Stimmungsbild in der Marktforschung – August 2020 Die Marktforschungsbranche müsste boomen. Tut sie das?

Die Welt ist nicht mehr die gleiche seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Das sagen nicht nur zahlreiche Studien, sondern wir erleben das im tagtäglichen Miteinander. Das sogenannte "New Normal" ist noch lange nicht normal geworden. Die einfache Rückkehr zum "Vorher" scheint ausgeschlossen. Auch, wenn viele Dinge wieder möglich sind, die im Lockdown noch ausgeschlossen waren.
Eine solche Situation führt zu Unsicherheit. Auch bei Unternehmen, die bislang glaubten, ihre Kunden gut zu kennen. Der Bedarf nach Erkenntnissen zur veränderten Lage müsste zwangsläufig zu einer hohen Nachfrage nach neuen Einblicken in die Seele des Konsumenten führen. Aber kommt diese Nachfrage auch bei den Marktforschungsinstituten und den betrieblichen Marktforschern an?
Wie sieht es aktuell in der Branche aus?
Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, hat marktforschung.de erneut ein Stimmungsbild – in Anlehnung an den Fragebogen des Klima-Index der TH Köln – unter den Abonnenten unseres täglichen Newsletters marktforschung.depesche erhoben.
Die dritte Welle wurde vom Donnerstag, 20. August bis Montag, 24. August, also ca. zweieinhalb Monate nach der letzten Durchführung Mitte Mai, erhoben.
Die Umfrage hat dabei nicht den Anspruch, in der kurzen Feldzeit und der selektiven Auswahlgrundlage repräsentativ für die Branche zu sein. Aber der Vergleich zu den bisherigen Erhebungszeitpunkten ist interessant. Insgesamt haben mit 401 Personen – trotz der Sommerzeit; in einigen Bundesländern ist auch noch Ferienzeit – fast ebenso viele Personen wie im Mai (411) auswertbar an der Umfrage teilgenommen. Inwieweit sich die Sommerzeit, die klassischerweise keine Zeit der hohen Auslastung bei Instituten ist, in den Ergebnissen widerspiegelt, kann nur gemutmaßt werden.
Im Fokus der Analyse stehen folgende Gruppen:
- Institutsmarktforscher: n=193
- Betriebliche Marktforscher: n=85
Die weiteren Teilnehmer*innen haben sich selbst u. a. folgenden Kategorien zugeordnet: Freelancer/Selbständige, Felddienstleister, Unternehmensberater, Marketing-Mitarbeiter.
Wie ist die Stimmung in der Branche?
Die Stimmung ist nach wie vor durchwachsen, aber der Trend ist positiv: Der Mittelwert über alle Befragten liegt im August bei 2,81 (5er Skala von 1=sehr schlecht, 5=sehr gut) und damit besser als im Mai (2,64) und im März (2,51). Der Vorkrisen-Wert von 3,06 wird aber noch nicht wieder erreicht.
Auch im August ist der Blick der betrieblichen Forscher positiver als der von Institutsmarktforschern (2,94 im Vergleich zu 2,73). 27 Prozent der betrieblichen Marktforscher schätzen die Stimmung bereits gut ein. Bei den Instituten sind es lediglich 19 Prozent.
Bei der Auftragssituation gibt es nur geringe Veränderungen. Die Tendenz ist positiv, die Veränderungen minimal: 34 Prozent der Institute sind mit der Auftragslage zufrieden (Mai: 33), 39 Prozent unzufrieden (Mai: 42). Tendenziell gibt es auch bei den Freelancern/Selbstständigen positive Bewegungen.
Wie ist die Auslastung in der Branche?
Fast unverändert ist das Bild bzgl. der Auslastung in der Branche: die betrieblichen Forscher fühlen sich besser ausgelastet als die Institutskollegen. Die Veränderungen sind aber minimal im Vergleich zu den Vorwellen. Noch immer sind 30 Prozent der Institutsmarktforscher nicht ausgelastet, bei den betrieblichen Forscher nur 17 Prozent. Überlastet fühlen sich dagegen 24 Prozent auf Institutsseite und 29 Prozent in den Betrieben.
Wie sind die Reaktionen auf die Krise?
45 Prozent der befragten Institutsmarktforscher geben an, dass ihr Institut Unterstützung von Bund und/oder Ländern erhalten habe. Etwas geringer fällt der Anteil bei Freelancern aus.
Mittlerweile haben 75 Prozent der befragten Institutsmarktforscher Kurzarbeit entweder selbst oder bei ihren Kollegen erlebt. Bei den betrieblichen Forschern sind dies mittlerweile auch schon 44 Prozent (Mai noch 32).
Wie ist der Ausblick auf die nächsten sechs Monate?
52 Prozent der Institutsmarktforscher sind optimistisch, dass die Auftragslage besser wird. Das waren im Mai nur 47 Prozent. Es könnte tatsächlich mehr bei den Instituten ankommen, da die DIY-Tendenz in den Betrieben etwas rückläufig ist: Gingen im Mai noch 54 Prozent der betrieblichen Marktforscher davon aus, mehr Projekte ohne externe Unterstützung durchzuführen, sind dies im August nur noch 47 Prozent.
Etwas positiver wird auch die Frage nach der langfristigen Bedeutung der Marktforschungsbranche beantwortet: 41 Prozent (Mai: 38) der Institutsmarktforscher und 53 Prozent (Mai: 51) der betrieblichen Marktforscher glauben an eine steigende Relevanz der Marktforschung.
51 Prozent der betrieblichen Forscher erleben eine steigende Nachfrage nach Marktforschungsdienstleistungen aus anderen Abteilungen. Das ist praktisch unverändert im Vergleich zur Mai-Welle.
Bzgl. der zukünftigen Bedeutung der unterschiedlichen Erhebungsmethoden zeigt sich ein erwartbarer Trend. Die Befragten gehen weiterhin davon aus, dass die Bedeutung von Online-, Mobile- und Social-Media-Erhebungen zunehmen wird, wohingegen die Bedeutung klassischer Offline-Verfahren abnimmt.
Fazit: Es wird wieder besser, aber boomen tut es (noch) nicht
Noch immer ist die Stimmung in der Marktforschungsbranche gedämpft. Aber der Trend bleibt positiv. Zum zweiten Mal in Folge steigt die Stimmung an. Viele Institute schauen wieder positiver in die Zukunft, auch wenn etliche Mitarbeiter noch in Kurzarbeit sind.
Die Nachfrage nach Insights zum "New Normal", die auch zu einem Aufschwung der Institute führen könnte, bleibt verhalten. Die Marktforschungsbranche ist (noch) kein Krisengewinner, auch wenn Unternehmen dringend Erkenntnisse darüber bräuchten, wie sie ihre Kunden besser bedienen und erreichen können.
hg
Erhebungsmethode | Anonyme Online-Befragung |
Befragte Zielgruppe | Personen, die die marktforschung.depesche abonniert haben |
Stichprobengröße | 401 |
Feldzeit | 18.-24. August 2020 |
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