Nachwehen der Akte Marktforschung Die ADM TransparenzStandards sollen für Durchblick sorgen. Tun sie das?

Manipulationsvorwürfe in der „Akte Marktforschung“ des Spiegels haben 2018 die Branche in ihren Grundfesten verunsichert. Der ADM hat damals reagiert und als eine Maßnahme die „ADM TransparenzStandards“ eingeführt. Sie sollten wieder für Sicherheit und Transparenz sorgen. Aber nicht bei allen Playern am Markt scheint das Thema gleichermaßen eingeschlagen zu sein.

Hat die ADM TransparenzStandards ihr Ziel erreicht? Die Einschätzung fällt am Markt unterschiedlich aus. (Bild: picture alliance / Zoonar | Matej Kastelic)

Die „Akte Marktforschung“ der Spiegel Redaktion hat 2018 die Branche erschüttert. Es kam zu Ausschluss von zwei Mitgliedsinstituten,  Insolvenzen und das Vertrauen in die Institute der Marktforschungsbranche war angekratzt. Der ADM zögerte nicht und setzte sich mit den Vertretern der Institute zusammen. Herausgekommen sind neu definierte Standards, die für mehr Transparenz, Sicherheit und damit auch für Vertrauen sorgen sollten.

ADM TransparenzStandards

Sebastian Götte (Bild: ADM)

„Die ADM TransparenzStandards wurden 2019 im ADM von den Mitgliedsinstituten verabschiedet und gehören seitdem zu den Standards des ADM, die in Angeboten und Methodenberichten berücksichtigt werden müssen“, erklärt Sebastian Götte, ADM-Vorstand und Geschäftsführender Gesellschafter bei aproxima aus Weimar.

„Außerdem sind die Standards zur Transparenz neben dem erweiterten Qualitätsbegriff, der erweiterten Beratungsqualität und der Offensive zur Erhöhung der Datenkompetenz in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft Teil der neuaufgelegten ADM-Qualitätsinitiative 2.0. In diesem Qualitätsquadranten bilden sie einen enorm wichtigen Eckpfeiler, da ohne Transparenz die Bewertung von Qualität fast unmöglich ist.“

Mittlerweile sind die neuen Standards zum Standard geworden

Im ADM sind etwas mehr als 70 Institute und Marktforschungsdienstleister als Mitglieder vertreten. Für die ADM-Institute gehören „ADM TransparenzStandards“ inzwischen zum Standard. „Sie müssen die Transparenzstandards grundsätzlich anwenden“, so Sebastian Götte. Und in den Instituten wird die Qualitätsinitiative 2.0 des ADM willkommen geheißen.

„Wir begrüßen die Transparenz Initiative des ADM voll und ganz und unterstützen diese auch. Das ist doch vollkommen in unserem Interesse“,

sagt Holger Liljeberg, Geschäftsführer der Info GmbH.

Holger Liljeberg

Für sein Marktforschungsinstitut war Transparenz bereits vor der „Akte Marktforschung“ sehr wichtig. „Wir haben solche Standards schon genutzt, bevor es überhaupt durch die Spiegel Sache zu einem großen Thema wurde“, erklärt Holger Liljeberg. „Da wir meist für öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber aus der Wissenschaft arbeiten, wollen diese immer haargenau wissen, wie Ergebnisse zustande kamen. Also ist es für uns normal, dass wir Kunden an Prozessen teilhaben lassen, oder Stichprobenergebnisse mitteilen.“

Auch Olaf Hofmann, Geschäftsführer der Skopos Group, begrüßt die Initiative: „Das war ein notwendiger und insofern richtiger Schritt angesichts der potenziellen Tragweite des Vorfalles. Ob nun die Transparenz Initiative allein dazu geführt hat, dass sich alles sehr schnell wieder beruhigt hat, kann man trefflich diskutieren.

Dass sie aber mit entscheidend dazu beigetragen hat, dass das Vertrauen in unsere Branche wieder hergestellt, wenn nicht sogar noch verbessert wurde, ist in meinen Augen unzweifelhaft.“

Die Umsetzung der Initiative fiel seinem Institut nicht schwer. Denn, „Skopos ist seit sechs Jahren ISO 20252 zertifiziert, und insofern waren uns die Anforderungen mindestens geläufig und in den meisten Fällen arbeiten wir bereits mit diesen Prinzipien mit unseren Kunden.“

 

„Ganz bestimmt ein Augenöffner“

Holger Liljeberg glaubt aber nicht, dass alle Auftraggeber für das Thema Transparenz sensibilisiert sind oder waren. Daher sieht er auch Positives an der Sache. „Wir können uns vorstellen, dass die Spiegel-Recherche für einige Kunden ganz bestimmt ein Augenöffner war. Vor allem für die kleineren Auftraggeber. Viele wollen jetzt genauer wissen, wie eine Forschung durchgeführt wird und suchen die engere Kommunikation mit den Instituten.“

Aber nicht nur einige Auftraggeber scheinen sensiblerer für das Thema zu sein, wie Sebastian Götte erklärt. „Wir bekommen zudem auch immer wieder Anfragen von Instituten, die nicht im ADM sind, wo sie die Standards finden.

