- marktforschung.de
- Marktforschung
- Die Europäische Datenschutz-Grundverordnung – Rechtsgrundlagen der Markt- und Meinungsforschung
Die Europäische Datenschutz-Grundverordnung – Rechtsgrundlagen der Markt- und Meinungsforschung
Von Erich Wiegand
Das Formerfordernis der Einwilligung der Betroffenen in die Erhebung der sie betreffenden personenbezogenen Daten ist für die Markt- und Meinungsforschung in Deutschland seit es die Gesetzgebung zum Datenschutz gibt von zentraler Bedeutung. Ohne die wegen des Vorliegens besonderer Umstände grundsätzlich zuerkannte Befreiung von dem Erfordernis der auch heute noch als Regelfall in § 4a BDSG normierten Schriftform der Einwilligung wäre es kaum möglich, Umfragen in der gewohnt hohen wissenschaftlichen Qualität durchzuführen. Umso bedeutsamer war es festzustellen, dass diesbezüglich der Markt- und Meinungsforschung durch die Datenschutz-Grundverordnung kein neues Damoklesschwert droht.
Die Datenschutz-Grundverordnung sieht kein bestimmtes Formerfordernis für die Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten vor. Gemäß der Begriffsbestimmung in Art. 4 Nr. 11 gilt "jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung" als Einwilligung der betroffenen Person in die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Von Bedeutung für die Einschätzung der Rechtswirksamkeit einer Einwilligung ist darüber hinaus der im Erwägungsgrund 32 enthaltene Hinweis, dass "Stillschweigen, bereits angekreuzte Kästchen oder Untätigkeit der betroffenen Personen […] keine Einwilligung darstellen."
Die Vorschriften des Artikels 7 konkretisieren den in Art. 6 Abs. 1 lit. a normierten Erlaubnistatbestand der Verarbeitung personenbezogener Daten auf Grundlage der Einwilligung. Zweifellos dominiert in der Markt- und Meinungsforschung die Einwilligung der Betroffenen als Rechtsgrundlage der Verarbeitung personenbezogener Daten. Aber nicht in allen Schritten des Forschungsprozesses ist es möglich, diese Einwilligung einzuholen. Das gilt insbesondere für das Ziehen von Stichproben und die Erhebung personenbezogener Daten anderer Personen – zumeist anderer Haushaltsmitglieder – beim Befragten. In diesen Fällen tritt Art. 6 Abs. 1 lit. f als Rechtsgrundlage der Verarbeitung personenbezogener Daten ein.
Die Anwendung von Art. 6 Abs. 1 lit. f als Rechtsgrundlage für die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke der Markt- und Meinungsforschung setzt eine Rechtsgüterabwägung zwischen den berechtigten Interessen des Verantwortlichen (des Forschungsinstituts) oder eines Dritten (des Auftraggebers) und den Interessen, Grundrechten und Grundfreiheiten der betroffenen Person (der potenziellen Studienteilnehmer) voraus. Sowohl das wirtschaftliche Eigeninteresse der privatwirtschaftlichen Forschungsinstitute an der Durchführung wissenschaftlicher Studien als auch das Interesse ihrer öffentlichen und privaten Auftraggeber an den Forschungsergebnissen als Grundlage und zur Unterstützung politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen sind als berechtigte Interessen anzusehen.
Diesen Interessen steht seitens der Betroffenen deren Interesse am Schutz ihrer personenbezogenen Daten entgegen. Die grundsätzliche Privilegierung wissenschaftlicher Forschung und die geringe Eingriffstiefe in die Privatsphäre der Betroffenen aufgrund der risikominimierenden Art der Verarbeitung personenbezogener Daten in der Markt- und Meinungsforschung durch die Anwendung datenschutzfreundlicher Maßnahmen – wie der Pseudonymisierung und der Anonymisierung der erhobenen Daten zum jeweils frühestmöglichen Zeitpunkt – im Rahmen der berufsständischen Verhaltensregeln der Profession führen regelmäßig dazu, dass das Interesse der Betroffenen am Schutz der personenbezogenen Daten die berechtigten Interessen des Forschungsinstituts oder des Auftraggebers nicht überwiegt. Folglich ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Markt- und Meinungsforschung auf der Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f zulässig.
Während das Fehlen einer spezifischen Erlaubnisnorm für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu wissenschaftlichen Forschungszwecken in der Datenschutz-Grundverordnung zu Recht kritisiert wird, trifft diese Kritik auf die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten nicht zu. In Art. 5 Abs. 1 lit. b wird die Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten für wissenschaftliche Forschungszwecke als nicht unvereinbar mit den festgelegten, eindeutigen und legitimen Zwecken normiert, zu denen diese Daten ursprünglich erhoben wurden. Damit wird eine Erlaubnisnorm für die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten zu wissenschaftlichen Forschungszwecken als Ausnahme vom datenschutzrechtlichen Grundsatz der "Zweckbindung" der Verarbeitung personenbezogener Daten geschaffen.
Ebenfalls bedeutsam für die Praxis der Markt- und Meinungsforschung ist die in Art. 5 Abs. 1 lit. e normierte Ausnahme der Verarbeitung personenbezogener Daten für wissenschaftliche Forschungszwecke von der Pflicht zur "Speicherbegrenzung", nach der personenbezogene Daten ausschließlich für wissenschaftliche Forschungszwecke länger gespeichert werden dürfen, als es erforderlich ist. Bedingung für die Zulässigkeit dieser Regelung ist, dass organisatorische und technische Maßnahmen zum Schutz dieser Daten gemäß Artikel 89 getroffen werden. Im Fall der Markt- und Meinungsforschung kommt diesbezüglich insbesondere deren frühestmögliche Pseudonymisierung in Betracht.
Auf weitere für die Markt- und Meinungsforschung relevante Rechtsvorschriften der Datenschutz-Grundverordnung sowie auf das sich gegenwärtig im Gesetzgebungsverfahren befindliche Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz werde ich im nächsten Beitrag dieser Reihe eingehen.
Der Autor

Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden