Blog aus China Die chinesische Freude am Sportwagen

Auto-Show Shanghai – Sinnbild für die Bedeutung des chinesischen Automarkts
Die Auto-Show in Shanghai ist übrigens inzwischen die größte Auto-Show Asiens. Sie bot auch dieses Jahr einige Superlative, die unterstreichen, welche Bedeutung der chinesische Automarkt hat:
- Ca. 1.000 Aussteller aus 18 Ländern
- 1.400 ausgestellte Fahrzeuge, davon 113 als Welt-Premiere
- 11.000 Journalisten von 2.035 chinesischen und internationalen Medien
- Mehr als 1 Million Besucher in zehn Tagen
Quellen: Das chinesische Wikipedia Baike: Automobile Shanghai und http://www.autoshanghai.org/article/10336?lang=en
Für die unzähligen, insbesondere chinesischen, Interessierten, die nicht selbst zur Show kommen konnten oder aber die zehn Tage dauernde Show nicht komplett mitmachen wollten, existiert ein riesiges Online-Angebot. Dazu gibt es ebenfalls beeindruckende Daten:
- Täglich wurden über Online-Plattformen 6.500 Pressemeldungen verbreitet;
- Es gab 40 Millionen Clicks auf die Live-Online-Videos der Website der Show
- 600 Millionen Clicks auf private Videos, die über Social-Media-Plattformen verbreitet wurden
- 2.000 Online-Bestellungen von Autos während der Messe (Autohändler bieten an den Messetagen besondere Rabatte)
Quelle: http://www.autoshanghai.org/article/10336?lang=en
Premium-Sportwagen – Publikumsmagnet und Umsatzbringer
Seit 1985, als die Messe das erste Mal stattfand, hat sich in Sachen Auto einiges bei den chinesischen Konsumenten geändert. Damals präsentierte Volkswagen seinen Santana, der zum Highlight der Messe wurde und in der Folge DAS meist verbreitete internationale Auto-Modell in China wurde. Heute ist die beliebteste Halle die “Halle 8.1“ mit den Edel-Karossen von Porsche, Aston-Martin, McLaren, Ferrari, Lamborghini, Bentley, Maserati, Rolls-Royce, etc. Und es sind gerade die PS-starken Autos, die dort eine besondere Faszination ausüben.
Dies schlägt sich in den Verkaufszahlen der entsprechenden Automarken nieder. Nicht nur SUVs und große Limousinen sind erfolgreich in China, sondern eben auch Sportwagen. So berichten McLaren, Lamborghini und Porsche in ihren Jahresberichten von 2016 unisono von den “höchsten Verkaufszahlen“ seit dem chinesischen Markteintritt. Bei Porsche hat China USA als umsatzstärksten Markt abgelöst. 2016 hat Porsche 65.246 Autos verkauft, 12,5 Prozent mehr als 2015 (Quelle: www.sohu.com/a/124198889_142231).
Die Tradition der chinesischen Liebe zum Sportwagen
Die Liebe zu sportlichen Autos hat in China eine gewisse Tradition. Anfang der 90er Jahre wurden die ersten Autoclubs gegründet und die Mehrheit der Mitglieder waren von Anfang Besitzer von (internationalen) Sportwagen, die sich auch in Kleidung und Auftreten gerne sportlich gaben. Schon damals entstand die Tradition der gemeinsamen “Ausfahrten“, bei denen man in Kolonne aufs Land hinausfuhr und gemeinsam Spaß an seinen Autos hatte. Seit etwa 2007 gab es dann einen richtigen Boom bei der Gründung von Sportwagen-Clubs; zuerst in den großen Zentren wie Peking, Shanghai und Chengdu, später dann in weiteren Millionenstädten. Der größte Club heißt SCC (“Sports Car Club”), wurde 2009 in Peking gegründet und hat Filialen in 23 weiteren Städten. Mitglied im SCC kann werden, wer einen Porsche 911 fährt – oder ein äquivalentes Auto, das mindestens so teuer ist. Derzeit hat der SCC 1.700 Mitglieder mit insgesamt 1.900 registrierten Fahrzeugen.
Auto-Sportclubs – Muskelspiele der ”jeunesse dorée“
Mit steigender Zahl an Sportwagenclubs mehrte sich auch die Kritik daran, vor allem im Zusammenhang mit Unfällen von betrunkenen Sportwagenfahrern. Viele Unfallfahrer galten als typische Vertreter der “Reichen zweiten Generation“ (chinesisch: “富二代”), also unserer chinesischen “jeunesse dorée“, die vom Reichtum ihrer erfolgreichen Eltern profitieren und als verwöhnt, egoistisch und hochmütig angesehen werden. In der Tat gab es vor ein paar Jahren viele Vorfälle, bei denen solche Leute nachts zum Spaß und ohne Rücksicht auf Verluste durch die Städte jagten oder gefährliche Rennen abhielten. Und viele Chinesen gehen davon aus, dass die Mitglieder der Sportclubs genau solche Typen sind – verständlich in einer Gesellschaft mit wachsender Ungleichheit und Einkommensunterschieden. Allerdings organisieren die meisten Auto-Sportclubs inzwischen Rennen auf gesperrten Strecken und ausgewiesenen Rennstrecken. Ein ganz großes Event findet regelmäßig auf dem Shanghaier Formel-1-Ring statt.
Wohltätige Veranstaltungen zur Imagepflege
Seit einigen Jahren organisieren die Auto-Sportclubs auch wohltätige Veranstaltungen und Aktionen. Zum Beispiel hat der SCC im Jahre 2013 nach einem Erdbeben in der Sichuan Provinz, auf der Basis von Mitgliederspenden die Neuerrichtung einer Grundschule ermöglicht. Mitglieder sind in die Provinz Sichuan gereist, und unterstützen dort bedürftige Kinder. Mit solchen und ähnlichen Aktivitäten betreiben die Clubs eine erfolgreiche Imagepflege. Seitdem hat sich das Bild der Auto-Sportclubs in der Gesellschaft grundlegend verbessert.
Zusätzlich sind Auto-Sportclubs inzwischen besonders sorgfältig bei der Auswahl ihrer Mitglieder. Wer heute zum Beispiel im SCC Mitglied werden möchte, muss nicht nur das passende Auto haben, sondern wird sowohl hinsichtlich seiner Vermögensverhältnisse als auch im Hinblick auf das passende Sozialverhalten überprüft. Dies schließt neben Empfehlungen von bestehenden Mitgliedern sogar die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses ein.
Auto-Sportclubs heute – gemeinsames Hobby & Networking
Heute findet man in den Automobil-Clubs weiterhin Mitglieder der “jeunesse dorée”. Aber die allermeisten haben sich ihren Wohlstand selbst erarbeitet und können sich jetzt ihren Traum vom Sportwagen realisieren. Bestes Beispiel ist der Gründer der SCC, Herr Fu Li. Er kommt aus einer armen Bauernfamilie aus dem Nordosten Chinas und hat seine Schulausbildung mit Hilfe eines staatlichen Stipendiums absolviert. Andernfalls hätte er schon früh Vollzeit im elterlichen Betrieb mitarbeiten müssen. Er machte dann Karriere mit Film und TV-Produktionen. Nach einigen Jahren großer Erfolge widmete er sich seiner Passion, den Sportwagen. Er gründete den SCC, den er auch wieder zu einem großen geschäftlichen Erfolg machte. Für die Mitglieder ist der SCC eine Möglichkeit, mit Gleichgesinnten ein gemeinsames Hobby zu pflegen und dabei nützliche Kontakte zu anderen Geschäftsleuten aufzubauen. Beides, gemeinsame Freizeitaktivitäten und Networking sind in China traditionell bislang eher in der Familie verortet. Dass dies in den Autoclubs eben nicht im Familienkontext stattfindet, ist das Innovative an diesen Clubs. Es wird spannend sein, in den nächsten Jahren zu beobachten, wie sich diese Clubs weiterentwickeln und inwiefern sie ein Blueprint sein können für andere zivilgesellschaftliche Organisationen.
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