Interview mit Oliver Tabino, Marc Trömel und Dr. Friedemann Weber „Die Herausforderung bei Social Media Analytics ist die Verdichtung der Daten zu echten Insights und relevanten Handlungsempfehlungen“

An Content und Daten in Social Media fehlt es nicht: Wie aber die richtigen Schlüsse daraus ziehen? Die Experten Oliver Tabino, Marc Trömel und Friedemann Weber im Interview (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ryo Aoki)
Wie etabliert ist die Methode des Social Media Analytics mittlerweile?
Marc Trömel: Inzwischen ist das Thema Social Media Analytics ein wichtiger Standard-Bestandteil in so gut wie allen Unternehmen.
Wir sehen eigentlich keine Unternehmen mehr, die sich mit diesem wichtigen Thema noch nicht auseinandergesetzt haben.
Oliver Tabino: Kerstin Klär und ich haben bereits 2010 einen Buchbeitrag über die Segmentierung des Social Webs geschrieben (Hrsg. Patrick Brauckmann: Web Monitoring). Damals mussten wir immer wieder Überzeugungsarbeit leisten, gerade im Vergleich zu klassischen Methoden der Marktforschung. Das hat sich mittlerweile geändert, Social-Media-Analytics sind bei uns nicht mehr aus der Tool-Box wegzudenken.
Friedemann Weber: Grundsätzlich ist wohl inzwischen jedem Unternehmen klar, dass mit Social-Media-Analytics sehr interessante Insights gewonnen werden können und man dieses Feld der Informations- und Ideengewinnung nicht ignorieren sollte. Dabei sehe ich jedoch keine etablierte oder gar standardisierte Methode, sondern eher Individuallösungen von unterschiedlichen Anbietern. Wir fokussieren uns beispielsweise auf die rein quantitative Analyse von Social Media und weiteren digitalen Verhaltensdaten, also kein Social Listening, und verfolgen hier einen einzigartigen und über die Jahre weiterentwickelten methodischen Ansatz, bei dem wir verschiedene digitale Datenquellen miteinander verknüpft auswerten.
Für welche Einsatzgebiete eignet sich die Methode der Social Media Analytics aus Ihrer Sicht besonders? Warum?
Oliver Tabino: Für uns geht es vor allem darum, verwertbare Daten zu finden und diese zu strukturieren. Danach, und das ist der zentral wichtige Anspruch unserer Arbeit, geht es darum diese Daten zu interpretieren, Verhaltensweisen zu erklären und Ableitungen für unsere Kunden zu treffen. Im Endeffekt nutzen wie Social Media Analytics in ganz unterschiedlichen Bereichen wie der Pharmaforschung, im FMCG-Bereich, aber auch für Netzwerkanalysen zu politischen Stakeholdern.
Marc Trömel: Das Thema Social Media Analytics findet in vielen Bereichen Anwendung: Im Produkt-Marketing zur Identifikation von Problemen und zur Produktoptimierung, zur Themenidentifikation für die Kommunikationssteuerung, im Service zum Kundendialog. Aber auch im Sales zur Lead-Generierung, in HR zu Personalbeschaffung oder in PR zur Identifikation kritischer Themen. Jeder Use-Case hat seine Daseinsberechtigung und kann wertvolle Insights liefern.
Friedemann Weber: Mit Social Media Analytics lassen sich besonders gut Zielgruppen und Marken verstehen. Anders als bei der „fragenden“ Marktforschung wird das tatsächliche digitale Verhalten von Konsumenten analysiert, und zwar in allen für den Konsumenten wichtigen Lebensbereichen.
Was sehen Sie als die größte Herausforderung bei Social Media Analytics-Projekten?
Friedemann Weber: Die größte Herausforderung ist die Fokussierung auf das Wesentliche und Relevante. Anders als bei einem Fragebogen, mit dem man nur eine begrenzte Anzahl an Fragen beantworten kann, erhalten wir Tausende von Datenpunkten aus unterschiedlichen Quellen, die alle mehr oder weniger relevante Informationen enthalten.
Die Verknüpfung und Verdichtung der Daten zu echten Insights und letztlich relevanten Handlungsempfehlungen ist die Herausforderung.
