Anwalt Christian Solmecke "Die Freiheitsstrafe für gewerbsmäßigen Betrug liegt zwischen sechs Monaten bis zu zehn Jahren"

Christian Solmecke (Bild: Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE)
marktforschung.de: Herr Solmecke, vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in der Marktforschungsbranche: Welche Ansprüche kann ein Auftraggeber geltend machen, wenn er falsche Ergebnisse von einem Dienstleister erhält?
Christian Solmecke: Zunächst einmal ist es wichtig, zu schauen, um was für eine Art Vertrag es sich handelt. Die allermeisten Verträge in der Marktforschung sind sogenannte Werkverträge, bei denen ein Erfolg und nicht nur eine Dienstleistung geschuldet wird. Das wirkt sich erheblich auf die Ansprüche aus, die ein Auftraggeber in diesen Fällen geltend machen kann.
Wurde das Werk (hier: Die Meinungsumfragen) mangelhaft erfüllt, so hat der Auftraggeber theoretisch den Anspruch, dass die Umfrage noch einmal richtig und korrekt durchgeführt wird. Daran wird er aber regelmäßig kein Interesse mehr haben, weil er vom Werkunternehmer in seinem Vertrauen enttäuscht und betrogen wurde. Er kann auch den Werkpreis mindern. Allerdings wird er an vollständig gefälschten Forschungsergebnissen überhaupt kein Interesse haben, sodass eine Minderung des Werkpreises ebenfalls nicht seinem Interesse entsprechen dürfte. Auch möglich wäre es, die Umfrage einfach selbst vorzunehmen und den Auftragnehmer dafür zahlen zu lassen. Doch auch das ist nicht im Interesse des Auftraggebers, sonst hätte er den Auftrag nicht extern vergeben. In Betracht kommt weiterhin der Rücktritt vom ganzen Vertrag, wonach der Auftraggeber sein Geld zurückerhielte. Darüber hinaus kommen noch verschiedene Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche in Betracht. So könnte der Auftraggeber auch Mehraufwendungen ersetzt bekommen, zum Beispiel, weil er stattdessen ein anderes Marktforschungsinstitut beauftragen musste oder weil er wegen der falschen Ergebnisse selbst Mehrkosten beziehungsweise vergebliche Aufwendungen hatte. Hier muss der Auftraggeber nur vortragen, welche Schäden ihm durch das Fehlverhalten des Auftragnehmers entstanden sind. Allerdings könnte es sein, dass dem Auftraggeber ein Mitverschulden zuzurechnen sein wird, etwa wenn er so wenig Geld gezahlt hat und so enge Zeitvorgaben gemacht hat, dass jedem vernünftigen Menschen hätte klar sein müssen, dass hier Betrug Vorschub geleistet wird.
marktforschung.de: Wenn der Dienstleister nun den erhaltenen Auftrag an Subunternehmer weitergibt, und dieses Subunternehmen manipulierte Ergebnisse liefert – wer kommt dann für den Schaden auf, wer muss haften?
"Der eigentliche Werkunternehmer haftet dem Auftraggeber also aus dem Vertrag wie für eigenes Verschulden"
Christian Solmecke: Da es sich hier um ein Vertragsverhältnis handelt, ist der Subunternehmer für den Werkunternehmer ein sogenannte "Erfüllungsgehilfe", dessen Fehlverhalten ihm über § 278 BGB zugerechnet wird. Der eigentliche Werkunternehmer haftet dem Auftraggeber also aus dem Vertrag wie für eigenes Verschulden. Daneben haftet aber auch der Subunternehmer selbst, weil er den Auftraggeber bewusst geschädigt und sogar einen Betrug zu dessen Lasten begangen hat.
marktforschung.de: Hat der Dienstleister die Pflicht, seinen Auftraggeber darüber zu informieren, dass weitere Unternehmen an der Ausführung des Auftrags beteiligt sind?
Christian Solmecke: Nein, beim Werkvertrag ist es anders als etwa beim Dienstvertrag so, dass der Werkunternehmer nicht zur höchstpersönlichen Leistung verpflichtet ist. Es ist vielmehr branchenüblich, die Aufgabe an Subunternehmer abzugeben. Die Haftung ist dabei klar geregelt. Daher muss man den Auftraggeber auch nicht informieren, welcher Subunternehmer man sich bedient.
marktforschung.de: Wer trägt die Beweislast in solchen Fällen? Auftraggeber, Dienstleister, Subunternehmer?
