- marktforschung.de
- Marktforschung
- Die "Fit2Share"-Sportler: Wie Digitalisierung die Fitness-Branche umkrempelt
Patricia Blau, GIM Die "Fit2Share"-Sportler: Wie Digitalisierung die Fitness-Branche umkrempelt

Patricia Blau, GIM
Schon längst geht es bei Fitness nicht mehr nur um Bewegung und Sport: Die richtige Ernährung (Stichwort: Proteine) wird mitgedacht, die eigene Performance mit angesagten Outfits (Stichwort: Athleisure) abgestimmt und natürlich wird auch am eigenen Online-Profil gefeilt.
Die Digitalisierung ändert auch die Fitnessbranche grundlegend. So hat sie laut unserer aktuellen GIM Fitness-Studie "Germany in Motion" einen ganz neuen Fitness-Typen hervorgebracht: Den "Fit2Share"-Typen.
Digital & körperlich durchtrainiert: Der Fit2Share-Sportler
Fit2Share ist das jüngste Segment unserer Studie, das Durchschnittsalter der Fit2Share-Sportler liegt bei 35 Jahren. Für die zumeist männlichen Sportler (70 Prozent) ist Sport ein Muss und eine Möglichkeit, (digitale) Aufmerksamkeit zu erlangen. Und die bekommen sie vor allem in Sozialen Netzwerken, auf denen die sportiven Erfolge - und ausgewählte Misserfolge - online mit der Fitness-Community geteilt werden. Auffällig ist auch, dass der Fit2Share-Sportler überdurchschnittlich viel für Sportbekleidung, Zubehör und Nahrungsergänzungsmittel ausgibt - im Jahr rund 550 Euro. Wir halten fest: Fit2Share'ler legen großen Wert auf ihre Außenwirkung.
Klassische intrinsische Sportmotive greifen dagegen weniger. Der Spaß am Sport sowie gesundheitliche Aspekte stehen im Vergleich zu anderen Segmenten kaum im Vordergrund. Was also treibt diesen Fitness-Typen an? Folgende vier "B's" beschreiben seine Kernmotive: Bonding (die Gemeinschaft), Benchmarking (der Vergleich), Boost (der Motivationsschub), Benefit (die Selbstdarstellung).

Digitale Fitness: Virtueller Trainer-Ersatz & Soziales Benchmarking
Bonding - die Gemeinschaft. Soziale Medien sind für den Fit2Share-Sportler Informationsquelle, "Trainer-Ersatz" und Inszenierungsplattform in einem. Persönliche face-to-face Gespräche haben für ihn im Vergleich zu anderen Fitnesstypen eine geringe Bedeutung. So geben nur 17 Prozent der Fit2Share'ler an, sich in persönlichen Gesprächen über Fitness und Sport zu informieren. Die primäre Informationsquelle des Fit2Share'lers sind die Sozialen Medien. 47 Prozent geben sogar an, durch Youtube keinen Fitnesstrainer mehr zu brauchen. Es wird deutlich: Die Community entsteht online, zum "Bonding" braucht es nur eine App, die von Gleichgesinnten genutzt wird. Die beliebtesten Apps der Fit2Share'ler sind Facebook und vor allem auch Instagram. Hier können sie ihre sportlichen Leistungen in Form von Bildern oder Videos teilen und für ihre Beiträge Likes ernten. Dabei lassen sie sich von anderen Nutzern und Influencern inspirieren und verfolgen konkrete Tipps oder Produktempfehlungen. In der digitalen Sportwelt fühlen sie sich als Teil eines realen Teams - auch, wenn das Team in weiten Teilen 'nur' virtuell existiert.
Benchmarking - der Vergleich. Die Posts der Fit2Share-Sportler sprechen eine Sprache: von allem viel und je mehr desto besser. Viele Gewichte, viele Muskeln, und vor allem viel Leistung. Gleichzeitig versuchen die Fit2Share'ler online ihre ganze Persönlichkeit zu zeigen - und zu bilden. Zur Imagebildung gehört auch, Bilder wieder zu löschen, sollten sie nicht in den eigenen Feed passen. Der Vergleich mit "den anderen", also der Online-Community, wird zum sozialen Benchmarking. Der Sport optimiert dabei den Körper, die Sozialen Medien die personale Selbstbehauptung und -inszenierung. Natürlich waren Sport und Fitness bereits vor Social Media-Felder sozialen Benchmarkings. Aber nun kommt zusammen, was zusammengehört: ein Tätigkeitsfeld, das vergleichend, teils kompetitiv aber auch im Team funktioniert - und ein Medium, das all das bedient.
Social Media als Performance-Barometer und Stimulus
Boost - der Motivationsschub. Digitale Apps fungieren für das Fit2Share-Segment als persönliches Performance Barometer. Die Online-Community kann die persönliche Entwicklung nachvollziehen, die Leistung wird professionalisiert und vergleichbar. So sorgen das eigene, digitale sowie das soziale Benchmarking für den nötigen Boost, also den nötigen Motivationsschub, um die sportliche Leistung zu maximieren. Tipps und Tricks bieten laufend neues "Futter" für die Fit2Share-Sportler. Hierzu passt, dass mehr als die Hälfte der Fit2Share-Sportler folgender Aussage zustimmen: "Wenn man sich nicht ständig verbessert, hat Sport keinen Sinn". Die Digitalisierung des Sports kann also helfen den eigenen "Schweinehund" auf Trab zu halten.
Benefit - die Selbstdarstellung. In der Welt eines Fit2Share-Sportlers werden sportive Leistungen extrem personenfokussiert dargestellt. Eine gelungene Selbstdarstellung wird mit Likes, Followern und Kommentaren belohnt. Bonding und Benchmarking stellen für die digitale Selbstinszenierung die Weichen: so wird der Sport zum Statussymbol.

"Muskulös als neues Skinny" - der Protein-Boom
Dabei bewegt sich das angestrebte Schönheitsideal - besonders bei den Frauen - weg vom Skinny-Look: es geht darum, stark zu sein, Muskeln zu zeigen und an Limits zu gehen. Das wurde mir auch beim Besuch der FIBO, der Fitness- und Bodybuildingmesse, anschaulich bestätigt. Hersteller von Proteinen (Nahrungsergänzungsmittel für den Muskelaufbau) richteten sich hier gezielt auch an Sportlerinnen. Und die Bandbreite der Proteinprodukte ist groß: von veganen Optionen über Low Fat und Low Carb Proteienshakes hin zu "Tear and Pull" Fleisch-Riegeln. Ebenso präsent sind sämtliche Proteinvarianten natürlich auch in der digitalen Parallelwelt. Für Fitness-Influencer sind die Nahrungsergänzungsmittel ein fester Bestandteil ihres Workouts.
Influencer Marketing im Fitness-Bereich: Der Fit2Share'ler als Konsument
Wir blicken also auf ein neues Segment, das jung, digital und ausgabefreudig ist - Was bedeutet das für Hersteller von Fitnessgeräten, Nutrition und Co.? Fit2Share ist eine anspruchsvolle Zielgruppe, für die Sport untrennbar mit der Digitalisierung verbunden ist. Und auch hier gilt: Online-Trends sind häufig kurzlebig, was heute "in" ist kann morgen schon wieder "out" sein. Umso wichtiger ist es für Hersteller, Veränderungen zu verfolgen und mitzuprägen, sich also inspirieren zu lassen und dort zu wirken, wo sich die Zielgruppe bewegt: in den Sozialen Medien. Mit Influencer Marketing lässt sich hier häufig geschickt Einfluss nehmen. So zeigte sich in einer anderen Studie der GIM, der "Digital Self"-Studie, dass 25 Prozent der Studienteilnehmer durch Social Media-Beiträge zu Produktkäufen im Sportbereich animiert wurden. Und für solche Produktplatzierungen erhalten Influencer - neben Aufmerksamkeit und Bestätigung - teils satte Summen. Nicht ohne Grund ist der Wunsch Influencer zu werden weit verbreitet - vermutlich auch unter den Fit2Share'lern. Einige unserer Befragten haben sich selbst bereits als Influencer bezeichnet. Für sie ist Fitness nicht nur körperliche Fitness: Social Media und Workout verschmelzen zu integralen Bestandteilen ihrer Performance. Und das gilt zunehmend auch für Produkthersteller: wer nicht optimiert, inszeniert, posted, shared und performed und dies auch durch Influencer tun lässt, der erntet wenig Likes.
Zur Studie:
"Germany in Motion" ist eine Studie der Gesellschaft für Innovative Marktforschung. Die Fitness-Typologie unterteilt deutsche FreizeitsportlerInnen in fünf unterschiedliche Segmente. Für die Studie wurden im Frühsommer 2018 knapp 1.000 deutsche Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mindestens einmal die Woche Sport machen, online befragt.
Zur Autorin:
Patricia Blau ist Corporate Director bei der GIM Gesellschaft für innovative Marktforschung in Heidelberg. Seit 2002 bei der GIM tätig, liegen ihre forscherischen Schwerpunkte insbesondere auf Consumer Health, FMCG und Social Media-Research. Als passionierte Freizeitsportlerin hat sie zudem ein besonderes Interesse an der Fitness-Branche.
Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden