Interview zum WdM Webseminar von Happy Thinking People "Die Pandemie hat viel in Frage gestellt, der Switch zu digital ist deutlich spürbar"

Die Corona-Pandemie hat uns alle beeinflusst. Laut Katrin Krüger ist ein deutlicher Shift zu einer stärkeren Selbstreflektion spürbar. Im Interview erklärt sie, was das für Marktforscher*innen bedeutet und welche Vorteile diese Veränderungen bereit halten.

Katja Krüger (Bild: Happy Thinking People)

„Durch Covid erleben wir nun einen grundsätzlichen Shift: hin zu einer stärkeren Selbstreflektion“, heißt es in Ihrer Event-Ankündigung. Wie macht sich das bemerkbar? Warum ist Corona Ihrer Meinung nach Auslöser dieses Prozesses?  

Katrin Krüger: Während der Pandemie hatten die Menschen sehr viel Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Man hat viel über die Welt und das Leben nachgedacht sowie darüber, was einem wichtig ist. Das macht sich auch in unserem Arbeitsalltag bemerkbar: Unsere Teilnehmer*innen reden offener und reflektierter über ihre Gefühle und ihr Verhalten.  

Inzwischen beobachten wir bei unseren Studienteilnehmer*innen sogar schon eine Art Freude darüber, sich selbstreflektierter zu betrachten: Sich mit wildfremden Menschen über Themen wie mental health oder Nachhaltigkeit austauschen zu dürfen, fungiert fast schon als Incentive, weil es neue Denkanstöße gibt, die einem neue Perspektiven eröffnen.  

Schließlich kann es sogar dazu führen, dass man diese Gedanken auch aus der Studie herausträgt: Teilnehmer*innen sind inspiriert, das, was sie über sich gelernt und von anderen gehört haben, in den Alltag zu integrieren und etwas zu verändern.  

Was bedeutet der Shift für die Zukunft der Marktforschung? Was erhoffen Sie sich durch diese Entwicklung? Eröffnen sich dadurch ganz neue Türen?  

Katrin Krüger: Definitiv! Dieser Shift ermöglicht es uns vor allem, Studienteilnehmer*innen ganz anders zu involvieren – als wirkliche Expert*innen, die nicht nur zum Thema Konsum, sondern auch in Bezug auf beispielsweise gesellschaftlich relevante Themen wertvollen Input liefern können. Und wir denken, dass sich hier Online Communities besonders gut eignen können, wenn man sie richtig einsetzt.  

Hier kommt uns vor allem zu Gute, dass Teilnehmer*innen in Online Communities die Aufgaben wann immer und wo immer sie wollen bearbeiten können und in diesem Rahmen auch in sich gehen und reflektieren können. Bestimmte Fragestellungen muss man sacken lassen. Wir Marktforscher*innen wissen ja selber am besten, dass eine gute Analyse auch eine gewisse Zeit braucht. Oft kommen einem die besten Ideen dann unter der Dusche, beim Joggen, beim Kochen etc. Diese Dynamik haben wir auch bei Teilnehmer*innen beobachtet. Wenn man ihnen für komplexe Themen mehr Zeit gibt, geben sie auch ausführlichere und tiefergehende Antworten, die uns zu völlig neuen Insights führen.  

Was wir zudem feststellen: Diese neue Reflektiertheit kann häufig auch zu Verhaltensänderungen führen, beim Konsum wie beim Shopping. Die Pandemie hat viel in Frage gestellt, der Switch zu digital ist deutlich spürbar – Online Einkaufen, Netflixen und mehr. Alte Routinen - einmal unterbrochen - werden neu überdacht. 

Für Marken, die vor einer Neu-Positionierung oder -Justierung stehen, ist ein solcher Input enorm hilfreich – in der Kommunikation, die Neu-Betonung von unterschiedlichen Benefits zum Beispiel. Also mit „Tiefe“ kommt auch klare Handlungsfähigkeit.  

Wir plädieren also dafür, Online Communities nicht nur für ethnographisch-beobachtende Zwecke zu nutzen, sondern zunehmend auch für offenere, komplexere Themen. Wir haben hier in letzter Zeit mit Communities zu den Themen Social Responsibility, Sustainable Shopping oder auch Responsible Drinking sehr gute Erfahrungen gemacht.  

Jetzt für das Web-Seminar mit Happy Thinking People am 7. Oktober um 11h anmelden!

Haben Sie das Gefühl, dass die Entwicklung hin zu einer stärkeren Selbstreflexion auch zu mehr Ehrlichkeit bei kritischen, meist durch sozial erwünschte Antworten geprägte Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität führen kann oder wird?  

Katrin Krüger: Absolut. Auch das haben wir in den letzten 1,5 Jahren immer wieder beobachtet. Sehr lange war der gesellschaftliche Diskurs von einem ständigen Leistungsdruck geprägt, nichts durfte schief gehen, jeder Fehler wurde automatisch als Schwäche ausgelegt. In den letzten 18 Monaten sind Menschen weniger streng mit sich geworden. Fehler sind erlaubt, Fehler machen uns menschlich und man darf und sollte über sie reden.  

Bei unseren Teilnehmer*innen sehen wir das darin, dass sie sich durchaus darüber bewusst sind, dass sie widersprüchlich handeln – und dies auch offen zugeben. Oft sogar mit sehr viel Humor. Sie sind offen dafür, ihr Verhalten zu ändern – setzen sich jedoch auch nicht unter zu viel Druck. Zu einem großen Teil akzeptieren sie diese Widersprüchlichkeiten, denn sie wissen, dass niemand perfekt ist.  

