Interview zur respondi-Studie "Die Luca-App wird als effektiver zur Pandemiebekämpfung wahrgenommen"

Luca-App oder Corona-Warn-App? Wie kommen die beiden digitalen Tools zur Unterstützung der COVID-19-Kontaktverfolgung unter den Deutschen an? In der aktuellen Nutzungsstudie der respondi AG wurden die beiden Apps gegenüber gestellt. Myrto Papoutsi und Holger Nowak von der respondi AG geben spannende Einblicke in die Ergebnisse.

Sie haben eine Studie zur Nutzung von digitalen Tools zur Unterstützung der COVID-19 Kontaktverfolgungen durchgeführt. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse? Können Sie uns einen kurzen Überblick geben? 

Myrto Papoutsi: Ende März haben wir in Kooperation mit der Hertie School in unserem Behavioral Panel die tatsächliche Nutzung verschiedener Contact Tracing Apps erhoben und fast 2.100 Personen zu ihren Einstellungen, im Besonderen auch zu den Tracing-Apps, befragt. Die Studie ist eine Aktualisierung einer ersten Erhebung aus dem Sommer 2020. Wenig überraschend ist, dass sowohl die Corona-Warn-App (CWA) mit 79 Prozent als auch die Luca-App mit 41 Prozent in der Bevölkerung relativ bekannt sind. Weitere Tracing-Apps sind nicht bekannt. Weiterhin erwartungskonform, wird Luca deutlich stärker in den Bundesländern genutzt, in denen es schon früh Lizenzierungen gab. 

Holger Nowak: Spannender ist jedoch, dass durch Luca kaum neue Nutzende gewonnen werden konnten. Zu 70 Prozent sind das die Personen, die auch schon die Corona-Warn-App nutzen. Zudem – und dies gilt für die User beider Apps – sind es eher die Menschen deren Infektionsrisiko ohnehin geringer ist, da sie z.B. weniger Kontakte haben oder sich strenger an die AHA-AL-Regeln halten. 

Myrto Papoutsi: Überspitzt könnte man sagen, dass genau diejenigen die App installiert haben, die sie am wenigsten brauchen. 

Wie reagieren die Deutschen auf die Corona-Warn-App und die Luca-App? 

Holger Nowak: Wenn wir mit ‚reagieren‘ die Nutzung oder Installation meinen, so wird zurzeit verhalten reagiert. Bei der Corona-Warn-App beobachten wir nach einem anfänglichen Anstieg in der Nutzung bis zu 30 Prozent seit Mitte Juli 2020 keine wesentliche Zunahme.  

Myrto Papoutsi: Bei Luca sehen wir seit der verstärkten Berichterstattung Anfang März einen Anstieg bis Anfang April von quasi null auf etwa zehn Prozent. Das ist trotz allem immer noch langsamer als bei der CWA. Im ersten Monat gab es da den Sprung von null auf über 30 Prozent. 

Holger Nowak: Das Alter spielt bei der Nutzung eine große Rolle: Als einziges soziodemographisches Merkmal gibt es hier nennenswerte Unterschiede: Die Älteren nutzen häufiger die Apps, sowohl die Corona-Warn- als auch die Luca-App.

Aber: Die Luca-App wird als effektiver zur Pandemiebekämpfung wahrgenommen.

Die Teilnehmenden sehen die Luca-App im Vergleich zur Corona-Warn-App also als das sinnvollere Tool zur Bekämpfung der Pandemie. Woran liegt das? 

Myrto Papoutsi: Luca wird von den Nutzenden als 'Möglich-Macher-App' gesehen: Der individuelle Nutzen ist sofort ersichtlich; etwas womit die CWA von Anfang an zu kämpfen hatte. 

Holger Nowak: In der Tat hat auch die Lizenzierung dazu beigetragen. Es ist spannend, dass Mecklenburg-Vorpommern als einziges Bundesland eine deutlich höhere Installationsrate unter den 164 Befragten für die Luca-App zeigt. Die Fallzahl für Mecklenburg-Vorpommern wurde vor dem Lizenzierungshintergrund bewusst geboostet. Sie ist zwar immer noch gering, dennoch reden wir hier von einer fünfmal höheren Installationsrate als im Bundesdurchschnitt und zugleich einer um ein Drittel niedrigeren Adaption der CWA. Die Installation wurde hier spürbar positiv sanktioniert, was bei der CWA nicht der Fall war. 

Ihre Studie hat gezeigt, dass die Apps in Deutschland wenig genutzt werden. Was sind die Gründe dafür und was wäre nötig, damit mehr Personen die Apps nutzen?  

Holger Nowak: Bei der CWA ist das Ergebnis ganz eindeutig. 57 Prozent glauben nicht an den Nutzen, im Vergleich nur 21 Prozent bei Luca. Bei Luca ist das Ergebnis insgesamt etwas differenzierter. Als Top-Nennung bei Luca geben ein Drittel an, dass sie sich noch nicht genug informiert fühlen. Anders als erwartbar, sind es gerade die Jüngeren, Digitalaffineren, die keine der Apps nutzen, genau wie die Mobileren und Menschen mit geringerem Vertrauen in die Regierung. Im letzten Sommer haben wir untersucht, wie sich die Installationsrate steigern lässt. Hierzu wurden den Teilnehmenden entweder ein Geld-Incentive oder detaillierte Informationen als Anreiz vorgelegt. Das Ergebnis war eindeutig: Mehr Information führt zu mehr Wissen, aber in unserem Access Panel konnte ein monetäres Incentive die Installationsrate erhöhen. Dabei konnten wir keine signifikanten Unterschiede zwischen 1, 2 und 5 Euro Bonus finden.“ 

Myrto Papoutsi: Heute in der jetzigen Situation gehen wir davon aus, dass der spürbare individuelle Nutzen durch z.B. eine Check-In-Funktionalität für Veranstaltungen/Locations oder einen digitalen Impfpass entscheidend ist. Hier sollten wir nicht vergessen, dass wir im internationalen Vergleich in Deutschland nicht nur eine hohe Bekanntheit, sondern auch eine solide Nutzungsbasis bei der Corona-Warn-App haben.

Nun gab es nach der Studie/Datenerhebung einen medialen Aufschrei von Datenschützern, da die Luca-App eine Reihe von Sicherheitsproblemen aufweist. Inwieweit würde eine erneute Datenerhebung durch diese Situation beeinflusst werden? Ist die aktuelle Studie durch die neue/veränderte Situation „veraltet“? 

Myrto Papoutsi: In der Tat hat sich die Situation auf eine sehr spannende Art und Weise geändert. Auf der einen Seite wird die praktische Anwendbarkeit der Check-In-Funktionalität bei Luca immer greifbarer und auf der anderen Seite werden gerade hier immer neue Sicherheitsprobleme diskutiert.

Holger Nowak: Abgesehen von dem Nutzungsglauben wurden mit je 25 Prozent der Datenschutz bzw. die staatliche Überwachung bei der CWA am häufigsten negativ angemerkt. Dies ist schon eine kontrafaktische Wahrnehmung. Im Gegensatz dazu lässt der offensichtliche praktische Nutzen bei der Luca-App mögliche Datenschutzbedenken in den Hintergrund treten, diese werden nur noch zu 15 Prozent bzw. zehn Prozent (staatliche Überwachung) genannt. 

Myrto Papoutsi: Wie Sie sagen, all diese Ergebnisse sind aber noch vor einer breiten Datenschutzdiskussion erhoben worden und man darf nicht vergessen, dass wir stark unterschiedliche Adaptionsraten hatten, viermal so hoch bei der Corona-Warn-App.  

Zu beobachten, ob der Trend „Nutzen vor Datenschutz“ sich fortsetzt oder aber eine Einstellungsänderung erfolgt, ist so interessant, dass wir gerade die Teilnehmenden der Studie erneut befragen. 

Gerade die kontinuierlich gemessenen Nutzungsdaten kombiniert mit punktuellen Erhebungen und all dies im Längsschnitt, ergeben erst ein detailliertes Bild über die Dynamik.

Über die Personen

Myrto_Papoutsi_respondi_ohne_Hintergrund (Bild: respondi AG) | marktforschung.de
Myrto Papoutsi ist seit 2008 Senior Project Manager bei der respondi AG. Von 2011-2013 leitete die studierte Soziologin das französische Projektteam und unterstütze hierbei den Aufbau des französischen Kundenstamms von respondi Paris. Seit 2016 ist sie Teil des deutschen Research Services Teams.

 

Holger_Nowak_respondi_ohne_Hintergrund (Bild: respondi AG) | marktforschung.de
Holger Nowak ist seit über drei Jahren als Director Research Services bei der respondi AG tätig. Davor arbeitete für 16 Jahre in verschiedenen Position bei YouGov.

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/jj

 

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