Christian Solmecke: Die Beweislast, um einen Anspruch vor Gericht geltend zu machen, trägt grundsätzlich derjenige, der den Anspruch geltend macht – hier also der Auftraggeber. Er muss darlegen, dass das Werk mangelhaft war. Ist das aber klar, dann vermutet das Gesetz, dass der Werkunternehmer den Mangel auch zu vertreten hat – was eine Voraussetzung ist, um Schadenersatz zu erhalten. Dann muss also der Vertragspartner, der Werkunternehmer, beweisen, dass er den Mangel nicht zu vertreten hat. Und dabei kann er sich nicht mit der Aussage "herausreden", der Subunternehmer sei Schuld, denn dessen Verschulden wird ihm zugerechnet.
marktforschung.de: Wie stichhaltig müssen diese Beweise sein?
Christian Solmecke: Das kann man nicht pauschal sagen – allgemein müssen sie so stichhaltig sein, dass das Gericht von ihnen überzeugt ist. Die Beweise können durch Sachverständige, Augenscheinsbeweise, Parteienvernehmung, Urkunden & Zeugenaussagen erfolgen. Im Werkvertragsrecht wird oft noch ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben.
marktforschung.de: Bleiben wir beim Beispiel der Marktforschungsbranche: Wenn Mitarbeiter aufgrund von Vorgaben ihrer Vorgesetzten, und diese wiederum auf Anweisung der Geschäftsführung, wissentlich - sei es um Angst um ihren Arbeitsplatz- betrügen, wer wird dann zur Rechenschaft gezogen und mit welchen Strafen muss man rechnen?
"Der Arbeitnehmer ist wegen Betruges strafbar"
Christian Solmecke: Zunächst zum zivilrechtlichen Teil der Frage – wer haftet? Nach außen hin haftet das Unternehmen, also der Werkunternehmer seinem Auftraggeber, weil diese ja Vertragspartner sind. Der Werkunternehmer hat dann intern die Pflicht, sein Unternehmen so zu organisieren, dass die Mitarbeiter die Arbeit korrekt erledigen. Tun diese das nicht, wird ihr Fehlverhalten dem Arbeitgeber zugerechnet, § 278 BGB. Daneben stellt sich die Frage, ob der Auftraggeber zusätzlich auch an den Arbeitnehmer, der betrogen hat, herantreten kann beziehungsweise ob sich der Arbeitgeber einen Teil des gezahlten Geldes vom Arbeitnehmer zurückholen kann. Dies bestimmt sich nach den sogenannten Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung. Danach sind Arbeitnehmer bis zu einer gewissen Grenze davor geschützt, für eigene Fehler zu haften, die sie im Rahmen der beruflichen Tätigkeit begehen. Für leichte Fahrlässigkeit haften sie überhaupt nicht, sondern nur der Arbeitgeber. Für Vorsatz hingegen – wie in diesem Fall – haften sie schon. Der Geschädigte könnte also an den Arbeitnehmer herantreten beziehungsweise der Arbeitgeber könnte grundsätzlich einen Teil des Geldes vom Arbeitnehmer zurückholen. Hat der Arbeitnehmer gezahlt, könnte er aber dann wiederum an seinen Arbeitgeber herantreten und sich einen großen wenn nicht gar den ganzen Teil des Geldes zurückholen. Denn letztlich liegt hier ein sehr hohes Mitverschulden der Geschäftsleitung vor, die ja die Anweisung gegeben hat, zu betrügen.
Strafrechtlich können aber alle Beteiligten belangt werden. Der Arbeitnehmer ist wegen Betruges strafbar. Bei ihm wird allerdings mildernd berücksichtigt werden, dass er sich in einer Zwangslage befand. Die anderen Beteiligten sind wegen Anstiftung zum Betrug oder aber Betrug in Mittäterschaft strafbar, je nachdem, wie viel Kontrolle der/die Vorgesetzten über die konkrete Tat hatten. In jedem Fall können sie bestraft werden, als hätten sie den Betrug selbst begangen.
marktforschung.de: Wenn vertragsrechtliche Klauseln Verschwiegenheit über die Vorgänge in einem Unternehmen voraussetzen – kann ein Mitarbeiter, der diese Klauseln unterschrieben hat, dennoch belangt werden, wenn es sich um schwerwiegenden Betrug handelt? Welche Interessen wiegen höher?
