Designforschungstag 2015: Über die Wandlungsfähigkeit von Unternehmen

Hamburg - Transformation und die damit einhergehenden Fragen hinsichtlich der erforderlichen Wandlungsfähigkeit von Unternehmen war das Leitthema des diesjährigen Designforschungstages. Die zweite Veranstaltung der Konferenzreihe, die am 5. Mai in Hamburg stattfand, wurde von rund einhundert Teilnehmern besucht, vorrangig Führungskräfte aus den Bereichen Marketing, Innovationsmanagement, Design sowie Forschung & Entwicklung.
Die Redner stellen das Thema vielseitig dar. Dieses beschäftigte sich dem Untertitel „Driving the Change – der Wandel als Freund“ entsprechend mit dem Gedanken, wie ein Unternehmen frühzeitig auf Veränderungsprozesse im Markt reagieren und diesen Wandel in Produkt, Packung und Marke mitgestalten kann. Zentrale Frage dabei war, welche Rolle Design und Designforschung spielen.
Nach einigen wissenschaftlichen Gedanken zum Thema vom Schirmherrn Rat für Formgebung, vertreten durch Lars Quadejacob, folgte gleich ein Einblick in den Unternehmensalltag: Sebastian Troll, Executive Director Marketing von RE/MAX, zeigte auf, wie das führende Franchise-System im Bereich Immobilien Professionalität und Transparenz vorantreibt und damit auf neue Kundenbedürfnisse und ein verändertes Nutzerverhalten reagiert. Basis hierfür: Ein klares Markenprofil und der Fluid-Branding-Ansatz.
Dr. Stephan Langer, Senior Research Manager bei Bayer Consumer Care, berichtete, wie Aspirin von der Mono-Marke zum Markensystem entwickelt wurde. Beachtlich vor allem, dass sich der Großkonzern aus einer Position ohne Leidensdruck mit viel Mut dem Risiko der Weiterentwicklung unterwarf und sich dabei vorab zu Forschungszwecken der Kritik der Konsumenten stellte. Hanswerner Dreissigacker, Head of Front Runner Apps Team bei SAP, wiederum zeigte auf, was die Implementierung von Design Thinking in der Unternehmenskultur bewegt hat. Dabei betonte er, wie maßgeblich das Einbeziehen der Mitarbeiter ist, wenn die Kollaboration gefördert sein will: „Design is a behaviour, not a department“.
Von ganz anderer Couleur die Beiträge von Jeremy Abbett und Dr. Dag Piper. Abbett als Creative Evangelist bei Google referierte über Design Fiction als Variante des Research und zeigte anhand diverser Beispiele auf, wie Entwicklungen von heute eigentlich jahrzehntealter Ideen entsprangen. Er platzierte klare Empfehlungen für erfolgreiche Weiterentwicklung: ein Grundprinzip bilden („Start with the most fundamental truths“), einen breiten Querschnitt im Team zu haben (Erfahrung, Geschlecht, Alter, Ansichten) und Bequemlichkeit zu vermeiden („Find ways to disrupt yourself!“). Auch Piper, Global Head of Consumer Insights bei Mars Petcare, bediente sich sozusagen der Vergangenheit. Sein Thema: Die ‚vergessenen Dinge’ und der Hang der Menschen zu Nostalgie war gleichzeitig ein Aufruf, Innovation nicht als Bruch sondern als Weiterentwicklung zu sehen und sich klarzumachen, dass wir selbst die Gestalter der Zukunft sind: „Design Thinking is inspired by and created with real people – it’s not a rocket science“.
Einen besonders offenen Einblick gewährte David Kuntzsch, Head of Marketing bei ERCO: In seinem Vortrag ließ er die Zuhörer teilhaben an dem radikalen Transformationsprozess des Unternehmens, der durch den Technologiewechsel zur LED ausgelöst wurde. Eine enorme interne, technologische Veränderungsdynamik wurde dank einer langfristig ausgerichteten Markenpositionierung und einer eigenständigen Haltung zu Lichttechnik und Design vom Markt in hohem Maße erfolgreich aufgenommen. Durch die agile Veränderungsbereitschaft konnte das Unternehmen seine Technologieführerschaft behaupten und neue Marktanteile hinzugewinnen. Genauso ließen Alessia Rullo, UX Team Lead bei Hewlett-Packard Barcelona, und Karsten Henze, Leiter CI/CD und Kreation bei der Deutschen Bahn die Teilnehmer ganz konkret an den Entwicklungen ihrer Unternehmen teilhaben. Beide gingen im Detail auf den Verlauf samt aller Schwierigkeiten ein, einschließlich der Klarstellung, dass Transformation ein nie endender Prozess, aber die Mühe wert ist.
Auch die Initiatoren des Designforschungstages waren mit entsprechenden Beiträgen vertreten. So wurde Arnd von Romatowski, Geschäftsführer von mc marktconsult, dem Titel "Statistic meets Creativity" gerecht, indem er dafür plädierte, durch gezielte Designexperimente statt linearer Designentwicklung Optimierungspotenziale auszuloten und Entwicklungsprozesse zu verkürzen. Prototypen, gebildet auf Basis spezieller Algorithmen, dienen dabei als Reibungsfläche für Konsumenten und liefern Learnings für das spätere erfolgreiche Design.
Christian Prill, Partner Brand Strategy bei Factor Design, klärte darüber auf, dass ein kleinliches Regelwerk zur Marke gestern war, heute aber viel mehr übergeordnete Prinzipien (beispielsweise herunterbrochen auf Farbe, Schriftzug und Form) gefragt sind, die so Flexibilität in bewegten Märkten bieten. Weiterhin sprach er darüber, dass Marken kein Abstraktum sind, sondern ‚soziale Bündnisse von Menschen um attraktive Angebote herum’. Anhand von Marken- und Designforschung gilt es, deren Treiber herauszufinden.
Für Begeisterung bei den Teilnehmern sorgte, wie bereits im letzten Jahr, der interaktive Teil, den Indeed unter Leitung des Geschäftsführers Karel J. Golta veranstaltete – sinnvoll deswegen, weil Designforschung auch Kollaboration und Co-Creation beinhaltet: Mittels der World-Café-Methode erarbeiteten die Gäste eine Vielfalt von Aktivitäten, die Wandel ermöglichen, und öffneten sich dabei dem Thema sehr positiv und konstruktiv. Der Arbeitstitel „From Hate to Love“ war offensichtlich Programm.
Immer wieder im Fokus: Im Mittelpunkt steht der Mensch – die Consumer, die Mitarbeiter, alle Stakeholder müssen bei Transformationsprozessen berücksichtigt und einbezogen werden. Die Diskussionen innerhalb der Pausen und die viel genutzten Möglichkeiten zum Netzwerken unterstützen diesen Gedanken: Der Austausch unterschiedlichster Menschen zeigt den Weg nach vorn.
ah
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