Das Wahre Leben Kolumne – Jens Krueger Die Marktforschungsbranche – Wie war das letzte Jahr eigentlich so?

Am Ende eines Jahres wagt unser Kolumnist Jens Krüger von Bonsai Research den Blick zurück. Was ist passiert in der Branche? Wie geht es den Marktforschenden Ende 2022?

Kletterer in Beirut (Bild: picture alliance / abaca | AA/ABACA) 

Weiter machen, weiterwachsen, verändern und aus Schwierigkeiten etwas Gutes machen, wie der Kletterer an einer von Einschusslöchern übersäten Wand in Beirut. (Bild: picture alliance / abaca | AA/ABACA) 

„Gut“.  

So die typische und knappe Antwort unseres Sohnes auf die Frage, wie es denn in der Schule so war. Ein bisschen fühlt sich das aktuell auch in unserer Branche so an. Und vielleicht trifft es das knappe Gut tatsächlich. Gerade die letzten Wochen des Jahres haben uns nicht den erwarteten Jahresend-Schub gebracht. Und wenn Kunden noch was angeschoben haben, meist mit dem Nachsatz: „Wer weiß, was nächstes Jahr ist“. Gut – das ist vielleicht auch Ausdruck eines vagen Gefühls, dass nach Sonne auch mal wieder Regen kommt, wir vielleicht auch unsere Erwartungen anpassen müssen.  

Wir hatten als Branche weitestgehend zwei großartige Jahre. Wir haben uns gefeiert und gefreut, dass wir es überwiegend geschafft haben, das Beste aus der Pandemie gemacht zu haben. Wir haben uns digitalisiert, wir haben mit Neuem experimentiert und oft viel Spaß gehabt.  

Und das war gut so. Denn wir feiern uns eh viel zu selten. Seltener als andere Branchen. Aber das ist mal ein Thema für eine andere Kolumne … 

Und jetzt soll die Party zu Ende sein? Vielleicht. Auch damit werden wir umgehen. Nur Mut.

Kletterer in Beirut (Bild: picture alliance / abaca | AA/ABACA) 

Weiter machen, weiterwachsen, verändern und aus Schwierigkeiten etwas Gutes machen, wie der Kletterer an einer von Einschusslöchern übersäten Wand in Beirut. (Bild: picture alliance / abaca | AA/ABACA) 

Wie wollen wir morgen leben? 

#ZwischenFreiheiten – so heißt die aktuelle Ausgabe unseres #Werteindex Update. Inklusive sieben Manifestationen, was Freiheit für die Menschen heute ist. Freiheit ist nicht nur ein hohes gesellschaftliches Gut, sondern vor allem auch Ausdruck einer hyper-individualisierten Welt mit allen Möglichkeiten. Für die Einen – insbesondere wo es knapp ist, ist es der tiefe Wunsch nach einem sorgenfreieren Leben. Oder das Bedürfnis nach einer Zukunftsperspektive. Für die anderen ist es die voranschreitende Ent-Stigmatisierung von Themen in vielen Lebensbereichen, angefangen bei der sexuellen Entfaltung bis hin zu psychischen Erkrankungen, über die man früher nie gesprochen hätte.  

Freiheit ist aber auch die Möglichkeit des Perspektivwechsels. Wie wollen wir morgen leben? Wie wollen wir uns neu erfinden? Freiheit ist das, was wir draus machen. Als Einzelner, in Gemeinschaft und letztlich auch wir als Branche.

Den ganzen Teller wegschmeißen 

Unsere Branche hat sich in den letzten Jahren diversifiziert. Die großen Institute haben sich neu erfinden müssen und neue Anbieter haben sich am Markt etabliert. Diese neuen Angebote und auch der damit verbundene Wettbewerb sind wichtig. Genauso wie der Meinungs- und Richtungsstreit innerhalb unserer Branche. Nur so bleiben wir lebendig und damit auch relevant.  

Ich bin in diesem Jahr oft kritisiert und auch falsch verstanden worden. „Überschreitet die selbstgesteckten Grenzen“ – da geht es nicht um das Trennungsgebot, sondern die Notwendigkeit, die eigene Komfortzone zu verlassen. Und über Tellerränder zu schauen oder noch besser – gleich den ganzen Teller wegzuschmeißen, wie es Michael Schütz noch diese Woche hier auf einen Beitrag von Michael Pussler forderte. Ich mag das Bild …. 

Die damit gewonnenen Freiheiten, Marktforschung weiter zu denken; in Strategie, Kreation, Vertrieb und Innovationen sind wahrlich groß, brauchen aber auch andere Skillsets und neue Kooperationen. Und auch die Offenheit der einschlägigen Verbände. 

Es braucht Innovationen, aber auch gegenseitige Wertschätzung 

Auch auf Seite der Unternehmen ist in diesem Jahr viel passiert – stellvertretend nur zwei Beispiele. Bei der Rügenwalder Mühle hat Claudia Kleybold die Marktforschung neu aufgestellt, auf Augenhöhe und mit echtem Impact auf die Strategie des Unternehmens. Es macht Spaß zu sehen, dass es auch anders geht. Und auch bei Rewe will CMO Clemens Bauer der Marktforschung ein neues Profil geben. Verbunden mit dem Schrei nach neuen Methoden, innovativ und andersdenkenden Marktforschenden. 

Dafür braucht es aber auch eine andere Kultur der Wertschätzung. Auch da ist noch Luft nach oben, wie die jüngsten Diskussionen auf LinkedIn zeigen. Aber der Weg ist richtig.  

Konsolidierung ist angesagt 

Und auch die letzten Meldungen zum Jahresende lassen schon die oder den ein oder anderen dazu verleiten, den Abgesang der DIY-Forschung einzuläuten. Dazu wird es aber nicht kommen, auch wenn es die oder der ein oder andere hoffen mag. Wir alle werden uns an der ein oder anderen Stelle konsolidieren müssen. 

Wir alle haben die Chance, das kommende Jahr zu überstehen – manche besser, manche mit mehr Herausforderungen. Wir werden daran weiter wachsen und weiterwachsen, wenn wir unsere Freiheiten und Möglichkeiten nutzen. So nicht nur meine Hoffnung für das kommende Jahr, sondern das Ergebnis der Studie „Erfolgsfaktor Kreativität“ mit fünf Handlungsempfehlungen für mehr wirtschaftlichen Erfolg durch mehr Kreativität. Eine dieser Empfehlungen – 

„Schmort nicht nur im eigenen Saft“. Für frische Ideen brauchen Teams und Unternehmen kreative Impulse von Außen.“

Auch darüber kann man natürlich streiten. Gerne. Ab Januar 2023 wieder. Mit Leidenschaft.  

Alles Liebe!

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Über die Person

Jens Krüger ist seit 2019 CEO von Bonsai Research. Der Consumer-Experte war zuvor über zehn Jahre Geschäftsführer bei Kantar/TNS Infratest. Der studierte Soziologe und Sozialpsychologe engagiert sich in mehreren Beiräten (u. a. im Zukunftsforum und dem VKE-Kosmetikverband), ist Speaker und Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen gesellschaftlicher Wandel, Consumer-Trends, Ernährung und Handel der Zukunft.

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