Christian Solmecke: Grundsätzlich ist das Verraten von Betriebsgeheimnissen verboten, gem. § 203 StGB. Allerdings kann die Mitteilung eines Geheimnisses aufgrund einer Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter beziehungsweise Interessen, zum Beispiel aufgrund des rechtfertigenden Notstandes, straflos sein. In diesem Fall kann seitens des Arbeitgebers kein schützenswertes Interesse daran bestehen, den vorsätzlichen Betrug des Vertragspartners geheim zu halten. Eine Person, die aussagt, hat keinerlei strafrechtliche Maßnahmen zu befürchten. Auch eine Abmahnung beziehungsweise Kündigung dürfte arbeitsrechtlich nicht zulässig sein, weil hier ein strafbares Verhalten aufgedeckt wurde.
"Eine Pflicht, den Betrug bei der Staatsanwaltschaft beziehungsweise Polizei anzuzeigen, gibt es nicht. So etwas gibt es nur bei geplanten, schweren Straftaten"
marktforschung.de: Wie sieht es in laufenden Projekten aus, wenn ein Verdacht auf Täuschung vorliegt – kann der Auftraggeber seinen Auftrag einfach zurückziehen? Besteht in solchen Fällen eine Anzeigepflicht?
Christian Solmecke: Ja, wenn es hier einen begründeten Verdacht auf Betrug gibt, so kann man zum einen den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten, sodass er von Anfang an als nichtig anzusehen ist. Alles gezahlte Geld ist dann zurückzugewähren, ggf. muss der Täuschende zusätzlichen Schadensersatz zahlen. Alternativ kann man aus wichtigem Grund fristlos kündigen. Damit ist der Vertrag ab sofort beendet, aber nicht rückwirkend. Auch hier sind die gezahlten Gelder zurückzuzahlen und man hat einen Anspruch auf Schadensersatz. Eine Pflicht, den Betrug bei der Staatsanwaltschaft beziehungsweise Polizei anzuzeigen, gibt es nicht. So etwas gibt es nur bei geplanten, schweren Straftaten.
"Wer als Mitglied einer Bande gewerbsmäßig betrügt, der kann mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden"
marktforschung.de: Welche Entscheidungen spielen beim Strafausmaß eine Rolle und was ist die Höchststrafe bei gewerblichem Betrug?
Christian Solmecke: Beim Strafmaß spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zunächst das Strafmaß der Norm, die verletzt wurde. Bei normalem Betrug liegt dieses bei Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe. Dann wird insbesondere geschaut, wie schwer die individuelle Schuld des Angeklagten ist, welcher Schaden entstanden ist und ob er Vorstrafen hatte. Die Freiheitsstrafe für gewerbsmäßigen Betrug liegt zwischen sechs Monaten bis zu zehn Jahren, § 263 Abs. 3 StGB. Wer als Mitglied einer Bande gewerbsmäßig betrügt, der kann mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden.
marktforschung.de: Angenommen, ein ehemaliger Mitarbeiter wendet sich der Presse zu und packt aus – welche rechtlichen Ansprüche kann das Unternehmen gegen diesen Mitarbeiter geltend machen und was passiert, wenn sich diese Behauptungen bewahrheiten? Werden sofort strafrechtliche Schritte eingeleitet oder bedarf es dazu zunächst einer Anzeige?
Christian Solmecke: Wenn es sich um Aussagen ins Blaue und bewusst unwahre Tatsachen handelt, kommen die Straftatbestände der Üblen Nachrede und Verleumdung in Betracht. Auch das Verraten von Betriebsgeheimnissen ist möglich. Und der Mitarbeiter könnte wegen der Ruf- und Geschäftsschädigung des Unternehmens auf Schadensersatz haften. Sind die Aussagen aber wahr und belegbar, droht ihm nichts. Eine Anzeige ist nicht nötig, bei gewerbsmäßigem Betrug handelt es sich nicht um ein Antragsdelikt, sondern um ein Delikt, bei dem die Staatsanwaltschaft von sich aus Ermittlungen einleiten muss.
marktforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Christian Solmecke hat sich als Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE auf die Beratung der Internet und IT-Branche spezialisiert. So hat er in den vergangenen Jahren den Bereich Internetrecht/E-Commerce der Kanzlei stetig ausgebaut und betreut zahlreiche Medienschaffende, Web 2.0 Plattformen und App-Entwickler.
Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden