Birgit Bujard, DGOF "Die Herausforderung bei der GOR ist, ein Programm aufzustellen, das allen Teilnehmern die Chance bietet, über den Tellerrand hinaus zu schauen und Potential bietet in den Dialog mit der anderen Seite zu treten."

Welche GOR ist am besten gelungen? Welche weniger? Welche Herausforderungen stellen sich bei der Organisation? Wie hat Birgit Bujard ihre erste GOR in Düsseldorf vor zehn Jahren erlebt? Bevor sie im August die DGOF verlässt, haben wir noch einmal mit ihr gesprochen.

Birgit Bujard, Deutsche Gesellschaft für Online-Forschung (DGOF) - Foto: marktforschung.de

 

 

marktforschung.de: Birgit, wie war der Anfang damals? Die erste GOR für Dich in Düsseldorf. Welche Erinnerungen hast Du an die Zeit?

Birgit Bujard: Als ich damals im Herbst angefangen habe, war die GOR-Vorbereitung schon im vollen Gange. Meine Vorgängerin hatte zu dem Zeitpunkt schon drei Wochen zuvor aufgehört, was bedeutete, dass es wirklich einen fliegenden Wechsel gab. Für mich war das Ganze eine sehr überwältigende Erfahrung. Ich hatte bis dato zwar beruflich regelmäßig Veranstaltungen organisiert, aber noch keine Konferenz in dieser Größenordnung. Ich habe letztlich meine erste GOR in Düsseldorf einfach auf mich zukommen lassen und nur gedacht: "Mal gucken, was da kommt". Ich habe eng mit den Vorständen der DGOF zusammengearbeitet und mein Ziel lag damals eigentlich nur darin, die GOR halbwegs vernünftig hinter mich zu bringen. Ich würde auch sagen, dass ich erst nach meiner ersten GOR in Düsseldorf wirklich verstanden habe, wie der ganze Konferenzablauf funktioniert.

marktforschung.de: Hast du ein bestimmtes Ereignis in Düsseldorf bei der GOR, an das du besonders erinnerst?

Birgit Bujard: Ich kann mich daran erinnern, dass ich am letzten Konferenztag gedacht habe: "Jetzt haben wir es gleich endlich geschafft und es ist wirklich alles gut gelaufen." Was mir damals schon direkt aufgefallen ist, war, dass die Konferenzteilnehmer unglaublich nett waren. Das ist eine Sache, die über die Jahre so geblieben ist. Die Teilnehmer haben viel positives Feedback gegeben und es gab immer eine nette Community auf den Konferenzen. Düsseldorf war letztendlich nicht die leichteste GOR, aber schon damals habe ich schnell gemerkt, dass die Leute einfach Lust auf die Konferenz und den inhaltlichen und persönlichen Austausch haben.

marktforschung.de: Welches war aus Deiner Sicht die gelungenste GOR? Warum?

Birgit Bujard: Ich glaube, die gelungenste GOR für mich war die in Berlin 2017. Soweit ich mich richtig erinnere, hatten wir dort, zu mindestens in meiner Zeit bei der DGOF, die höchste Teilnehmerzahl. Ich fand es aber auch unheimlich spannend, dass wir in diesem Jahr zum ersten Mal den Bereich der Politik- und Wahl-Forschung mit einem eigenen Konferenztrack im Programm vertreten hatten. Es gab eine sehr spannende und passende Keynote von Prof. Patrick Sturgis zu den methodischen Schwierigkeiten bei den Umfragen zur britischen Parlamentswahl von 2015. Ein dreiviertel Jahr vor der GOR hatte das Brexit-Referendum in Großbritannien stattgefunden, welches thematisch im Programm aufgegriffen wurde und mich auch persönlich einfach sehr interessiert hat. Obwohl viele andere GORs auch erfolgreich und spannend waren, war für mein Empfinden die GOR 17 die gelungenste Konferenz.

marktforschung.de: Welches war aus Deiner Sicht die schwierigste GOR? Warum?

Birgit Bujard: Etwas schwieriger war die Dresdener GOR im Jahr 2016. Bis auf eine GOR in Leipzig, fanden die GORs immer in den alten Bundesländern statt und es war für uns wichtig, dass mal zu ändern. Dresden war dabei auf mehreren Ebenen eine Herausforderung. Auf der einen Seite gibt es dort keine große Marktforschungscommunity und auf der anderen Seite war es logistisch betrachtet für viele eine Herausforderung nach Dresden zu kommen. Ich erinnere mich, dass einige internationale Teilnehmer, die jedes Jahr an der GOR teilnehmen, damals nach Berlin fliegen und von dort aus mit dem Zug oder Bus nach Dresden weiterfahren mussten.

Insofern war es damals keine inhaltliche, sondern eher eine organisatorische Herausforderung. Der Betreuungsbedarf der Teilnehmer, was so Dinge wie die Anreise und ähnliches betraf, war in Dresden größer.

marktforschung.de: Kam daher auch die Idee die GOR an schon etablierten Standorten wie Köln oder Berlin mehrfach stattfinden zu lassen?

