Stellungnahme BVM und ADM "Die Akte Marktforschung": What's next?

marktforschung.de: Ist eine Mitgliedschaft in Ihrem Verband mit irgendwelchen Selbstregularien beziehungs-weise Kontrollen bezüglich der ordnungsgemäßen Umsetzung von Marktforschung verbunden?
BVM: Voraussetzung für die Aufnahme als Mitglied im BVM ist:
- eine umfangreiche Selbstauskunft
- die Verpflichtung auf den "ICC/ESOMAR Internationaler Kodex für die Markt- und Sozialforschung" - und insbesondere die Deutsche Annahmeerklärung -
- die Verpflichtung zu den Richtlinien und Qualitätsstandards für die deutsche Markt- und Sozialforschung und die Satzung des BVM
- eine klare Trennung zwischen Forschung und forschungsfremden Tätigkeiten.
Darüber hinaus müssen die Antragsteller mindestens ein BVM-Mitglied als Referenz nennen, das Auskunft über ihre marktforscherische Tätigkeit des Antragstellers geben kann und bei auftretenden Unklarheiten auch kontaktiert wird. Bei korporativen (Unternehmens-)Mitgliedern wird die Konformität der Außendarstellung mit den Standesregeln geprüft und gegebenenfalls Nachfragen gestellt. Die Anträge auf Mitgliedschaft werden von einem gewählten Gremium des BVM geprüft, das aus vier langjährigen und erfahrenen persönlichen Mitgliedern besteht. In letzter Instanz prüft der BVM-Vorstand die Anträge und befindet über die Aufnahme beziehungsweise fordert weitere Informationen zu der Person oder dem Unternehmen an (s. § 5 der BVM-Satzung).
ADM: Der ADM und jedes seiner Mitglieder verpflichten sich, alle Belange der Markt- und Sozialforschung zu wahren und zu fördern. Hierzu gehört unter anderem die Wahrung und Förderung der Wissenschaftlichkeit der Markt- und Sozialforschung, die Wahrung des Ansehens der Markt- und Sozialforschung in der Öffentlichkeit und des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Markt- und Sozialforschung sowie die Wahrung und Durchsetzung der Berufsgrundsätze und Standesregeln des ADM. Um diese Belange durchzusetzen, hat der ADM Richtlinien und Verhaltensregeln entwickelt, die im Detail die geltenden Regeln beschreiben. Dazu zählen auch die Qualitätsstandards sowie der ESOMAR-Kodex. Im Jahr 2001 hat der ADM gemeinsam mit den deutschen Verbänden eine unabhängige Beschwerdestelle ins Leben gerufen, den sogenannten "Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung". Die Tätigkeit des Rates lässt sich im übertragenen Sinne mit dem eines Gerichtes vergleichen. Natürlich handelt es sich dabei nicht um ein Gericht im herkömmlichen Sinne, da diese nur von staatlicher Seite eingerichtet werden können. Dennoch ist die Herangehensweise des Rats mit der von Gerichten vergleichbar. Ähnlich wie ein Gericht wird der Rat tätig, wenn es einen Kläger gibt. Das heißt, es muss eine Beschwerde über ein Unternehmen oder über eine Person beim Rat eingereicht werden. Diese nach dem Vorbild des Deutschen Werberats eingesetzte Beschwerdestelle darf – falls begründet – je nach Schwere des Vergehens mittels Abmahnung oder mit einer öffentlichen Rüge reagieren. Das kann auch mit einer Ausschlussempfehlung an den betreffenden Verband und/oder mit der Benachrichtigung einer zuständigen Aufsichtsbehörde verbunden sein. Eine öffentliche Rüge des Rates wegen Betrugs macht es dem entsprechenden Unternehmen schwer, weiter uneingeschränkt erfolgreich am Markt tätig zu sein.
Der Rat kann aber nur tätig werden, wenn Beschwerden eingereicht werden. Wir möchten deshalb alle MarktteilnehmerInnen in Deutschland, also Institute, Auftraggeber und die Öffentlichkeit, auffordern, die Beschwerdemöglichkeit bei Verdachts- oder Streitfällen ethischer oder rechtlicher Natur zu nutzen. Alle nötigen Hinweise finden sich auf der Website des Rates.
marktforschung.de: Sind CSI und ACE noch Mitglieder in Ihrem Verband oder wurden sie ausgeschlossen?
BVM: Der Bundesvorstand kann Mitglieder unter anderem bei gravierendem Verstoß gegen die Standesregeln der deutschen Markt- und Sozialforschung aus dem Verband ausschließen. Dafür steht dem BVM ein weitreichendes Instrumentarium lt. Satzung zur Verfügung (s. § 6 der BVM-Satzung). Bitte haben Sie Verständnis, dass wir über laufende Verfahren keine Auskunft geben können. ACE war und ist jedoch kein korporatives Mitglied des BVM.
ADM: Mittlerweile hat das Unternehmen ja Insolvenz angemeldet. Auch wir haben den öffentlichen Stellen entnommen, dass die beiden in den Spiegelartikeln erwähnten Unternehmen Insolvenz angemeldet haben. Alleine aufgrund eines Artikels kann man in Deutschland niemanden verurteilen. Wir leben in einem Rechtsstaat, der Regeln vorgibt. Genau solche Regeln gibt es auch im Vereinsrecht. Der ADM prüft derzeit die Voraussetzung eines Ausschlusses. Die Satzung sieht hierfür ein vereinsrechtliches Verfahren vor, in der im Rahmen der nächsten Mitgliederversammlung ein Ausschluss beschlossen werden muss. Stellungnahmen der beiden Unternehmen zu den Vorwürfen liegen uns bisher nicht vor.
marktforschung.de: Wie bewerten Sie die Debatte, die sich rund um den SPIEGEL-Artikel entfacht hat - dort ist von 50 Marktforschungsunternehmen die Rede, die mehr oder minder unsauber arbeiten?
BVM: Der BVM begrüßt jede Debatte und Diskussion, die sich mit der Qualität von Marktforschung auseinandersetzt und hilft, diese weiter zu optimieren. Entsprechend nehmen wir Hinweise in diese Richtung sehr ernst und werden diesen schnellstmöglich nachgehen. Des Weiteren werden wir an weiteren Qualitätsregeln und an der Optimierung von Prüfprozessen arbeiten. Eine BVM-Arbeitsgruppe arbeitet bereits daran. Eine pauschale Nennung von 50 Unternehmen halten wir zumindest für grenzwertig. Eine konstruktive Debatte rund um dem Spiegel-Artikel lebt von einer besonderen Wertschätzung von Qualität sowie der Meldung von vermuteten Verstößen bei den dafür vorgesehen Stellen (Verbände bzw. Rat der deutschen Markt- und Sozialforschung je nach Fall). Zunächst gilt jedoch für jeden von uns die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung, solange keine belastbaren Beweise vorliegen. Dies unterstreicht ebenfalls der § 9 (d) des ESOMAR-Kodex "Forscher dürfen andere Forscher nicht ungerechtfertigt kritisieren". Sollten dem BVM Beweise vorgelegt und zur Kenntnis gebracht werden, werden wir umgehend handeln.
ADM: Der ADM verurteilt jegliche Form von Betrug und Fälschung auf das Schärfste. So wie die Fälle in den Artikeln dargestellt wurden, geht es um Verstöße sowohl gegen Standesregeln und Berufsgrundsätze als auch gegen öffentliches Recht. Leider sind einzelne Betrugsfälle in der Branche nie auszuschließen. Allerdings muss man hierbei zwischen einem betrügerischen Verhalten einzelner Interviewer und einer Ermunterung oder gar Aufforderung dazu durch einzelne Feldinstitute differenzieren. Wir haben keinen weiteren Hinweis erhalten, dass diese Vielzahl an Instituten unsauber arbeiten und lehnen es in höchstem Maße ab, aufgrund der Artikel auf die gesamte Branche zu schließen. Der ADM beschäftigt sich stets damit, den hohen Qualitätsanspruch der Branche bei allen Unternehmen durchzusetzen, und entwickelt hierzu immer weiter gehende Mechanismen. Im Rahmen der Selbstregulierung existieren eine Vielzahl von Richtlinien, die festlegen, wie gesetzeskonforme, qualitativ hochwertige und ethisch einwandfreie Markt- und Sozialforschung auszusehen hat. Qualitätsförderung und -steigerung waren, sind und bleiben ein zentrales Anliegen des ADM.
marktforschung.de: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Debatte?
BVM: Wir werden konsequent die in der Weinheimer Erklärung genannten Maßnahmen umsetzen.
Der BVM hat bereits mit der Kommunikation bestehender methodischer, berufsethischer und rechtlicher Anforderungen, auch anhand konkreter Fallbeispiele begonnen. So wurde in der Zwischenzeit mit dem BVM-Fachgremium Qualität und unabhängigen Fachleuten folgende Leitfäden und Hinweise erarbeitet und veröffentlicht:
- Preis
- und wie man sich als Auftraggeber vor gefälschte Interviews schützen kann
ADM: Das Vertrauen in die Ergebnisse der Markt- und Sozialforschung begründet sich vor allem in der Qualität. Von jeher betrachtet der ADM die Förderung der Qualität und Einhaltung der Qualitätsstandards als seine zentrale Rolle. Die Qualität geht allerdings über die Durchführung der Interviews hinaus – der gesamte Forschungsprozess muss in der Diskussion berücksichtigt werden. Es geht um die Zeit, die für die Abwicklung einer Studie benötigt wird, die gewählte Methode, den Respekt gegenüber den Interviewerinnen und Interviewern sowie gegenüber den Befragten. Außerdem spielt die Qualitätssicherung auch für die Durchführung und Kontrolle der Feldarbeit sowie bei der Auswertung und Transparenz im gesamten Forschungsprozess eine entscheidende Rolle. Hierfür soll es eine deutlichere Kommunikation bestehender methodischer, berufsethischer und rechtlicher Anforderungen geben; dazu gehören die vorhandenen Qualitätsstandards, Leitfäden und Checklisten, unter anderem unter Nutzung der durch den ADM veranlassten neuentwickelten DIN Spec 91368. Zusätzlich sollen die Richtlinien auf die neuen Gegebenheiten auch in Bezug auf die EU-Datenschutzgrundverordnung hin geprüft werden. Normen und Richtlinien müssen auch gelebt werden. Und das geht die gesamte Branche und alle Protagonisten an, also Institute und Auftraggeber gleichermaßen. Denn all die Anforderungen, die die Branche an die Qualität hat, sind auch mit finanziellem Aufwand verbunden. Hier möchten wir auch die Auftraggeberseite bitten, nachdenklicher mit dem Thema umzugehen und unrealistisch günstige Preise für Studien kritisch zu hinterfragen. Denn Qualität hat nun mal ihren Preis.
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