Bettina Klumpe, ADM "Die Marktforschung könnte durch Schwierigkeiten in anderen Branchen mittelbar von der Krise betroffen sein."

Bettina Klumpe, ADM
marktforschung.de: Wurden Sie von Ihren Mitgliedern bereits wegen des Corona-Virus kontaktiert?
Bettina Klumpe: Zwei Mitgliedsinstitute haben uns in der vergangenen Woche kontaktiert. Es ging um einen allgemeinen Austausch zu Corona. Wir sind der Meinung, dass das Thema Hygiene und Desinfektion in den Instituten zum regulären Arbeitsalltag gehört. Dennoch haben wir in der vergangenen Woche unsere Mitglieder angeschrieben und mit allgemeinen Handlungsanweisungen, Hygienehinweise am Arbeitsplatz sowie weiteren Materialien versorgt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stellt hierzu einiges zur Verfügung.
Welche Auswirkungen könnte das Corona-Virus auf die Marktforschungsbranche national und international Ihrer Meinung nach haben?
Schauen wir nach Italien: Dort hat die Regierung das gesamte Land zur Sperrzone erklärt und damit die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Menschen auf das ganze Land ausgeweitet. Ca. 60 Millionen Menschen sind von den Maßnahmen betroffen. Der italienische Leitindex ist abgestürzt. Da ist ein ganzes Land betroffen und alle Branchen. Auch der Dax befindet sich auf Talfahrt. Inwieweit unsere Branche von der Corona Krise betroffen sein wird, darüber kann man nur spekulieren und das sollte man gerade in Zeiten wie diesen unterlassen. Unsere Branche ist mit unterschiedlichsten Industrien verquickt. Deshalb könnte die Marktforschung durch Schwierigkeiten in anderen Branchen mittelbar von der Krise betroffen sein. Daher ist es wichtig, dass die von der großen Koalition beschlossenen Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen, die durch die Corona-Krise in finanzielle Schieflage geraten sind, unbürokratisch und schnell umgesetzt werden. Dazu gehört auch der weitere Abbau von Hürden für den Bezug von Kurzarbeitergeld sowie eine kurzfristige Gewährung von Überbrückungsgeldern zu fairen Konditionen.
Welche Auswirkungen sehen Sie insbesondere für Ihre Mitgliedsunternehmen?
Egal, ob man beim ADM Mitglied ist oder nicht: Auswirkungen - sollte es sie geben - werden sicherlich die gesamte Branche treffen. Aber wir alle sollten uns mit Spekulationen zurückhalten. Besonnenes Abwägen und verantwortungsvolles Handeln in Sachen Hygiene ist sicherlich zu diesem Zeitpunkt der richtige Weg. Die Gesundheit aller liegt uns am Herzen.
Es gibt bereits einige Institute, die mit spezifischen Services und Studien auf die Situation reagieren: Gibt es auch Mitglieder aus ihrem Verband, die ggf. von der jetzigen Situation profitieren könnten?
Es wäre jetzt einfach zu sagen, dass Institute profitieren, die sich auf Erhebungsverfahren spezialisiert haben, bei denen es zu keinem persönlichen Kontakt kommt, also Online-Marktforschung. Aber wenn die Wirtschaft insgesamt für einen längeren Zeitraum sozusagen gesundheitlich am Boden liegt, dann gibt es nur Verlierer, keine Gewinner. Außerdem sind viele, insbesondere qualitative Verfahren durch Online-Erhebungen dauerhaft kaum ersetzbar und die Corona-Welle hoffentlich eher eine Sache von Wochen statt von Monaten.
Erwarten Sie eine Verschiebung von Face-to-Face und Gruppendiskussionen zu anderen Durchführungsformen?
Das könnte ja nur eine Verschiebung hin zu Erhebungsformen sein, bei denen Interviewer bzw. Moderatoren und Befragungsteilnehmer nicht im gleichen Raum sitzen, also hin zu Online-Verfahren. Das kann kurzfristig eine Lösung sein, wenn aus Gründen des objektiven Infektionsschutzes oder subjektiver Bedenken der Verbraucher keine persönliche Befragung möglich ist. Dann gibt es ja keine andere Möglichkeit, aber am Ende des Tages ist die Qualität und Informationstiefe, die man durch persönliche Befragungsformen erhält, durch andere Verfahren nicht zu erreichen.
Sehen Sie heute schon Auswirkungen auf Tagungen / Seminare?
Sie haben selbst über die Verschiebung der GOR 2020, die eigentlich dieser Tage in Berlin stattfinden sollte, berichtet. Der ADM veranstaltet keine Seminare oder Großtagungen. Bei uns geht es eher um die Arbeit in Arbeitsgruppen. Wir haben schon seit einiger Zeit - auch vor dem Hintergrund des Klimaschutzes und der Kosteneffizienz - damit angefangen, nur dann persönliche Treffen zu initiieren, wenn es absolut notwendig ist. Viele Besprechungen der Arbeitsgruppen werden schon heute in Telefon- und Video-Konferenzen abgehalten. Wie es mit unserer Mitgliederversammlung im Mai aussehen wird, bleibt abzuwarten. Wir beobachten die weiteren Entwicklungen und werden in jedem Falle zum Wohle unserer Mitglieder entscheiden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Holger Geißler
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