Das zeigt also, dass sie anscheinend auch über den ADM hinaus genutzt werden. Ziel ist, dass die Standards von allen Markt- und Sozialforschungsanbietern genutzt werden.“

Wie werden die neuen Standards umgesetzt?

Es gebe verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel Formulare, in die die Institute die Angaben zu den einzelnen Kriterien eintragen können, so Sebastian Götte. „Diese Formulare können dann den Angeboten beigelegt werden. Eine andere Möglichkeit ist, alle Kriterien direkt ins Angebot aufzunehmen. In beiden Fällen wird noch ein Hinweis hinzugefügt, dass das vorgelegte Angebot alle Kriterien erhält. In genau definierten Ausnahmefällen (zum Beispiel Wiederholungsstudien) können die Institute auf die Angaben verzichten. Auch das muss jedoch transparent im Angebot dokumentiert werden. Zudem gibt es ein Logo, dass an der entsprechenden Stelle in das Angebot eingebaut wird.“

Mehr Durchblick für den Auftraggeber

Auf der Auftragsseite sollen die Standards für mehr Durchblick sorgen. Denn: „Wer in empirischer Forschung außerdem noch nicht so erfahren ist, weiß eventuell nicht, welche Informationen im Angebot wichtig sind – und vor allem, welche fehlen“, weiß Sebastian Götte. Ein dezidierter Kriterienkatalog soll hier eine hohe Vergleichbarkeit der Angebote schaffen. „Welche Kriterien er enthält, richtet sich nach den verwendeten Erhebungsmethoden. Der Kriterienkatalog ermöglicht den Auftraggebern, die Qualität einer Studie bereits im Angebotsprozess zu bewerten. Außerdem sollen die Standards die Verständigung zwischen Auftraggeber und Institut unterstützen. Wir haben festgestellt, dass diese im Vorfeld eines Angebots kaum noch stattfindet.“

Die TransparenzStandards sollen also dazu anregen, mehr miteinander zu kommunizieren.

Das gelang nach der Erfahrung von Olaf Hofmann anscheinend nur zum Teil. Zu Beginn habe es vermehrte Kommunikation gegeben. „Da unsere Kunden aber viele der Prinzipien und Regeln aus ISO 20252 kannten, gab es keinen größeren Abstimmungsbedarf.“

Anscheinend haben Auftraggeber „Thema nicht auf dem Schirm“

Ob die neuen Standards auch den vielen Auftraggebern bekannt sind, weiß man beim ADM nicht. „Hierzu haben wir leider keine Informationen.“ Wie Holger Liljeberg berichtet, sind sie öffentlichen Auftraggebern und Kunden aus der Wissenschaft durchaus bekannt. Aber das scheint nicht für alle Branchen zutreffend zu sein.

marktforschung.de hat bei einigen Auftraggebern aus unterschiedlichen Branche nachgefragt. Dort hieß es aber immer, dass man zu dem Thema nichts beitragen könne. Das Thema wäre nicht bekannt. Nur ein Auftraggeber gab eine vage Antwort, wollte in diesem Artikel jedoch nicht namentlich genannt werden.

Dort hieß es, dass das Thema bei ihnen noch nicht angekommen sei. Man erinnere sich zwar, dass da mal etwas war, aber auf dem Schirm habe man das Thema nicht.

Olaf Hofmann

Olaf Hofmann bestätigt diesen Eindruck: „Die allermeisten Kunden haben sich durch den Vorfall, der die Initiative ausgelöst hatte, ohnehin nicht irritieren lassen. Solche Vorfälle sind bedauernswert und gehören mit allen Mitteln verfolgt. Sie sind aber nicht ‚typisch‘ für unsere Branche und das wissen unsere Kunden. Dennoch wirkt es schnell schräg, wenn man einfach so wieder zur Tagesordnung übergeht, gerade angesichts der Massivität, mit der der Vorgang medial gespielt wurde vom Spiegel. Als sich dann aber herumsprach, dass der Spiegel bei dem Vorgang nicht neutral war und Eigeninteressen eine mit ausschlaggebende Rolle für die Art der Berichterstattung spielten, ist noch schneller Gras über die Sache gewachsen. Die Initiative aber bleibt - und das ist gut so.“

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Über die Personen

Markus Grunwald ist  Redakteur beim Smart News Fachverlag und Ansprechpartner für redaktionelle Themen auf marktforschung.de und CONSULTING.de.

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