Thomas Stein, Instinctif Partners "Die Institute können sich hier nicht hinter dem Verband verstecken"

Thomas Stein, Instinctif Partners (Bild: Thomas Stein)
marktforschung.de: Herr Stein, Sie beraten regelmäßig Unternehmen, die in aktuellen Krisen stecken. Was sind die wichtigsten Regeln, die Sie Ihren Kunden nahebringen?
Thomas Stein: In Krisen gibt es viele Dinge zu beachten, aber drei Regeln sind für mich besonders wichtig. So ist in Krisensituationen vor allen Dingen Schnelligkeit entscheidend. Unternehmen oder Institutionen, die sich einer kritischen Berichterstattung ausgesetzt sehen, müssen schnell und umfangreich reagieren. Jede längere Kommunikationspause oder Untätigkeit kann zu Spekulationen und weiteren – dann eben unwidersprochenen – Anschuldigungen führen. Das ist umso bedeutender als es insbesondere in Krisen nie um Wahrheit geht. Es geht immer nur um die Wahrnehmung von bestimmten Fakten oder Ereignissen. Das ist die zweite Regel. Die Erkenntnis hilft, Anschuldigungen richtig einzusortieren und entsprechend zu reagieren. Als dritte wichtigste Regel gilt für mich: "Walk the talk". Wenn man sich in Krisen äußert, Eingeständnisse macht oder Änderungen ankündigt, muss das Gesagte im Folgenden konsequent belegt und umgesetzt werden. Hier dürfen keine Lücken entstehen. Wenn beim Dieselskandal zum Beispiel einerseits von VW Besserung gelobt wird und andererseits gerichtlich die Aufklärung verhindert wird, entsteht eine Lücke, die die gesamte Glaubwürdigkeit des Unternehmens wieder in Frage stellt.
marktforschung.de: Lässt sich gegen solche Imagekrisen auch vorsorgen?
Thomas Stein: Ja. Die Business Resilience, also die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen und Institutionen, kann man systematisch prüfen und erhöhen. Bei Instinctif Partners gehen wir für solche Fälle die Risiken anhand eines langen Fragenkatalogs durch, um dann zu schauen, an welchen Stellen man wie vorsorgen muss. Im Ergebnis stehen identifizierte Risiken, Notfallpläne, vorbereitete Sprachregelungen oder Darksites, die kurzfristig im Krisenfall online gestellt werden können. Aber manchmal werden auch Prozesse geändert, wenn das Risiko zu groß scheint. Diese Prüfung und Vorbereitung auf Krisen sollte eigentlich Standard bei allen größeren Unternehmen sein, ist es aber nicht.
marktforschung.de: Viele Marktforscher sehen die Branche durch einige wenige schwarze Schafe zu unrecht beschmutzt. Kann die Öffentlichkeit das unterscheiden?
Thomas Stein: Um im Bild zu bleiben: Das hängt von der Anzahl sichtbarer schwarzer Schafe in einer vermeintlich weißen Herde ab. Aber man ahnt schon, dass bereits wenige schwarze Schafe das Bild einer ganzen Herde verändern. Und wenn bereits im medialen Angriff die gesamte Branche steht und hier nur wenig Unterscheidung zwischen einzelnen Institutionen gemacht wird, dann ist das auch für die Leser nicht unterscheidbar.
marktforschung.de: Ist die Kommunikation über vermeintliche Probleme einer ganzen Branche eher Sache der Verbände? Daher: Sollten sich auch einzelne Institute öffentlich zu Wort melden, oder rücken sie sich damit unnötig in den Fokus?
Thomas Stein: Wenn ein kritisches Thema als Branchenthema identifizierbar ist, dann sollte sich auch der Verband einschalten. Andersherum gilt, wenn sich ein Verband einschaltet, wird ein Thema hierdurch zum Branchenthema. Das muss man also immer im Einzelfall abwägen. Im konkreten Fall der Berichterstattung über die Marktforschung sehe ich es als Branchenthema. Die Institute können sich hier aber nicht hinter dem Verband verstecken, sondern müssen ebenfalls raus und offenlegen wie sie arbeiten. Hier sind vor allen die großen Institute gefragt, die dann sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen könnten.
marktforschung.de: Wie nachhaltig ist der Effekt einer solchen Berichterstattung - dauerhafter Vertrauensverlust oder temporärer Sturm im Wasserglas?
Thomas Stein: Das liegt an der Gegenreaktion und jetzt auch der Kommunikation und Aktivitäten im Nachgang. Ein anhaltender Vertrauensverlust bleibt, wenn in der öffentlichen Wahrnehmung die Reaktion der Branche und Institute zu schwach ausfällt. Und damit nicht gilt "etwas bleibt immer hängen", muss massiv und dauerhaft gegengearbeitet werden, real und kommunikativ.
marktforschung.de: Zum Abschluss: Auch Ihr Unternehmen arbeitet regelmäßig mit Umfragen. Ist Ihr Vertrauen in die Ergebnisse erschüttert?
Thomas Stein: Ich habe in der Vergangenheit nur mit großen und renommierten Umfrageinstituten zusammengearbeitet, weil ich dort immer darauf vertraut habe, dass die Daten echt und korrekt erhoben werden. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass bei mir von der Kritik nichts hängen bleibt. Ich habe aber sehr wohl das Vertrauen in die Selbstreinigungskräfte der großen Institute. Dazu würde ich mir sehr wünschen, dass ich darüber informiert werde, sprich die Institute aktiv hierzu kommunizieren und sagen, was sie gegen Manipulationsversuche unternehmen. Wenn die Öffentlichkeit auch den Umfragen der großen Institute nicht mehr vertraut, wird dieses PR-Instrument für mich aber auch stumpf. Ich würde es dann künftig nicht mehr einsetzen.
marktforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch!
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