Sabine Menzel, L’Oréal "Die Arbeit des Marktforschers endet nicht mit dem Teilen der Ergebnisse, sondern fängt damit erst richtig an."

Gemeinsam mit ihrer Fachabteilung bei L’Oréal erarbeitet Sabine Menzel auf Basis von Markt- und Konsumenten-Insights künftige Wachstumstreiber. Sie beeinflussen damit strategische Entscheidungen und die Umsetzung.

marktforschung.de: Frau Menzel, Sie betonen gerne, dass Marktforschungsprojekte oft Gefahr laufen, ohne Business Impact zu bleiben. Was meinen Sie damit konkret?

Sabine Menzel: Wenn man ein Projekt auf Briefing durchführt, präsentiert und verteilt, bleibt es in seiner Nutzung unter den Möglichkeiten. Meine Erfahrung ist, dass ein Projekt mit drängenden Business-Fragestellungen, zum Start einen umfassendem Austausch mit allen internen Stakeholdern braucht, während der Konzeption und später dann einen gemeinsame Diskussion. Das führt zum besten Impact. Bei der Analyse von Daten und Insights beantworten wir immer die Fragen ‚So What?‘ und ‚What Now?‘ und spiegeln gemeinsam mit den Nutzern ihre Perspektive.
 
marktforschung.de: Gibt es Ihrer Meinung nach eine klare Grenze, bei der die Arbeit des Forschers endet und die der strategischen Umsetzung beginnt?

Sabine Menzel: Aus unserer Sicht endet die Arbeit des Marktforschers nicht mit dem Teilen der Ergebnisse, sondern damit fängt sie erst richtig an. Denn es ist unsere Aufgabe und Verantwortung, den Impact der Zeit- und Geldinvestition aller Beteiligten sicher zu stellen. Wir kennen die Daten am besten und unsere Rolle lautet "Drive Business Decisions". Ich möchte ein Beispiel geben: Wir erarbeiten auf Basis von Markt- und Konsumenten-Insights die künftigen Wachstumstreiber und beeinflussen somit strategische Entscheidungen. Die konkrete Umsetzung liegt natürlich in den Fachabteilungen.
 
marktforschung.de: Welche Rolle spielen externe Marktforschungsinstitute in Ihrem Haus und was erwarten Sie von Ihnen?

Sabine Menzel: Nach wie vor sind unsere Institutspartner unerlässlich, um valide Daten und Insights zu erarbeiten bzw. uns dies in-house zu ermöglichen. Wir brauchen ihre kontinuierliche methodische Innovationskraft, um aus den immer vielfältiger verfügbaren Daten neue Erkenntnisse zu Markttrends und Consumer Journeys zu gewinnen. Hier spielen Analysetool-Partner für uns eine wachsende Rolle und stehen gleichberechtigt neben klassischen Marktforschungsinstituten. Der beste Analyseansatz entscheidet, mit wem eine Fragestellung geklärt wird.

marktforschung.de: Können Sie ein Beispiel für ein Projekt nennen, bei dem Forschung und Beratung optimal verzahnt waren/sind?

Sabine Menzel: Ich denke Design Thinking Projekte, in denen wir gemeinsam mit unserem Category Development, Marketing und Vertrieb und in sehr enger Zusammenarbeit mit einem Handelspartner für eine Warengruppe neue Lösungen arbeiten, sind ein schönes Beispiel für integrative Forschungs-, Beratungs- und Entwicklungsarbeit. Man sollte sich die ‚Beratungsleistung‘ einer Marktforschungsabteilung nicht als einseitige Kommunikationsrichtung vorstellen, sondern das ist eine enge Diskussion und ein enger Austausch. Ziel ist, die beste Lösung zu finden.
 
marktforschung.de: Wie positionieren Sie sich persönlich innerhalb von L’Oréal: Sehen Sie sich als Marktforscherin oder als Beraterin?

Sabine Menzel: Diese Frage möchte ich nicht nur für mich sondern für unser ganzes Team beantworten. Unsere Abteilung nennt sich ‚Consumer & Market Intelligence‘ und wir handeln als Business Partner. Wir arbeiten methodenbasiert als Marktforscher und Analysten und unterstützen unseren Kolleginnen und Kollegen in vielen Abteilungen und Geschäftsbereichen in einem beratenden Austausch.

marktforschung.de:
Kann nach Ihrer Erfahrung nur derjenige gut beraten, der auch einen tiefen Einblick in die Daten hat?

Sabine Menzel: Tiefer Dateneinblick ist nötig, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Diese müssen dann aber auf die wesentlichen, die entscheidenden Informationen reduziert werden, um sie leicht vermitteln zu können. Verständliche Key-Erkenntnisse sind hilfreich, um richtige Entscheidungen ableiten zu können. Zugleich braucht es umfassendes, aktuelles Kontext-Wissen und breite Erfahrungen, um erfolgsversprechende Empfehlungen zu geben.
Und schließlich ist eine Marktforschungsabteilung ja nur EINE von mehreren wissensbildenden Abteilungen. Überall im Unternehmen entstehen entscheidungsrelevante Analysen: im Marketing und Category Development, in den Business Intelligence- und Finance-Abteilungen.
Darum spreche ich davon, dass ‚Beratung‘ kein einseitiges ‚Senden‘ von Empfehlungen ist, sondern ein gemeinsames Erarbeiten von Handlungsoptionen.

marktforschung.de: In einem Interview mit marktforschung.de haben Sie mal gesagt, dass Sie an "Learning bei Doing" glauben. Was lernt man eher ‘on the job’ Methodenkompetenz oder Beratungskompetenz?

Sabine Menzel: Ich würde sagen, beides. Methodenkompetenz kann man zwar in der Theorie erwerben, aber der Einsatz in praktischen Projekten ist der entscheidende Moment of 'Truth'. Beratungskompetenz kann ohnehin aufgrund der Interaktivität am besten im konkreten Projekt geübt und verfeinert werden.

marktforschung.de: Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Ein Trend in der Marktforschungsbranche betrifft die automatisierte Datenauswertung und nachfolgende Analyse mit KI. Braucht es bei zunehmend automatisierten Researchprozessen in Zukunft mehr strategische Beratung?

Sabine Menzel: Viele Branchen sind deutlich komplexer geworden. Nehmen wir die Konsumgüterindustrie, in der heute viel mehr Touchpoints bespielt werden müssen. Für die richtige Priorisierung braucht und gibt es immer mehr Analysedaten. Automatisierung und KI werden uns hoffentlich helfen, der Datenflut Herr zu bleiben und diese auf die wesentlichen Fakten und Erkenntnisse reduzieren zu können. Für schlanke Entscheidungsfindung braucht es idealerweise sogar weniger Beratung - wenn die ausgewertete Datenlage aus sich heraus spricht. In der heutigen VUCA (Volatile Uncertain Complex Ambiguous) Welt ist es jedoch sicher ratsam, sich eher intensiver mit den Fakten zu beschäftigen und der Beratung weiterhin das nötige Gewicht zu geben.

marktforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Menzel.

 

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