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- "Die Marktforschung wird in ihrem Methoden- und Beratungsspektrum zunehmend kreativ"
Dirk Wieseke (KERNWERT), Thomas Donath (NORDLIGHT) & Dr. Holger Liljeberg (INFO GmbH) "Die Marktforschung wird in ihrem Methoden- und Beratungsspektrum zunehmend kreativ"

„Digitale Events sind nur ein vorübergehender Hype“ - wie stehen Sie zu der Aussage?
Dr. Holger Liljeberg: Hoffentlich nicht. Die Digitalisierung trägt zur nachhaltigen Ressourcenschonung sowohl von Mensch als auch Umwelt bei. Trotzdem wäre es schön, sich künftig zusätzlich auch wieder häufiger persönlich zu begegnen und auszutauschen. Es ist wie so oft: die Mischung macht´s.
Thomas Donath: Die Aussage halte ich für falsch. Wir nehmen eine Renaissance der Vorträge dank Web-Konferenzen wahr. Wer wenig Zeit, Lust und Budget zum Reisen hat, kann halt online vorbeischauen. Das wird zwar nicht den persönlichen Kontakt vollends verdrängen, aber ist eine prima Alternative für viele.
Dirk Wieseke: Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Events werden auch digital bleiben, als zusätzliches Format. Es wird zukünftig verschiedene Arten von Events geben, analog, digital und auch hybrid, jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Sicher fehlt digitalen Events der direkte, persönliche Austausch, allerdings steigt auf der anderen Seite auch die Reichweite.
Wir sehen das z. B. auch an Formaten in unserer Branche, vom BVM-Regionalabend, der überregional geworden ist, bis zur WdM.
Sie sind nicht nur Sponsor der WdM, sondern tragen als Veranstalter auch selbst zum WdM-Programm bei. Auf was können sich die Zuschauenden freuen?
Dirk Wieseke: Wir werden im Webseminar am Donnerstag darüber sprechen, wie man mit Research Communities zielgerichtet und erfolgreich forschen kann und worauf es dabei ankommt. Hier teilen wir unsere langjährigen Erfahrungen in diesem Bereich. Am Nachmittag stellen wir unsere Software für digitale qualitative Forschung im Pitch näher vor.
Dr. Holger Liljeberg: Ich werde in meinem Vortrag zwei spannende Studien mit deren Methodik vorstellen, die auf andere Weise nicht durchführbar gewesen wären. Beleuchtet werden zwei ganz unterschiedliche Themenfelder: Eltern von Kindern mit einer Behinderung und ukrainische Geflüchtete.
Thomas Donath: Wir haben zwei sehr unterschiedliche Vorträge. In „VR, AR, Metaverse: Ist 2D und live doch besser?“ werfen wir einen Blick auf die Revolution, die schon lange auf sich warten lässt. Der Vortrag ist sicherlich für „Techies“ interessant, aber auch für die, die neue Kommunikations- und Interaktionsformen im Blick halten möchten. Der andere Vortrag „Experimentieren geht über Spekulieren: Experimentelle Variation in Konzepttests“ erläutert einfach und praxisnah, wie man mit dem klassischen Experiment durch gezielte Variation von Testmaterialien Klarheit schafft.
Warum sollte man Ihr Event auf der WdM nicht verpassen?
Dirk Wieseke: Research Communities sind zwar keine ganz neue Methode mehr, aber unglaublich vielfältig einsetzbar und als direkter Kanal zu Zielgruppen für viele Unternehmen inzwischen sehr wertvoll. Außerdem gibt es immer wieder innovative Ansätze und neue Technologien, die in Communities eingesetzt werden können, von Eyetracking bis zu spannenden Live-Formaten. Es gibt also auch bei dieser bewährten Methode immer wieder Neues zu entdecken.
Thomas Donath: Die Vorträge sind freilich speziell und dürfen gerne verpasst werden, wenn einen die Themen nicht interessieren. Wer aber up-to-date bei VR in Deutschland sein möchte oder als Marktforscher nicht beim Experiment sofort ruft „kenne ich schon“, sollte vorbeischauen.
Dr. Holger Liljeberg: Ich zeige zwei Arten von Methodenmix auf, die auf zahlreiche andere Anwendungsfelder übertragen werden können – vor allem, wenn es um extrem spitze und/oder sehr sensible Zielgruppen geht.
So langsam gibt es Licht am Ende des Tunnels, die Pandemie schleicht sich aus. Was hat sich in Ihrem Institut in den letzten zwei Jahren getan? Wie sieht das „New Normal“ aus?
Thomas Donath: Ganz kurz: Mehr Home-Office und MS Teams.
Dirk Wieseke: Zum Glück waren wir strukturell schon vor der Pandemie gut vorbereitet und hatten alle notwendigen Tools bereits im Einsatz. Daher hat die Umstellung auf Homeoffice sehr gut geklappt. In Zukunft werden wir zwar regelmäßige Präsenztage haben, aber auch Homeoffice beibehalten. Das ist übrigens der Wunsch aller Mitarbeitenden und wir versuchen da eine möglichst gute Balance hinzubekommen.
