Edward Appleton, Happy Thinking People Die digitalisierte Welt der Marktforschung Teil 3 – Die neuen Tech "Facilitators" oder "Influencers"

Kommen wir zur dritten Zielgruppe, die neuen Tech "Facilitators" oder "Influencers" – da führt kein Weg an GreenBook vorbei, samt verbundenen Suborganisationen wie IIEX Konferenzen, Innovation Wettbewerbe, oder die jüngst gegründete IIEX Accelerator.

Edward Appleton, Happy Thinking People © Happy Thinking People

Edward Appleton, Happy Thinking People © Happy Thinking People

Viele in Deutschland kennen inzwischen die IIEX Konferenz in Amsterdam, ein quirliges, jährliches Forum wo Startups potentielle Kunden treffen, neue Mafo-Ansätze aller Arten anbieten. 2017 waren über 600 Besucher dabei, der Kundenanteil angeblich über 30 Prozent - beachtlich.

Was bewirkt IIEX? Viele Newcomer, häufig Tech-Firmen, treffen auf namhafte End-Kunden wie Heineken oder Unilever. Viele der Startups geben offen zu, sie hätten von Marktforschung wenig oder gar keine Ahnung – aber die Schnittstellen werden gesucht und potenzielle Anwendungsbereiche diskutiert. 

Ich war selbst schon mehrere Male bei der IIEX in Europa und fand es bisher immer erfrischend – alles ist auf Zack, man rennt fast von einem Vortrag zum nächsten, befindet sich in einer Welt, die sich von der in Teilen noch immer akademisch-trockenen Mafo-Welt bewusst absetzt. 

Die Botschaft ist klar: Marktforschung geht auch anders, sie muss sich neu erfinden, um nicht in einer agilen, digitalisierten Welt abgehängt zu werden.  

Auch hier gibt es aber eine Schattenseite. Ob das Gute und Bewährte aus der bisherigen Praxis überlebt – diese Sorge steht auf der IIEX sicherlich nicht im Mittelpunkt. Die Tech-Welle, wie auf der IIEX erlebt, wirkt unnachgiebig, ungeduldig – die nächste digitale Lösung lauert ja um die Ecke. Konzepte wie „fail-fast-forward“ werden mit weit offenen Armen empfangen – wen kümmern denn seit Jahrzehnten bewährte Erkenntnisse der Sozialwissenschaft und Marktforschung? 

Es überrascht in diesem Zusammenhang auch nicht, folgenden Satz von GreenBook-Chef, Leonard Murphy zu lesen – zitiert aus einem NewMR Webinar über "Künstliche Intelligenz in der Marktforschung" vom September 2016:

„In the longer term, AI [KI] will transform industries. Market Research is a particularly fertile ground”.

Ohne die Besitzverhältnisse der etlichen IIEX Europe-Austeller zu kennen: aus der Investoren-Perspektive ist das Startup Businessmodell ein höchst interessantes und womöglich lukratives. Bei einer cleveren Investment-Streuung über, sagen wir, 30 dieser auf Skalierbarkeit fokussierten Startups, ist es für eine gute Rendite vollkommen ausreichend, wenn auch nur eins dieser Unternehmen mittel- bis langfristig Erfolg hat.

Zwischenfazit: Die wahren Nutznießer der Mafo-Tech-Welle sind vielleicht weder betrieblichen Marktforscher, noch Institute, sondern Kapitalgeber mit einem begrenzten Zeithorizont. 

Abschließen möchte ich mit einer Beobachtung von Stan Sthanunathan anlässlich der UK MRS Konferenz, Impact 2018. Er geht auf den zentralen, sich wandelnden Marktforschungsbegriff "Intelligence" ein: 

"Augmented intelligence [sic] is a way of fusing human intelligence and artificial intelligence in a time-efficient pursuit of impact and action"

Impact und Action. Wenn uns Tech-Innovationen mehr Zeit für "das Wahre" verschaffen und uns von redundanten Aufgaben befreien, damit wir strategischer agieren, klarere und bessere Handlungsempfehlungen mit eindeutigem Impact abgeben und somit unsere Expertise als Insights-Profis unter Beweis stellen können – dann bestens. 

Wenn dadurch aber alles nur noch taktischer und schneller wird, die Taktung nur noch einer immer weiter steigenden Fieberkurve gleicht, dann müssen wir aufpassen. Dann müssen wir uns klarer positionieren, besser vermarkten, unsere Skill Sets aggressiver verteidigen und letztendlich neue Markt-Konstellationen schaffen. 

Nicht jeder, der eine DIY Mafo-Software bedient, kennt oder respektiert Best Practice bei der Fragebogen-Konzeption. Nicht jeder Data Scientist ist gut gewappnet, einem Marketing Director eine gezielte und wirksame Problemlösung zu liefern. 

Vielleicht setzt mit dem gerade diskutierten Techlash auch bereits eine Gegentrendwende ein – ausgelöst von ehemaligen Pionieren des Silicon Valleys. Auch wenn der Facebook-Skandal erst einmal wieder in Vergessenheit geraten ist und keine nennenswerten Abwanderungen aus den sozialen Netzwerken nach sich gezogen hat – nicht wenige Menschen scheinen zunehmend kritischer und "tech-müde" zu werden. Entstehen daraus eventuell neue Chancen, auch für die Mafo-Branche? Nicht als Rückkehr zu dem wie es mal war, sondern vielmehr als ein dialektisches "Back to the Future"?

Der Autor

Edward Appleton ist Director Global Marketing bei Happy Thinking People. Appleton ist seit über 20 Jahren in der Marktforschung tätig und langjähriger Autor für marktforschung.de.

 

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