangel an Distanz in der Arbeitssituation sorgen dafür, dass sich viele Mitarbeitende mehr oder minder selbst Entastung aus der Überlastung schaffen müssen. Das Mittel ihrer Wahl: Kranksein. Es bietet die Möglichkeit einer kleinen Wirklichkeitsflucht; verständlich, aber so gar nicht im Sinne des Arbeitgebers.

Ein Dialogskript kann hier prophylaktisch wirken, denn es lässt Verhaltenssicherheit entstehen, und diese gewährt dem Mitarbeiter ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Die gegebene Verhaltensstruktur entlastet und ermöglicht eine freundlich distanzierte Arbeitsweise, die sicherstellt, dass Mitarbeitende stets aus einer inneren Gelassenheit heraus agieren; und das ist es, was Menschen zufrieden und stark macht.

So entsteht Arbeitszufriedenheit und die führt dazu, dass weniger Mitarbeiter das Unternehmen verlassen wollen.

Einsparung Nr. 4: Kundenbindung steigt, Abwanderung aus Zorn sinkt

Aus der Zufriedenheitsforschung weiß man: Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit sind „kommunizierende Röhren“.

In ihrem Arbeitsverhalten gefestigte, sichere Mitarbeitende schaffen es auch, in schwierigen Kundengesprächen, den Überblick für sich und für den Kunden zu behalten. Sie sind stets in der Lage, ein Gespräch erfolgreich, weil für den Kunden zufriedenstellend zu führen. Souverän auftretende Mitarbeitende schaffen auf Seiten der Kunden ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen.

Bindung braucht Vertrauen. Denn es passieren Fehler, es kommt zu Missverständnissen und gegebenenfalls auch zu Leistungsausschlüssen und -ablehnungen. Das ist für Kunden hinnehmbar, wenn sie es verstehen. Dafür braucht es jedoch „kundige“ Mitarbeitende, die aus einer Position der Gelassenheit und „gefühlter“ Kompetenz heraus agieren. Ein gutes Dialogskript ist der richtige Anfang.

Täglicher Newsletter der Insightsbranche

News +++ Jobs +++ Whitepaper +++ Webinare
Wir beliefern täglich mehr als 9.000 Abonnenten

Die Arbeit an der Gestaltung des NPS ein Erfolgsfaktor für Qualität und Quantität

Oft hört man in den Kunden-Service-Centern: „Was sollen wir denn noch alles an Kennzahlen berücksichtigen?“ Wenn Kennzahlen das Ergebnis von harter Arbeit sind, wenn ihre Entwicklung als Belohnung verstanden werden kann, dann sollten wir doch überlegen, ob es nicht ein Netz an Kennzahlen gibt. Kennzahlen, die sich gegenseitig bedingen und hoffentlich - wenn wir alles richtig machen - miteinander bewegen. Die Frage ist: Welches sind die zentralen Ankerwerte, die andere Werte mitbedingen?

Wenn wir das Dialog-Scripting beherrschen, dann haben wir den Anker im Zugriff, der uns hilft, unsere Kundenzufriedenheits-Werte zu erreichen.

Nicht, indem wir mal hierhin und mal dorthin steuern: Ein Programm für Churn, eines gegen Krankenquoten, eines für Freundlichkeit und nochmal eines für Schnelligkeit in der Abwicklung von Kundengesprächen.

Die analytisch angeleitete Arbeit am Dialog-Skript

Das Dialogskript mobilisiert zwei Werte: den NPS und die AHT. Darauf können wir uns konzentrieren, alle anderen Werte werden sich wie von Zauberhand mitbewegen. Die Arbeit, die wir dabei zu leisten haben, ist sehr anspruchsvoll.

Vielleicht eine neue Aufgabe für die Coaches: Die analytisch angeleitete Arbeit am Dialog-Skript.

Abgeleitet aus dieser Aufgabe gestaltet sich künftig die Arbeit am Mitarbeiter als eine, die angeleitet ist aus der Konformitätsanalyse und der nachfolgenden Analyse der Hindernisse, die sich bei der Erfüllung der geforderten Verhaltensweisen auftun. Vor der „Arbeit am Mitarbeiter“ muss der Coach jetzt klären, welche geeigneten Maßnahmen dazu führen. Zum einem die Maßnahmen, die das Skript zu verbessern. Zum anderen müssen die Momente identifiziert werden, die Mitarbeitende daran hindern könnten, sich an die Vorgaben zu halten. Da kann es dann Gruppen geben, die ein wirksames Sprachtraining brauchen, andere müssen in der Koordination von Hand, Mund und Auge am PC geschult werden, um zu größerer Selbstwirksamkeit und Gelassenheit zu finden. 

In jedem Fall wird die Arbeit „am Mitarbeiter“ transparent im Sinne der modulierten Vorgaben für ein „sprechsprach“ wirksames Gesprächsformat. In Abwandlung eines Satzes aus Hegels Dialektik, und später übernommen von Karl Marx: „Quantität schlägt um in Qualität“. Was hier nichts anderes bedeutet als: Ich fokussiere mich auf die Entwicklung des NPS und erziele dabei nachhaltig positive Kosteneffekte.

 

Über die Person

Dr. Johannes Kirsch studierte Soziologie und ist in einem Strukturvertrieb für Versicherungen ins Berufsleben gestartet. Ebenfalls bei einem Versicherer baute er die Marktforschung vertriebsnah mit auf und wechselte in den Direktvertrieb. Heute arbeitet er als Berater für Inhouse wie Outsourcing-Partner Kundenservicecenter. Sein Schwerpunkt war und ist in allen Funktionen die Entwicklung und Erhaltung von Kundenbindung und die prozessorientierte Qualitätssteuerung im Kundendialog.

Diskutieren Sie mit!     

Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!

Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.

Anmelden

Weitere Highlights auf marktforschung.de