Dr. Holger Liljeberg: Wir haben inzwischen fast alle Prozesse einschließlich unserer Kommunikation soweit digitalisiert, dass der Schreibtisch vor Ort für unsere Mitarbeitenden eigentlich nur noch als Zufluchtsort wirklich notwendig ist, wenn sie einmal Pause von zu Hause brauchen – oder aber der firmeninterne Massage-Termin ansteht. Und trotzdem ist die Freude groß, wenn man sich in unseren Unternehmensräumen auch wieder ab und zu in größerer Runde persönlich begegnet.
Was ist für Sie der Top-Trend aktuell in der Marktforschung?
Dr. Holger Liljeberg: Dass unsere Kunden mit ihren Informationsbedürfnissen zunehmend wieder im Mittelpunkt stehen und die Tool-Mentalität immer mehr abnimmt. Die Marktforschung wird auch in ihrem Methoden- und Beratungsspektrum zunehmend kreativ und damit auch ernstgenommen. Aber das darf eben nicht dazu verleiten, Grundsätze der wissenschaftlichen Arbeit einfach über Bord zu werfen - damit würden wir den Ast absägen, auf dem unsere Branche begründet ist.
Dirk Wieseke:
Automatisierung und der Einsatz von KI-gestützten Technologien.
Das betrifft nicht nur die quantitative Forschung, sondern auch die qualitative Forschung, die naturgemäß wenig standardisiert ist, sondern offen Fragen erforscht. Für uns als Softwareanbieter für qualitative Forschung bedeutet das, automatisierte Prozesse im Hintergrund zu entwickeln und zu integrieren und so die alltägliche Arbeit unserer Kundinnen und Kunden zu vereinfachen.
Thomas Donath: Die Frage kann man nicht kurz beantworten. Ich denke wir erleben die fortgesetzte Aufspaltung in Marktforschung als Commodity, die Zahlen möglichst schnell und günstig liefern muss, und Marktforschung als verstehende Forschung, die sich tiefer und iterativ mit Frage beschäftigt.
Spezifische Fragen an NORDLIGHT
In Ihrem Web-Seminar am 17. Mai wird es um den digitalen Megatrend der Realitätserweiterung gehen. Wieso sind die aus den Science-Fiction-Filmen bekannten virtuellen Welten noch nicht in unserem Alltag angekommen, wenn doch alle technischen Voraussetzungen erfüllt sind? Ist das nur in Deutschland so oder auch in anderen Ländern?
Thomas Donath: VR ist global nicht wie erwartet durchgestartet. Offensichtlich werden die Mehrwerte der Unterhaltung noch immer zu gering wahrgenommen, als dass man die technischen Hürden nimmt. Die Cybersickness bzw. VR-Übelkeit hilft natürlich auch nicht.
Wie bewerten Sie die Vision, die Facebook mit dem Metaverse entworfen hat?
Thomas Donath: Ein Stückweit alter Wein in neuen Schläuchen. Ich habe noch studiert in den 90ern, wo man davon schon träumte. Aber schauen wir mal, ob über die enorme Reichweite vom Facebook doch noch ein Schuh draus wird. Die Plattformeffekte im gelungenen Vertrieb und der Etablierung von neuen Technologien sind nie zu unterschätzen.
Welche Bedenken sind bezüglich der Virtual Reality verantwortlich für die geringe Etablierung in unserem Alltag? Was wären die Hebel, damit VR in Deutschland mehr durch die Decke geht?
Thomas Donath:
Für High-End-VR mit Bewegung im Raum und Controllern müssten die Preise eigentlich noch weiter runter für den Mainstream.
Es würde auch helfen, wenn es in jedem Elektronikfachgeschäft einfache Möglichkeiten zum Ausprobieren gäbe. Ein noch sehr zartes Pflänzchen sind Kultur-Events, VR-gestreamt, was auch Gruppen jenseits der Gamer erschließen würde. Aktuell scheint uns das Potenzial begrenzt auf nur ein Teil der Gamer-Gruppe, also Konsolen- und PC-Gamer, die auch schon einmal hohe drei- bis niedrige vierstellige Beträge für ihr Hobby ausgeben. Wir behalten die Entwicklung aber weiter im Auge!
Spezifische Fragen an KERNWERT
Was macht Research Communities als Forschungsmethode so attraktiv? Und was hat sich auf dem Bereich während der letzten zwei Jahre getan? Irgendwelche grundlegenden Veränderungen/Errungenschaften?
Dirk Wieseke: Kaum eine Forschungsmethode ist so flexibel und bietet so vielfältige Erhebungstools wie Research Communities - ob kurzfristig für ein Thema, als agiles projektbegleitendes Instrument oder langfristig für einen dauerhaften Kundendialog. In den letzten zwei Jahren haben viele Unternehmen diese Methode für sich entdeckt. Wie in der gesamten Arbeitswelt, haben sich auch in Communities videobasierte Formate etabliert. Das war vor der Pandemie eher ein Randthema. Damit verbunden gab es natürlich auch technologische Fortschritte, z.B. die automatische Transkription von Webmeetings und Video- und Audiobeiträgen.