Marc Trömel: Die Herausforderungen sind bei der Vielfalt an Anwendungsfällen sehr unterschiedlich. Diese können in der Erkennung von Mustern in der Kommunikation durch AI liegen, im Aufsetzen von Datenstrecken bei Integrationsprojekten oder auch im Abbilden verschiedener UseCases von unterschiedlichen Stakeholdern in einer Struktur.
Eine weitere Herausforderung sind leider immer noch Vorurteile gegenüber Social Media Analytics, zumeist von Menschen, die auf klassischen Methoden beharren, wenig über Social Media Analytics wissen und die Datenschutzkeule zur Verteidigung des Status quo schwingen.
Oliver Tabino: Da für uns Social Media Analytics mehr als das Sammeln von Likes, Shares und Retweets bedeutet, sind wir auf Daten angewiesen, die Menschen mit einem gewissen Involvement für die Sache posten oder öffentlich machen.
Das können ausführliche Reviews zu Produkten sein, eine politische Debatte auf Twitter oder die hingebungsvolle Beschreibung einer Zigarre in einem Zigarren-Forum. Falls diese Art der Daten nicht vorhanden ist, dann werden Analysen schwierig, denn wir können keine Fragen stellen.
Das ist beispielsweise auch ein Grund, warum wir immer wieder auch Mixed Method-Ansätze wählen, um die Stärken unterschiedlicher Methoden zu kombinieren.
Wie kann man sich als Anbieter in diesem Feld von den Marktbegleitern abheben?
Marc Trömel: Entweder man ist Spezialist mit einem Standardsystem für einen bestimmten Use Case oder man glänzt mit spezifischen Lösungen und Services für individuelle Use Cases. VICO hebt sich hier besonders durch seine Servicequalität und seine individuellen Lösungen am Markt ab. VICO versteht sich hierbei als Partner für seine Kunden und unterstützt mit aufbauenden Leistungen wie Analysen, Reports, Datenintegration in BI Systeme und Social Media Strategie/Management.
Friedemann Weber: Es gibt nicht viele Anbieter in Deutschland und grundsätzlich ist noch zu wenig über die Möglichkeiten von Social-Media-Analytics bekannt. Somit hebt man sich ab, wenn man im Markt eine hohe Bekanntheit für dieses Thema besitzt und auf langjährige Erfahrung verweisen kann.
Oliver Tabino: Wir nutzen beispielsweise Machine Learning-Modelle, um Kosmetik- und Beauty-Posts zu strukturieren und analysieren. Bei unsrem Tool "Cosmention" handelt es sich um ein selbstlernendes System, das automatisch Produkte, Marken und Ingredients analysiert und in entsprechende Kategorien einordnet. Dadurch verfügen mir über eine Datenbank von 180.000 Produkten. Ohne Künstliche Intelligenz wären wir gar nicht in der Lage diese Datenmengen in den Griff zu bekommen. Danach ist natürlich die Interpretation der Daten ein wichtiger USP.
Welche Weiterentwicklungen erwarten Sie in den kommenden Jahren im Bereich Social Media Analytics?
Marc Trömel: Die Systeme werden immer intelligenter. Sie werden nicht nur große Informationsmengen verdichten, sondern auch interpretieren und Empfehlungen abgeben.
Friedemann Weber: Grundsätzlich wird das Thema mit der fortschreitenden Digitalisierung unseres Lebens wachsen. Dabei fassen wir das Thema aber größer als Social Media Analytics, wir nutzen sämtliche zur Verfügung stehenden digitalen Verhaltensdaten für unsere Marktforschungszwecke und hier ist der Einsatz und die Weiterentwicklung von Methoden, die auf künstlicher Intelligenz basieren, zentral.
Oliver Tabino: Das Thema Künstliche Intelligenz in der Datenauswertung wird meines Erachtens immer wichtiger.
Für die Interpretation der Daten braucht es weiterhin Forschende, die über analytische Expertise verfügen, aber zudem noch über die jeweilige Branchenexpertise. Das wird sicherlich eine große Chance für Marktforschende sein.
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