Michaela Beckenbach, Qualtrics "Die Marktforschung muss von ihrem Elfenbeinturm herunterkommen."

Qualtrics bietet seinen Kunden maßgeschneiderte Lösungen und Know-How rund um Customer-Experience und Experience Management. Wir haben Senior Manager Research Services Michaela Beckenbach gefragt, wo sie die Grenzen und Möglichkeiten in der Marktforschung sieht, welche Berührungspunkte sie mit dem Bereich Data Science wahrnimmt und welche Rolle die Verbände ihrer Meinung nach in der Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen spielen.

marktforschung.de: Frau Beckenbach, wenn Sie auf einer Party jemand nach Ihrem Beruf fragt: Wie stellen Sie sich vor?

Michaela Beckenbach: Ich arbeite seit mehr als 25 Jahren in der Marktforschung mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf Auftraggeber- und Institutsseite. Ich berate meine Kunden zum passenden Forschungsansatz und wie sie ihre Ziele erreichen können, wenn es um Themen wie Markenwahrnehmung, Kundenzufriedenheit und Konzepttests geht.

Um den Markenauftritt zu verbessern, werden Kunden zu ihrer Wahrnehmung der Marke befragt: Welche Begriffe oder Aussagen assoziieren sie mit der Marke? An welchen Stellen muss nachgebessert werden, weil die Marke im Wettbewerbsvergleich schlechter abschneidet? Diese Fragestellungen werden in einem Marktforschungsprojekt bearbeitet und die Antworten der Kunden analysiert. Besonders stimulierend und herausfordernd empfinde ich die kniffligeren Fragestellungen, bei denen ich aus meinem Erfahrungsschatz schöpfen kann. Aktuell beschäftige ich mich damit, wie sich die Kommentare in den sozialen Medien mit den Antworten aus Interviews verknüpfen lassen. Ich finde es spannend zu analysieren, wie man durch die Verbindung dieser beiden Datenquellen zu einem besseren Verständnis der Kundenperspektive kommen kann.

Wie stellen Sie jemand Fremdes Ihr Unternehmen vor?

Qualtrics ist ein Anbieter von Customer-Experience-Lösungen und hat die Kategorie Experience Management (XM) erschaffen. Wir bieten maßgeschneiderte Marktforschungstools für global agierende Firmen, akademische Einrichtungen und staatliche Stellen. Mit unseren Lösungen können Unternehmen schnell und problemlos auf einer uniformen Plattform Kunden-, Mitarbeiter- und Markteinsichten erfassen, analysieren und in ansprechenden Dashboards aufbereiten. Diese Einsichten helfen unseren Kunden dabei, datenbasierte Entscheidungen zu treffen.

Welche Bereiche und Disziplinen gehören für Sie zur Marktforschung? Wo ziehen Sie Grenzen?

Alles, was dazu dient, Kunden zu verstehen und Fragen von Unternehmen zu beantworten, hilft. Dafür ziehe ich die unterschiedlichsten Datenquellen, Erhebungsmethoden und Analyseverfahren in Betracht. Deshalb ist es für mich wichtig, mich mit anderen Disziplinen auszutauschen und nicht vorab Grenzen zu ziehen. Im Umgang mit unstrukturiertem Kundenfeedback verfolge ich beispielsweise mit Interesse Entwicklungen im Bereich Text Mining.

Wie ist es konkret mit den Bereichen UX- und CX-Forschung? Gehört das für Sie zur Marktforschungsbranche? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

User und Customer Experience waren schon immer Gegenstand der Marktforschung und sind es auch heute noch. Eine zunehmende Spezialisierung im Markt hat dazu geführt, dass eigenständige Fachbereiche mit den Namen UX und CX geschaffen wurden. Diese umfassen auch nachgelagerte unternehmensinterne Prozesse und enden nicht mit der Erhebung und Analyse von Marktforschungsdaten.

Wie ist es konkret mit dem Bereich Data Science? Gehört das für Sie zur Marktforschungsbranche? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

Beide Disziplinen haben viele Berührungspunkte und sollten aus meiner Sicht enger zusammenarbeiten. Ich habe in der Vergangenheit viel gelernt, wenn Marktforschungsfragestellungen gemeinsam mit Data Scientists bearbeitet wurden.

Als Beispiel führe ich die systematische und automatisierte Verarbeitung großer Mengen unstrukturierter Daten in Form von Kundenfeedback an. Dieser Datenschatz konnte durch die Kooperation beider Disziplinen gehoben werden und führte zu einem besseren Verständnis von Kundenanliegen.

Wenn Sie in die Zukunft schauen: Sollte die Marktforschungsbranche benachbarte Disziplinen "umarmen" oder besser auf Abstand halten?

Wie bei vielen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist nicht ein "Entweder oder"-, sondern vielmehr ein "Sowohl als auch"-Ansatz gefragt. Es gibt eben nicht das berühmte Einhorn, das in allen Technologien und Verfahren gleichermaßen zu Hause ist und alle Fragen zum menschlichen Handeln vollumfänglich beantworten kann. Auf Abstand zu gehen, wäre eher kontraproduktiv. Das Erfolgsgeheimnis liegt in der Synergie, die durch die Zusammenarbeit im Team mit unterschiedlichen Kernkompetenzen entsteht. Um sich selbst immer wieder neu zu erfinden und weiterzudenken, muss die Marktforschung offen für Neuentwicklungen sein und den Dialog mit anderen Disziplinen suchen. Getreu dem Motto: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Welche Rolle kommt Ihrer Meinung nach dabei den Verbänden der unterschiedlichen Disziplinen zu? Für die Marktforschung wären das Verbände wie Esomar, ADM, DGOF oder BVM. Sollten die Marktforschungsverbände auf benachbarte Disziplinen zugehen?

