Sandra Baethge, IWD market research "Die Erkenntnisse müssen dem Händler in Echtzeit zugehen, damit dieser zeitnah reagieren kann."
marktforschung.de: Frau Baethge, was ist das Ziel von Mystery-Shopping? Was deckt Mystery-Shopping auf?
Sandra Baethge: Für mich ist Mystery-Shopping einer der spannendsten und kreativsten Wege zu prüfen, ob das, was sich unsere Handelskunden am Schreibtisch ausgedacht haben, in der Realität wirklich so funktioniert und umgesetzt wird. Diese verdeckten Testkäufe sind unabhängige Qualitätschecks aus der Sicht des Konsumenten. Der Auftraggeber definiert dabei das SOLL (also z.B. "Wie soll sich mein Personal in der Situation verhalten?" oder "Wie soll das Produkt platziert sein?") und wir überprüfen als unabhängiger Gutachter systematisch und revisionssicher, ob und wo es in der Realität Abweichungen gibt. Was funktioniert und wo ergeben sich Optimierungspotentiale?
Die Mystery-Checker schlüpfen für diese verdeckten Tests in die Rolle der Konsumenten und begeben sich in realistische Kaufsituationen – sei es in den Filialen oder aber zu Hause. So führen sie z.B. auf der Fläche Testkäufe durch oder aber lassen sich beraten. Stärken und Schwächen in der Kundenansprache und –betreuung können über diesen Weg genauso identifiziert werden wie beim Kaufabschluss oder an der Kasse. Zudem können die Tester auch prüfen, ob Werbemittel und Produkte nach Vorgabe präsentiert werden.
Spannend ist das Thema auch, weil die Erkenntnisse wahnsinnig schnell, quasi in Echtzeit, an den Händler gelangen müssen damit dieser zeitnah reagieren kann. Stellen wir zum Beispiel fest, dass es verschimmeltes Obst in den Auslagen einer Filiale gibt, ist es vor allem im Interesse des einzelnen Händlers, dass dieser Mangel nicht nur schnell erkannt, sondern noch schneller beseitigt wird. Das IWD kann diese Reaktionszeit von der Erkenntnis bis zur Anpassung auf der Fläche durch den Einsatz technologischer Tools signifikant verkürzen.
marktforschung.de: Welche Kunden nehmen die Leistungen von IWD market research in diesem Bereich in Anspruch? Mit welchen Aufträgen treten Ihre Kunden an Sie heran?
Sandra Baethge: Im Grunde müssten Testkäufe als (Selbst-)Kontrolle immer dann durchgeführt werden, wenn der Händler auf den Konsumenten trifft, sei es auf der Fläche oder aber über andere Kanäle. So unterstützen wir unsere Kunden zum Beispiel bei der Überprüfung der Warenpräsentation, identifizieren unerwünschte Schwächen in der Sauberkeit oder in der Frische & Qualität der angebotenen Waren. Das ist gerade im Bereich des sensiblen Obst & Gemüses hochrelevant. Zudem beobachten wir auch das Auftreten der Mitarbeiter auf der Fläche. Neben den Aspekten der Sauberkeit und Freundlichkeit geht es hierbei unter anderem auch um das aktive Ansprechen von Werbeaktionen oder die Beratung zu Kundenbindungsprogrammen.
Neben diesen klassischen Tests auf der Fläche ist es aber genauso wichtig zu prüfen, ob zum Beispiel auch die online bestellte Gartensauna pünktlich, unversehrt, vollständig und mit dem bestellten Aufbauservice beim Konsumenten ankommen.
Die Vielfältigkeit der Aufgabenstellung macht das Produkt "Mystery Shopping" unheimlich spannend, denn näher kann man nicht am Einkaufserlebnis und am Konsumenten sein als über diese Art der Forschung.
marktforschung.de: Welche Schlüsse lassen sich für die Kunden nach Ihren Auswertungen ziehen? Welche Konsequenzen folgen?
Sandra Baethge: Für unsere Kunden ist es wichtig zu schauen, wie man das Personal auf der Fläche oder im Office am besten bei dessen täglicher Arbeit unterstützen kann. Die Mitarbeiter und das Warenangebot sind die relevanten Schnittstellen im täglichen Arbeiten auf der Fläche, haben sie doch den direkten und ungefilterten Kontakt zum wichtigsten Akteur in dem Spiel, dem Käufer.
Die Testkäufe dienen dazu, zu schauen, an welchen Punkten noch angesetzt werden muss, um das Einkaufserlebnis noch besser zu machen. Letztendlich lassen sich so die klassischen KPIs wie Warenkorbgröße und Einkaufsfrequenz über eine höhere Zufriedenheit steigern.
Gibt es Abweichungen zum Soll, kann es z.B. Nachschulungen der Mitarbeiter zu verschiedenen Beratungsthemen geben oder es können Maßnahmen eingeleitet werden, um die frische des Obst & Gemüses in kürzeren Abständen zu überprüfen.
marktforschung.de: Das IWD bietet seinen Kunden im Bereich Mystery-Shopping sowohl die klassische, analoge Mystery-Shopping-Strategie am PoS, als auch E-Mystery-Shopping an. Welche Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede weisen diese Methoden auf?
Sandra Baethge: Ein Großteil unserer Kunden ist nicht nur auf der traditionellen Fläche unterwegs, sondern hat sich parallel auch ein Onlinegeschäft aufgebaut. Wenn es doch wichtig ist, dass der Käufer auf der Fläche ein perfektes Einkaufserlebnis genießen darf, so muss dieser hohe Anspruch auch beim Kauf im Onlineshop angesetzt werden. Hier geht es im Gegensatz zur Fläche dann eher um die Handhabung, Verständlichkeit und Usability des Shops. Final ist es das Ziel der Händler, dem Konsumenten dessen Einkauf im Onlineshop so einfach und unkompliziert wie möglich zu gestalten, möglichst ohne Verwirrung, lange Wartezeiten oder aber technische Bugs. Zudem ist meist auch ein externer Zulieferer in der Kette. Auch hier gilt es zu prüfen, ob dieser wiederum seinen Job wie vereinbart macht. Kommt die Lieferung pünktlich? Ist der Inhalt korrekt, unversehrt und vollständig?
marktforschung.de: Was bringt die Erweiterung des analogen durch das Online-Mystery-Shopping für Mehrwerte?
Sandra Baethge: Der Käufer wird diverser und erwartet eine parallele Nutzung beider Kanäle. Selten wird die Fläche komplett durch den Onlineshop ersetzt, es ist mehr ein sich möglichst harmonisches Ergänzen. Nun sehen sich unsere Kunden in diesem Fall einem ganz neuem Wettbewerb gegenüber – den etablierten Onlineshops wie Amazon und Zalando. Der Konsument hat die gleichen hohen Erwartungen an deren Onlineshop wie er sie von diesen großen Playern gewöhnt ist. Same Day Delivery, kostenfreie Retouren, intuitive Bestelloberfläche – das sind die Herausforderungen denen sich gestellt werden muss, wenn man hier langfristig mitspielen will.
Beide Kanäle können sich aus Käufersicht stark beeinflussen. Habe ich Probleme bei meiner Onlinebestellung, ist das alles also viel zu kompliziert und umständlich oder funktioniert es im schlechtesten Fall nicht, wird das automatisch auf das Unternehmen als Ganzes bezogen. Die Motivation, den Händler auf der Fläche aufzusuchen, sinkt. Sind die Mitarbeiter auf der Fläche nicht gebrieft, wie mit Instore-Retouren umzugehen ist oder aber können – oder schlimmer noch – wollen die Mitarbeiter auf der Fläche keine adäquate Auskunft zum Onlineshop geben, leidet auch hier das gesamte Unternehmensbild. Ein Onlineshop ist nur so gut, wie die Menschen dahinter, und dazu zählen eben auch die Mitarbeiter auf der Fläche.
marktforschung.de: Wie läuft ein Mystery-Shopping-Projekt bei Ihnen ab? Können Sie ein Beispiel nennen?
Sandra Baethge: Zunächst stimmen wir im Vorfeld zusammen mit dem Kunden ab, welche Aspekte getestet werden sollen. Hierzu ist es erst einmal wichtig zu wissen, welche internen Richtlinien und Regelungen es hierzu gibt. So kann der Soll-Zustand ermittelt werden.
Auf der anderen Seite gilt es, die Testkäufer fit zu machen für die Checks. Um sicherzustellen, dass alle Checks unabhängig von der Person, die sie durchführt, zu objektiven Testergebnissen kommen, ist es unabdingbar, die Tester im Vorfeld zu kalibrieren, also deren Prüfverhalten anzugleichen.
Dann geht es ins z.B. in das Testfeld auf die Fläche:
Sämtliche Checkpunkte werden programmiert und auf das Smartphone des Testers gesendet. Dieser kann den Bogen während des normalen Einkaufes unerkannt nutzen, gehört es doch heutzutage zum Bild auf der Fläche, dass die Kunden das Smartphone während ihres Besuches immer dabei haben; sei es um Nachrichten zu schreiben, Einkaufslisten zu prüfen oder aber auch Rezepte anzuschauen. Anhand der Programmierung wird der Testkäufer durch den Markt geleitet. An jedem Testpunkt kann unverzüglich die Bewertung eingegeben und sofern notwendig mit Fotos des gefundenen Fehlers belegt werden. Über die Maßnahmen der Kalibrierung und der Dokumentation können die Checks revisionssicher und standardisiert umgesetzt werden, egal ob sie einen oder hunderte Standorte checken.
Essentiell ist am Ende die umgehende Kommunikation der Checkergebnisse an den Kunden über Online-Dashboards. Über kurze Feedbackloops kann der Kunde unmittelbar mit den Checkergebnissen arbeiten und eventuelle Mängel vor Ort umgehend beseitigen – und das agil, schnell, digital und flexibel.
marktforschung.de: Nach welchen Qualitätskriterien agieren Sie im Hinblick auf die Mystery-Shopping-Projekte?
Sandra Baethge: Der Händler muss sich auf die Ergebnisse verlassen können. Deshalb sind höchste Qualität und eine revisionssichere Güte der Daten oberste Voraussetzung. Als ISO20252-zertifiziertes Institut ist es für uns entscheidend, an allen Prozessstufen jederzeit und immer wieder zu prüfen, ob die Prozesse sicher und effektiv sind. Wie bereits beschrieben, werden die Tester in einem langen Auswahlprozess rekrutiert, geprüft und individuell für jedes Projekt selektiert und geschult. Die technische Umsetzung der Checks erlaubt eine unmittelbare Übertragung der Bewertungen.
Das Projektteam bei uns im Office ist die zweite Säule für höchste Güte bei der Umsetzung und den Ergebnissen. Die digitale Verwaltung und Bewertung der Tester sowie regelmäßige Feedbacks sorgen für eine transparente Kommunikation der hohen Erwartungen. Durch die digitale Aufnahme der Tests können wir die Daten gleich nach Eingang ausgiebig auf Plausibilität und Vollständigkeit prüfen. So hat der Auftraggeber schnell sein Ergebnis und wir können im Falle von Rückfragen umgehend an den Tester herantreten. Kampfentscheidend ist dann final die schnelle digitale Rückmeldung der Ergebnisse im Dashboard um auf eventuelle Mängel umgehend reagieren zu können.
marktforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Baethge.
Zur Person: Sandra Baethge ist Prokuristin der IWD market research GmbH und betreut seit 15 Jahren als Senior Projektmanager nationale und internationale Handelskunden. Zudem lehrt sie seit 2015 an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn "Quantitative Marktforschung" am Lehrstuhl BWL Handel in den Vertiefungen Konsugüterhandel sowie Fashion Management.
Das Interview führte Gessica Uerling
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