Die Öffentlichkeit der Kundenerfahrung

Dietmar Puppendahl (Ipsos)

Von Dr. Dietmar Puppendahl, Director bei der Ipsos Loyalty GmbH

Im Nachhinein muss man sagen: Das musste ja so kommen!

Die neuen Medien brechen in die wohlgeordnete Kundenzufriedenheitswelt ein und nehmen sich ihr Stück vom Kuchen.

Ob in sozialen Netzwerken wie Facebook oder auf Youtube, der like-button ist dabei. „Likes“ werden „Dislikes“ gegenübergestellt. Schneller und unmissverständlicher geht es kaum, Wohlgefallen oder Missfallen auszudrücken - kurz und knackig.

Und es sind nicht nur die Likes: Rezensionen, wie es sie zuerst bei Amazon gab, sind mittlerweile ebenfalls weit verbreitet und sind wichtige Signalgeber für die Kaufentscheidungen anderer Kunden, die aufgrund der Rezensionsinhalte ebenfalls kaufen oder sich – bei negativer Bewertung – nach Alternativen umsehen.

In Blogs lösen Rückrufaktionen von Automobilherstellern und anderen Anbietern, wenn es ganz böse kommt, „Shitstorms“ aus. Sollten Meinungsführer, die mittlerweile eine große Anzahl sogenannter „Follower“ in diesen Blogs haben,  negative Kommentare abgeben, sind diese Themen innerhalb kurzer Zeit verbreitet – mit der Gefahr vielleicht zeitlich begrenzter, aber zunächst einmal signifikanter Imageeinbußen.

Was haben all diese Beispiele gemein?  Als das Internet noch nicht so weit entwickelt war wie heute – und soziale Netzwerke, Rezensionsportale, Blogs, Communities etc. als Instrumente der schnellen Verbreitung von Informationen zur Verfügung stellte, hatten Unternehmen noch die Chance, eventuelle Probleme mit einzelnen Kunden im Dialog zu klären und zu bereinigen. Das ist heute nicht mehr der Fall.

Das Internet erlaubt es je nach Sachlage, unmittelbar in den „Öffentlichkeitsmodus“ zu wechseln. Je nach Emotionslage ist dann eine sachliche Auseinandersetzung mit den entstandenen Problemen fast unmöglich, da das Thema nicht mehr den unmittelbar beteiligten Parteien „gehört“, sondern zum „öffentlichen Gut“ wird, zu dem jeder seine mehr oder minder qualifizierte Meinung abgeben kann.

Das bedeutet für Unternehmen, dass kritische Ereignisse, die vielleicht nur einer Minderheit von Kunden wirklich passiert sind, eine gigantische Überhöhung erfahren, die die Dimension des ursprünglichen Problems sprengen. Dahinter steckt manches Mal vielleicht auch objektiv gerechtfertigte Kritik von Seiten der Personen, die sich im Internet zum jeweiligen Vorfall äußern, oft aber auch nur die Lust an der Empörung. Vielfach finden sich Personen, die berichten, ihnen sei Ähnliches passiert, wie demjenigen, der das Geschehnis als erster publik machte.

So geschehen vor Jahren: Man denke an die regelrechte Hetzkampagne gegen Toyota in den Vereinigten Staaten wegen angeblicher Probleme mit Gaspedalen und Bremsen. Ein Orkan  von Kritik und Schmähungen ergoss sich über die bis dahin in den USA sehr respektierte Automobilmarke, die Zweifel an den Produkten hervorrief und weltweit die Medienlandschaft beschäftigte. Erst spät stellte sich heraus, dass es an Fehlern der Fahrer lag, die zu teilweise tödlichen Unfällen auf amerikanischen Straßen führten. Toyota nutzte dies kurzfristig nichts, es dauerte seine Zeit, bis die Marke auf die frühere Erfolgsspur im amerikanischen Markt zurückkehrte. Dies war einer der ersten „Shitstorms“, geboren im Internet und eine neue Erfahrung für Unternehmen, konfrontiert mit der Macht der Käufer, öffentliche Stimmung zu machen.

Zur Sache:
Im Januar 2010 begann Toyota eine Rückrufaktion von 2,3 Millionen Autos in den USA und 1,8 Millionen in Europa, aufgrund angeblich klemmender Gaspedale.  In den Vereinigten Staaten wurden  Produktion und Verkauf der betroffenen Toyota-Modelle vorübergehend gestoppt.  Eine Auswertung der elektronischen Unfall-Fahrtenschreiber von 58 Unfallwagen durch die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA ergab, dass in mindestens 35 Fällen gar nicht gebremst wurde. Eine im Januar 2011 veröffentlichte Untersuchung der NASA ergab, dass keine Fehler in der Elektronik, sondern ein mechanisches Problem vorgelegen habe. Möglicherweise habe das Pedal geklemmt, teilweise mutmaßlich verursacht durch eine Fußmatte. Oft seien aber Brems- und Gaspedal verwechselt worden. Am 8. Februar 2011 veröffentlichte die NASA den Untersuchungsbericht der von der NHTSA in Auftrag gegebenen Untersuchung der „ungewollten Beschleunigungen“. In keinem Fall konnte ein Fehler in der Elektronik festgestellt werden. Die ungewollten Beschleunigungen seien durch Fehlbedienungen der Fahrzeuge hervorgerufen worden. In den meisten Fällen wurde das Gaspedal stark durchgetreten, vermutlich nach Verwechselungen der Gas- mit den Bremspedalen. Es wurden insgesamt 75 Beschwerden über ungewollte Beschleunigung zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 31. Dezember 2010 untersucht. Hierbei fiel auf, dass 85 % der Vorfälle erst nach dem Start der Rückrufaktion seitens Toyota aufgetreten sein sollen (Quellen: wikipedia, „Toyota“; Spiegel Online, 8. Februar 2011; sueddeutsche.de, 9. Februar 2011).

Was können Unternehmen aus diesen und bis heute dutzendfach wieder aufgetretenen  unangenehmen Erfahrungen auch anderer Unternehmen lernen?
Im Nachhinein äußerten sich verschiedene Experten, dass die Reaktion von Toyota auf die Vorwürfe zu spät und zu zurückhaltend erfolgt sei. Dies ist sicher auf die neue Situation zurückzuführen, mit der das Unternehmen konfrontiert wurde und zu der es bis dahin kaum ähnliche Erfahrungen gab.
Es ist aber folgendes zu empfehlen:

  1. Vorbeugend: gutes Community-Management, das auf aufkommende Probleme frühzeitig hinweist, und eine Guideline, wie man sich im Falle eines Shitstorms strategisch und taktisch zu verhalten gedenkt.
  2. Schnelle, authentische und lösungsorientierte Reaktion („wir kümmern uns um das Problem“ – dieser schnellen Ankündigung  müssen dann natürlich wirklich schnelle Taten folgen
  3. Damit wird auch belegt, dass die Kritik ernst genommen wird
  4. Kein Rechtfertigungsmarathon!
  5. Direkten Kontakt mit einem Meinungsführer – wenn bekannt - aufnehmen, informieren, was man geändert hat und wie künftig die aufgetretenen Probleme verhindert werden
  6. Wenn der Shitstorm nicht aufhört: Öffentliche Erklärung über eine Seite, deren Inhalt man selbst kontrollieren kann, wie z.B. die eigene Facebook Seite. Darüber lässt sich aktiv in die Diskussion eingreifen und diese gegebenenfalls steuern (Quellen: t3n.de –  Andreas Weck, 23.8. 2013; www.kerstin.hoffmann.de)

Bei Toyota wurde als Konsequenz aus der Pannenserie das Qualitätsmanagement umstrukturiert. Es folgte die Gründung regionaler Kompetenzzentren, die schneller auf eventuelle Probleme bei den Fahrzeugen sowie auf Kundenfeedback reagieren können (Quelle: Springer, 10. März 2011).
Toyota reagierte also, indem es flexibler und kundennäher wurde und auch in Zukunft schneller reagieren kann.

Fazit:
Die „Öffentlichkeit“ der Kunden(-un-)zufriedenheit erlaubt nicht mehr eine Beschränkung auf internes Qualitätsmanagement. Nachhaltige Unternehmenskommunikation und gegebenenfalls souveräne Krisenkommunikation sind neue wichtige strategische und taktische Ressourcen, um gegenüber den Herausforderungen sich schnell verbreitender negativer Kundenmeinungen  bestehen zu können.

Über die altbekannte Kundenbefragung hinaus bahnen sich mittlerweile über viele weitere Kanäle Zufriedenheits- und vor allem Unzufriedenheits-Äußerungen ihren Weg.

Deshalb hat Ipsos den Weg beschritten, neben Kundenzufriedenheitsbefragungen (klassische Relationship-Befragungen) auch transaktionale Befragungen (Enterprise Feedback Management) sowie über Social Listening und Social Community Management seine Kunden beim Erkennen negativer Stimmungen zu unterstützen, um ihnen das frühzeitige Gegensteuern zu ermöglichen.

 

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