Ich würde es sehr begrüßen, wenn man mehr über konkrete Projekte erfahren würde, bei denen benachbarte Disziplinen gemeinsam als Team zur Lösung eines Businessproblems beigetragen haben. Das wäre doch mal einen Preis wert, den die Verbände gemeinsam für ein spannendes Projekt ausloben könnten.

Inwieweit wird sich die Marktforschungsbranche ihrer Meinung nach verändern müssen?

Die Marktforschung muss noch viel stärker von ihrem Elfenbeinturm herunterkommen. Wir Marktforscher müssen die Unternehmen dabei unterstützen, dass Daten und deren Ergebnisse schneller für die Fachbereiche zur Verfügung stehen. Eine agile Arbeitsweise erschöpft sich nicht darin, dass ein Projekt schneller durchgeführt wird, sondern dass Unternehmen durch iterative Tests auf Kundenbedürfnisse, beispielsweise bei der Produktentwicklung, agil reagieren. Dieses Feedback muss in der Roadmap Berücksichtigung finden. Dazu muss nicht jeder gleich zum Data Scientist werden. Wenn aber die interne Kompetenz im geschickten Umgang mit Daten und deren Interpretation durch entsprechende Tools und Technologien unterstützt wird, kommen wir dem Ziel der Transformation zum kundenzentrierten Unternehmen ein gutes Stück näher.

Das Interview führte Gessica Uerling

Fragen an Michaela Beckenbach

Michaela Beckenbach ist Senior Manager Research Services bei Qualtrics. Sie verfügt über umfassende Erfahrungen aus der Marktforschungsbranche. In mehr als 20 Jahren hat sie sowohl bei namhaften Instituten als auch auf der Seite der Auftraggeber gearbeitet. Mit dem Fokus auf Kundenzufriedenheit, Customer Experience und Branding hat sie Befragungsprogramme entwickelt und deren Implementierung betreut. Michaela steht für Kunden der DACH-Region als Ansprechpartnerin für Research-Serviceleistungen zur Verfügung.

Wie sind Sie in Ihrem jetzigen Beruf gelandet? Mich hat besonders gefesselt, wie und auf welcher Basis Menschen Entscheidungen treffen. Um das zu verstehen und einordnen zu können, benötigen wir die Methoden der empirischen Sozialforschung. Dieser wissenschaftliche Ansatz hat mich bereits im Grundstudium zur Markt- und Meinungsforschung geführt. Mein leidenschaftliches Interesse gilt der kontinuierlichen Verbesserung der Marktforschung – insbesondere mit Blick auf benachbarte Disziplinen wie Data Science. Bei Qualtrics kann ich meine gesamte Erfahrung nutzen und in Kundenprojekten demonstrieren, inwieweit Technologie den systematischen Umgang mit Kundenfeedback beschleunigen und datenbasierte Unternehmensentscheidungen ermöglichen kann.
Sind Sie gerne geschäftlich unterwegs? Oder verbringen Sie lieber Zeit im Büro? Ich denke, die Mischung macht’s. Nicht nur in Zeiten von Corona haben wir gelernt, dass sich manche Dienstreisen sehr gut online bewerkstelligen lassen, vor allem wenn das Team auf Kundenseite verstreut arbeitet. Da wird eine zunehmende Umorientierung stattfinden. Der direkte Dialog mit dem Kunden über die Businessfragen ist aber auf jeden Fall für den Erfolg des Projekts unerlässlich. Für die Ausarbeitung eines überzeugenden Konzeptes braucht man aber auch die Zeit in einer ruhigen Büroatmosphäre. Beide Szenarien spielen also eine wichtige Rolle im Forschungsprozess.
Mit wem würden Sie gerne einmal zusammen Mittagessen? Qualtrics gehört seit einiger Zeit zur SAP-Familie. Wenn es die Situation erlauben würde, dann würde ich gerne mit Christian Klein, unserem nun allein verantwortlichen CEO für SAP Mittagessen. In einem „Meet the CEO“ möchte ich gerne mehr über seine Sicht und Strategie für unser gemeinsames Business hören und würde mich über den Austausch zu „Diversity and Inclusion“ freuen – ein Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt.
Gibt es ein Buch oder einen Film, der Sie verändert hat? Welcher/s und warum? Es gibt viele Ereignisse nicht nur in Form von Büchern oder Filmen, die mich persönlich geprägt haben. Das wird bei jedem sehr ähnlich sein. Was ich aber demnächst lesen möchte, ist das Buch von Ranga Yogeshwar: „Nächste Ausfahrt Zukunft: Geschichten aus einer Welt im Wandel“. Ich bin immer wieder fasziniert davon, mit welcher Leichtigkeit dieser Wissenschaftsjournalist komplexe Themen einfach verständlich präsentiert. In diesem Buch greift er die digitale Revolution, Fortschritte in der Gentechnik und die neuesten Entwicklungen bei künstlicher Intelligenz auf und beleuchtet deren Chancen und Risiken.
Wie verbringen Sie am liebsten Ihren Sonntag? Mit viel Lesen! Und auch damit, die Seele aufzutanken. Das kann zu zweit in der Natur oder im Gespräch mit der Familie und Freunden sein. Gerne auch bei einem guten Glas Rotwein.
 

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