Birgit Bujard: Man muss sagen, dass die Organisation der GOR für die kleine Geschäftsstelle der DGOF in Zusammenarbeit mit dem ehrenamtlich tätigen Vorstand immer eine große Herausforderung ist. Die Überlegung dahinter war eigentlich, dass es die Arbeit schlichtweg erleichtert und man gemerkt hat, dass der Aufwand für alle Beteiligten gesenkt werden kann, wenn man mit bereits vertrauten Kooperationspartnern zusammenarbeitet. Man kann so auf Erfahrungswerten aufbauen und muss das Rad nicht ständig neu erfinden. Ein weiterer Vorteil ist natürlich, dass man bei einer geringeren Zahl an wechselnden Standorten reflektieren kann, was bei vorherigen Malen gut bzw. schlecht gelaufen ist. Das kann man dann beim nächsten Mal berücksichtigen in der Planung. Dennoch besteht auch weiterhin der Wunsch immer mal wieder den Standort zu wechseln, weil das einfach zum Charakter der GOR gehört.  

marktforschung.de: An welche Keynote-Speaker erinnerst Du Dich besonders gerne?

Birgit Bujard: Wie bereits angesprochen, ist mir insbesondere die Keynote von Patrick Sturgis zur Wahl in Großbritannien in Erinnerung geblieben. Welche Keynote ich darüber hinaus noch ganz besonders in Erinnerung habe, ist die von Vincent F. Hendricks von der Universität Kopenhagen über das Thema Online-Bubbles damals in Dresden. Hierbei war sowohl das Thema als auch der Vortrag sehr spannend. Vincent Hendricks ist einfach ein Redner, der unglaublich interessante Vorträge halten kann.

Ansonsten gab es viele thematisch sehr wichtige Keynotes, auch von Leuten, wie beispielsweise Mick P. Couper, die mit der GOR teilweise sehr lange verbunden sind. Ich fand es darüber hinaus immer spannend, dass wir traditionell zwei Arten von Keynotes bei der Konferenz haben, eine aus der akademischen und eine aus der angewandten Forschung, die bei der GOR diskutiert werden und die sich genauso auch in der Mitgliedschaft der DGOF widerspiegeln.

marktforschung.de: Die DGOF verbindet ja die akademische und kommerzielle Welt. Die Konferenzen werden geprägt von wissenschaftlichen und angewandten Referenten. Wie war für Dich die Zusammenarbeit mit beiden Seiten?

Birgit Bujard: Dieser Mix aus der akademischen und kommerziellen Welt ist wirklich etwas Besonderes. Gleichzeitig ist es auch ein Dialog, der Herausforderungen mit sich bringt. Es gibt gewisse Bereiche, die für die eine Gruppe besonders wichtig sind und für die andere eben nicht. Die Herausforderung bei der GOR ist es, ein Programm aufzustellen, das allen Teilnehmern die Chance bietet, auch einmal über den Tellerrand hinaus zu schauen und Potential bietet in den Dialog mit der anderen Seite zu treten. Ebenso wichtig ist meines Erachtens aber auch die Tatsache, dass die angewandten Forscher durch die Mitarbeit in Jurys oder durch Sponsoring solche akademischen Projekte fördern, die sonst nicht unbedingt unterstützt werden würden. Wir haben hier beispielsweise den Forschungsförderungsfonds, der sich an akademische Forscher richtet. So besteht ein Dialog zwischen beiden Welten, der immer weitergeführt wird.

marktforschung.de: Auch bei den GOR-Partys sollten diese beiden Parteien sich bestenfalls nicht meiden und stattdessen in einen freundlichen Austausch treten. Welche GOR-Party wird Dir in Erinnerung bleiben?

Birgit Bujard: Ich denke, die Party, die mir am meisten Spaß gemacht hat, war auch die in Berlin. Bei der Berliner GOR-Party hat aus meiner Sicht einfach alles gepasst. Sowohl der Veranstaltungsort, der Kosmetiksalon Babette, als auch die Stimmung waren damals einfach richtig gut.

marktforschung.de: Was wirst Du an Deinem bisherigen Job vermissen?

Birgit Bujard: Ganz klar: die Leute. Das Schöne bei der DGOF ist, dass man unglaublich viele Leute kennenlernt, die sich auf unterschiedliche Art und Weise für Online-Forschung engagieren. Auch die Offenheit der DGOF gefällt mir sehr. Man kann hier einfach Projekte angehen und etwas Neues ausprobieren. Wir haben beispielsweise im letzten Sommer mit einigen Mitgliedern überlegt, einen Podcast der DGOF aufzusetzen. Das Ganze haben wir dann gemeinsam weiterentwickelt bis es letztendlich im Januar dieses Jahres zur Umsetzung gekommen ist.

marktforschung.de: Eines dieser Projekte, das in den Jahren entstanden ist, ist die Research Plus. Wie wichtig war das für dich und was bedeutet dieses Projekt für dich?