Stehen Research Communities nicht in starker Konkurrenz zu Social Media Communities wie Facebook und Twitter, wenn es um die Aufmerksamkeit und Teilnahmebereitschaft der Probanden geht? Was müssen Research Communities gewährleisten, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen?
Dirk Wieseke: Ich denke das sind ganz unterschiedliche Ansätze. In Research Communities suchen Menschen nicht nach Unterhaltung, sie verstehen das eher als ein Engagement, weniger als Zeitvertreib. Das bedeutet eine Research Community muss gar nicht permanent bespielt werden, es kann durchaus Pausen geben. Wichtiger sind relevante und spannende Research-Projekte, bei denen sich die Kunden einbringen können. Zentral ist, dass man die Teilnehmenden wirklich ernst nimmt. Wenn Kunden das Gefühl haben, dass ihnen zugehört wird und dass sie mitgestalten können, kann das sehr motivierend sein.
Zu sehen, dass eigene Ideen umgesetzt werden und man etwas bewirken kann, sind Erfahrungen, die trotz aller Customer Centricity recht selten sind.
Das ist für viele Kunden ein überzeugendes Argument, um sich in einer Community zu engagieren.
Welche Rolle übernimmt der/die Marktforschende in Research Communities?
Dirk Wieseke: Eine sehr vielfältige Rolle mit einem breiten Aufgabenspektrum, in der Praxis teilen sich das oft mehrere Personen auf: Sie konzipieren die Aufgaben, haben die Forschungsfragen im Blick, sind Ansprechpersonen für die Mitglieder, moderieren und sorgen am Ende auch dafür, dass aus Antworten Erkenntnisse werden und diese ins Unternehmen getragen werden.
An welches Projekt mit einer Research Community erinnern Sie sich besonders gerne zurück und warum?
Dirk Wieseke: Wir betreuen sowohl kurzfristige als auch langfristige Communities zu ganz verschiedenen Themen und mit sehr unterschiedlichen Zielgruppen. Schön sind natürlich immer Projekte, zu neuen oder etwas ausgefalleneren Themen, oder Projekte, in denen Kunden auch mal etwas ausprobieren. Hier fällt mir eine Community mit Landwirten ein, in der es darum ging, den Einsatz von Software in diesem Bereich besser zu verstehen. Es hat mich wirklich überrascht, wie innovativ Landwirtschaft mittlerweile ist. Das bekommt man als Außenstehender ja wenig mit.
Spezifische Fragen an die INFO GmbH
Repräsentative Daten durch River-Sampling zu erhalten, ist bekannterweise kaum möglich. Setzen Sie deshalb auf Mixed-Mode-Designs? Ist River-Sampling “nur” als Ergänzung sinnvoll?
Dr. Holger Liljeberg: River Sampling kann für sich genommen qua definitionem keine repräsentativen Ergebnisse liefern, weil es kein echtes Auswahlverfahren und keine aktive Ansprache gibt. Dennoch kann man mit River Sampling sehr gut, schnell und kostengünstig interessierte Menschen aus fast allen Zielgruppen erreichen, die auch jenseits der Repräsentativität wichtige Insights liefern können. Zur Einordnung dieser Ergebnisse sind jedoch Repräsentativansätze unumgänglich.
Mit welcher anderen Methode haben Sie zuletzt – vielleicht in aktuellen Studien – das River-Sampling kombiniert? Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig?
Dr. Holger Liljeberg: Zuletzt waren es eine Onlinebefragung aus mehreren Panels und eine CAPI-Befragung vor Ort. Allerdings sind die Panelpotenziale bei Inzidenzen unter einem Prozent sehr schnell ausgereizt und manche Zielgruppen dort gar nicht erreichbar, persönliche Befragungen sind recht teuer und dauern zudem sehr lange.
Es geht also im Grunde um die Abbildbarkeit ganz bestimmter Zielgruppen, die auf anderen Wegen schwer oder gar nicht befragt werden können.
NICHT geeignet ist diese Methode hingegen als Alternative zu herkömmlichen Auswahlverfahren, um vermeintlich repräsentative Daten in Echtzeit zu generieren.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich mit River-Sampling zu beschäftigen? Die Methode ist ja etwas in der Versenkung verschwunden.
Dr. Holger Liljeberg: Ja, das ist richtig. Auch wenn dieses Verfahren von manchem Anbieter in letzter Zeit teilweise aufgewärmt und als wissenschaftlicher Durchbruch deklariert wurde, ist die Methode an sich schon recht alt. Manche erinnern sich vielleicht noch an verschiedenste TED-Umfragen auf Videotextseiten. Einige Parallelen gibt es zudem auch zum sogenannten Schneeballverfahren – durchaus anerkannt für die Generierung von Stichproben aus sehr spitzen Zielgruppen. Wir selbst haben dieses Verfahren in den letzten 30 Jahren immer mal wieder für die Probanden-Rekrutierung für qualitative Projekte genutzt. Die zunehmende Vernetzung verschiedenster Zielgruppen offline und online eröffnet jetzt völlig neue Möglichkeiten – sei es über Special-Interest-Websites, Social- Media-Kanäle oder Plattformen für bestimmte Zielgruppen.
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