Frage zum Sonntag | heute von Jana Faus, pollytix strategic research Die Halbjahresbilanz
Das Jahr 2020 wird in jedem Fall in die Geschichtsbücher eingehen. Angela Merkel bezeichnete die Corona-Krise als die größte Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg, auch die UN blies in dasselbe Horn.
Im April schrieb mein Kollege Rainer Faus an dieser Stelle Krisen dieser Größenordnung seien Kanzlerinnenzeiten. Und natürlich hatte er damit recht. Der pollytix-Wahltrend (das gewichtete Mittel der veröffentlichten Sonntagsfragen zur Bundestagswahl der verschiedenen Institute) zeigt für das erste Halbjahr dieses Jahres ein interessantes Bild: Während die Umfragewerte zu Jahresbeginn nur leicht schwankten, änderte sich ab Freitag, 13. März 2020, einiges.
Spätestens an diesem Tag wurde klar, dass das Corona-Virus das gesellschaftliche Leben in der nächsten Zeit massiv einschränken wird. Und in der Folge wurde den meisten Deutschen klar, dass dies eine sehr tiefgehende Krise ist, die neben den gesundheitlichen Risiken eine Reihe anderer Risiken bedeutet. Neben einer Vielzahl von Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, wurden auch eine Reihe von Maßnahmen zur Eindämmung der wirtschaftlichen Schäden infolge des Corona-Virus in Windeseile entschieden und umgesetzt.
Mit einer Krise wächst auch das Bedürfnis nach Sicherheit
Jede Krise bedeutet Unsicherheit für die Menschen und verlangt ein großes Maß an Anpassungsfähigkeit. Mit dieser Unsicherheit ging das Bedürfnis nach Orientierung und Stabilität einher. Die getroffenen Maßnahmen wurden von der Mehrheit der Deutschen befürwortet, schon allein, weil es eine klare Richtschnur gab, an der man sich orientieren konnte. So war zum Beispiel klar, mit wem man sich wo und wie (nicht) treffen durfte, oder wie man sich im öffentlichen Raum bewegen durfte. Die Regierung stellte hier – für viele Wähler*innen kam das überraschend – ihre Leistungsfähigkeit erfolgreich unter Beweis und so hat am 27.3.2020 auch der Bundesrat seine Zustimmung zum Corona-Rettungspaket erteilt.
Deutsche schätzen die Kanzlerin
Viele Deutsche haben Angela Merkel in dieser Krise als eine bodenständige Akademikerin, die - besonders im Vergleich zu manchen ihrer Kollegen im Ausland – ruhige, sachliche und überlegte Entscheidungen treffen kann, zu schätzen gelernt. Die Union profitierte durch einen rasanten Anstieg der Umfragewerte für die Partei der Kanzlerin und ihrer Schwesterpartei. Innerhalb der Union tobt aber weiterhin ein Machtkampf um CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur, der auch während dieser Krise öffentlich ausgetragen wurde. Besonders die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen Armin Laschet und seinem bayerischen Kollegen Markus Söder wurden von vielen Deutschen als Machtspiel verstanden. Daher ist der rasante Anstieg für die Union tatsächlich ein Verdienst der Bundeskanzlerin, nicht der Unionsparteien.
Der Koalitionspartner SPD profitiert kurzfristig ein wenig von der als so gut bewerteten Regierungsarbeit, kann das allerdings kaum in Wahlanteile bei der Sonntagsfrage umwandeln. Trotz hoher Zustimmungswerte für die in der Krise besonders sichtbaren SPD-Minister Olaf Scholz (Finanzen) und Hubertus Heil (Arbeit), kann die SPD kaum von der Krise profitieren.
Die Oppositionsparteien profitieren genauso wenig von der Krise: Besonders die Werte der Grünen, die noch vor einem Jahr über denen der Union lagen, haben sich in dieser Krise nach unten entwickelt, wobei sie sich seit Mai wieder langsam erholen. Dennoch bleiben beinahe 20 Prozentpunkte Unterschied zwischen den beiden Parteien. Die AfD, die bisher eher als Krisengewinner galt, kann von der Corona-Krise nicht profitieren und bewegt sich um die 10 Prozent-Marke. Auch die FDP verliert an Zustimmung und müsste derzeit wieder um den Einzug ins Parlament bangen.

In der Halbjahresbilanz steigt die Union um 10 Prozentpunkte , ihr Koalitionspartner SPD um knapp 2 Prozentpunkte, die AfD sinkt um 4,4 Prozentpunkte , die Grünen um 3,3 Prozentpunkte , die FDP um 2,8 Prozentpunkte und die Linke um 0,7 Prozentpunkte .
Jetzt, da der Krise zwar mit Maßnahmen begegnet wurde, sie aber weiterhin nicht vorbei ist, stagnieren die Parteien bei ihren Vormonatswerten. Einzig bei der Union zeigen sich erste negative Entwicklungen (-0,9 Prozentpunkte), die Grünen legen um fast den gleichen Wert zu (+1,1% Prozentpunkte). Das vorsichtige „Auf-Sicht-Fahren“, das in den letzten Wochen das öffentliche Leben in Deutschland bestimmt hat, schlägt sich auch in der Wahlabsicht nieder.

Es bleibt abzuwarten, in welcher Stärke sich die (wirtschaftlichen) Auswirkungen der Krise zeigen werden. Es bleibt aber auch abzuwarten, wie auf die durch die Krise an die Oberfläche getretenen Missstände von den einzelnen Parteien eingegangen wird. Der Stand der Digitalisierung in Deutschland oder die Arbeitsbedingungen in bestimmten Branchen seien hier stellvertretend genannt. Und letztlich bleibt es abzuwarten, welche Kandidat*innen für die Kanzlerschaft ins Rennen geschickt werden.
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cb
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