Haben Sie in den letzten 15 Jahren, in denen Happy Thinking People mit Online Communities arbeitet, schon einmal einen Shift, der das Verhalten von Teilnehmer*innen in Online Communities grundlegend verändert hat, erlebt – ein politisches Ereignis, eine technologische Innovation vielleicht?   

Katrin Krüger: Das Smartphone hat selbstverständlich stark dazu beigetragen, dass Teilnehmer*innen die Bearbeitung von Aufgaben immer leichter fällt. Früher konnte es sehr umständlich sein, Bilder oder Videos hochzuladen (z.B. von der Digitalkamera auf den Computer). Hier war auch sehr viel stärker der Support unseres Portal Managers Matthias Kupferschmid gefragt. Dass Teilnehmer*innen sich verstärkt wohler mit diesem Tool fühlen, beobachtet er vor allem bei älteren Zielgruppen. Noch vor ein paar Jahren waren sie diejenigen, die den meisten Support brauchten. Inzwischen sind sie genauso versiert wie die jüngeren Teilnehmer*innen. Dieser Effekt hat sich innerhalb der letzten 18 Monate auch noch einmal verstärkt.   

Zudem sehen wir auch den Einfluss von Social Media immer stärker in den Online Communities. Das zeigt sich zum Beispiel in teils sehr professionellen Videobeiträgen im Tik-Tok- und Instareel-Stil. Aber wir denken, dass auch der Shift zur stärkeren Selbstreflektion sehr von Social Media geprägt wird. Bewegungen wie Body Positivity & Diversity, die stark durch Social Media verbreitet werden, leben davon, dass wir nicht alle gleich sind und unsere Unterschiede (und Fehler) akzeptieren und zelebrieren.  

Merken Sie diesen Hang zur stärkeren Selbstreflexion nur bei Online Communities oder auch in Ihrem beruflichen/privaten Umfeld?   

Katrin Krüger: Auch im beruflichen Umfeld fällt uns diese Entwicklung auf: Gespräche mit Kolleg*innen und Kund*innen werden zum Teil persönlicher, emotionaler – aber das auf ganz natürliche Art und Weise. Wir sind alle nicht unbeeinflusst durch die Pandemie gekommen, haben alle ähnlichen Erfahrungen gemacht.  

Und ja, selbstverständlich bemerke ich diese Entwicklung auch im privaten Umfeld. Freunde und Familie sind quasi gezwungen, zu reflektieren und in sich zu gehen. Sie machen sich Gedanken über ihre Zukunft, sortieren viele Dinge neu. Viele Pläne, die man vor der Pandemie hatte, lassen sich so nicht mehr umsetzen. Man muss den eigenen Platz neu finden, viele Wünsche und vor allem auch sich selbst neu definieren.  

Die Pandemie und ihre Folgen werden uns noch lange beschäftigen. Ich erwarte daher, dass wir den Shift zur stärkeren Selbstreflektion sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld noch lange sehen und fühlen werden.  

Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Web-Seminar?  

Katrin Krüger: Wir möchten gerne ein neues Bewusstsein für den Einsatz von Online Communities schaffen. 

In Fokusgruppen betonen wir am Anfang der Diskussion immer, dass die Konsument*innen die Expert*innen sind – und wir nur die „dummen“ Marktforscher*innen, die von ihnen lernen müssen, um ein bestimmtes Thema besser zu verstehen. Diese Herangehensweise möchten wir gerne in die Online Communities übertragen. Genauer gesagt bedeutet das: Weg von der Rolle der Testperson, die nur beobachtet wird, hin zur Rolle der Teilnehmer*innen, die aktiv ihre Meinungen und Sichtweisen äußern.  

Hierzu bedarf es natürlich der richtigen Umsetzung. Im Webinar geben wir unseren Zuschauer*innen Tipps, wie sie diese neue Herangehensweise in ihre Projekte übertragen können:  

  • Welche (neuen) Fragestellungen eignen sich für Online Communities?  
  • Was muss bei der Fragebogenerstellung bedacht werden?  
  • Was bedeutet das für die Moderation?  
  • Welche Tools eignen sich am besten, um das Ganze umzusetzen?  

Das Ganze illustrieren wir anhand von aktuellen Fallbeispiele aus der Praxis. 

Wir freuen uns über jede/n Zuschauer*in und versprechen, dass auch sie nicht einfach nur beobachten müssen – wir planen einen interaktiven Ansatz und Austausch mit unserem Publikum. Am Ende sind dann hoffentlich alle Zuschauer*innen inspiriert und motiviert, diese neue Herangehensweise an Online Communities umzusetzen. 

Jetzt für das Web-Seminar mit Happy Thinking People am 7. Oktober um 11h anmelden!

Zu Katrin Krüger:

Katrin Krüger ist Senior Project Director bei Happy Thinking People (Bild: Happy Thinking People)
Katrin Krüger ist Senior Project Director bei Happy Thinking People, Berlin, und hat einen Master of Arts in Nordamerikastudien. Als engagierte Qual-Forscherin experimentiert sie leidenschaftlich gerne mit der Kombination aus digitalen Tools und klassischen Qual-Methoden. Für ihre Fallstudie "Chilling with VR - A case study on the interplay between classical qualitative and Virtual Reality in innovation and design research" gewann sie 2020 den GOR Best Practice Award.

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