Birgit Bujard: Die Research plus ist mir persönlich sehr wichtig geworden, da mir dadurch die Möglichkeit geboten wurde, Mitglieder, die ich so sonst nie gesehen habe, zu treffen. Wir haben durch die Research plus auch die Möglichkeit die DGOF bei Leuten bekannt zu machen, die nicht an der GOR teilnehmen. Das Spannende ist, dass jede Research plus, durch die vielen unterschiedlichen Besucher und die verschiedenen Städte ihren jeweils eigenen individuellen lokalen Charakter hat.

marktforschung.de: Bitte nenne uns doch einmal deine ersten Assoziationen zu den Research Plus in den Städten, die ich dir jetzt nenne. 

Hamburg?
Birgit Bujard: War von vornherein direkt ausgebucht. Es kamen Leute, die anfangs gar nicht so genau wussten, was sie erwartet. Hier hat sich aber eine Community gebildet, die sich seitdem regelmäßig in der Auster Bar trifft.

Nürnberg?
Birgit Bujard: In Nürnberg hatte ich am Anfang das Gefühl, dass fast alle Teilnehmer auf verschiedenste Art und Weise eine Beziehung zueinander hatten, deren Ursprung immer die GfK war.

Frankfurt?
Birgit Bujard: Frankfurt war anfangs die schwierigste Research plus, da man schnell merkte, dass viele Leute zwar in der Stadt arbeiten, jedoch nicht unbedingt in Frankfurt wohnen. Die Pendelei führte bei der ersten Research plus dazu, dass direkt nach den Vorträgen etwa ein Drittel der Teilnehmer gingen und nicht mehr beim anschließenden Get-Together dabei war. Aber das hat sich im Laufe der Zeit geändert.

München?
Birgit Bujard: Die Research plus in München findet meist in der Kneipe "Niederlassung" statt und ist einfach sehr entspannt. In München haben viele der Teilnehmer die DGOF erstmals über die Research plus kennengelernt.

Köln?
Birgit Bujard: Die Kölner Research Plus ist in der Regel die, die am längsten dauert. Man hat das Gefühl, man befände sich auf einem Klassentreffen, weil der Get-Together Charakter der Veranstaltung sehr stark ausgeprägt ist und die Teilnehmer gerne lange bleiben. Das mag auch daran liegen, dass die DGOF ja auch ihren Ursprung in Köln hat.

Mannheim:
Birgit Bujard: Mit Mannheim assoziiere ich immer die ausgefallenen Veranstaltungsorte. Anfangs war es der Friseursalon von Oliver Tabino, dem Hauptorganisator der dortigen Research plus. Mittlerweile findet die Research plus im Taproom Jungbusch, einer hervorragenden Craft Beer Bar, statt.

Berlin?
Birgit Bujard: Die erste Research Plus in Berlin fand auf Einladung der GIM in einer Pop-Up-Ausstellung eines Künstlers statt, was allein aufgrund des Orts bereits sehr spannend war. Seitdem besteht die große Herausforderung in Berlin darin, einen zumindest halbwegs zentralen Veranstaltungsort für die interessierten Teilnehmer zu finden.

marktforschung.de: Wie hast Du die Zusammenarbeit mit den anderen Verbänden erlebt? Stichwort Weinheimer Gespräche. Was lief gut, was waren Herausforderungen?

Birgit Bujard: Ich finde es toll, dass sich die Verbände in regelmäßigen Abständen zusammenfinden. Das geschieht ja nicht nur in den Weinheimer Gesprächen, sondern auch im Rat der deutschen Markt- und Sozialforschung. Meines Erachtens ist dieses Zusammenkommen auch unglaublich wichtig, da man in bestimmten Bereichen wie etwa der Gestaltung von Richtlinien einfach gemeinsam stärker ist als allein. Natürlich gibt es aufgrund der verschiedenen Interessen der Verbände auch hier einige Herausforderungen, die es zu überwinden gilt. Aber die Vereine sind ja auch dazu da, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Gleichzeitig ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, diesen Dialog miteinander aufrecht zu halten.

marktforschung.de: Wo geht die Reise für Dich hin und warum jetzt?

 

Birgit Bujard: Der Zeitpunkt ist dem Zufall geschuldet. Es ist einfach so, dass ich ab September eine neue Stelle antrete, über die ich aktuell noch nicht allzu viel verraten kann. Ich habe in den letzten Jahren parallel zu meiner Tätigkeit bei der DGOF im europapolitischen Bereich und in der politischen Bildung gearbeitet. Das sind Felder, die mir unglaublich viel Spaß machen und mir auch sehr wichtig sind. Was ich also schon sagen kann: Bei mir wird es thematisch in Zukunft politischer.

marktforschung.de: Vielen Dank für das nette Gespräch, Birgit!

hg

 

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  1. Frank Lüttschwager am 29.07.2020
    Eines ist jetzt schon klar: Wir werden Dich vermissen! Ich habe mich immer gefreut, wenn wir aufeinander getroffen sind, wofür es zum Glück in den Jahren ja doch so einige Gelegenheiten gab!

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