Daniela Blenke, Kantar Der schnelle Weg zum überzeugenden Verpackungsdesign

Global Player wie Unilever produzieren bereits seit einiger Zeit Verpackungen, die sich an Nachhaltigkeitsstandards orientieren und auch von Menschen mit Beeinträchtigung problemlos genutzt werden können. Auch andere Marken stehen zunehmend vor der Herausforderung, mit modernen Verpackungsdesigns überzeugen zu können, die gleichzeitig steigende Anforderungen an Corporate Social Responsibility erfüllen. Kantar hat gerade ein Tool auf den Markt gebracht, das hilft, Verpackungsdesigns konsumentenzentriert zu entwickeln und dabei sowohl unbewusste als auch bewusste Wahrnehmungen der Packungen messbar macht.

Produktverpackungen sollten auch von Menschen mit Beeinträchtigungen problemlos genutzt werden können. (Bild: Kantar)

Nachhaltige Verpackungen werden in den kommenden Jahren immer weiter an Bedeutung gewinnen. So ist es für Jeremy Schwartz, den Chairman des Bereichs „Sustainability and Inclusion Practice“ bei Kantar durchaus vorstellbar, dass Unternehmen schon bald gesetzlich dazu verpflichtet werden, für ihren eigenen Verpackungsmüll zu bezahlen.

„One particular area is governments bear the cost of waste, recycling and management and they will want companies to pay for all the waste they generate end to end. Looking at waste packaging will be a key new initiative for you.”

Jeremy Schwartz, Chairman of Kantars Sustainability and Inclusion Practice, Kantar Sustainability-Konferenz September 2021.

Corporate Responsibility treibt Markenwert

In Zeiten der Klimakrise erwarten schließlich sowohl Regierungen als auch Konsumierende, dass sich Unternehmen bei ihren Verpackungen an modernen Nachhaltigkeitsstandards orientieren. Diese Beobachtung wird von Daten untermauert: Im Rahmen von Kantars Global Monitor-Untersuchung schrieben rund 70 Prozent der Befragten den Konzernen die größte Verantwortung bei der Bewältigung der weltweiten Umweltprobleme zu. Kantars aktuelle BrandZ-Studie deckt darüber hinaus einen immensen positiven Einfluss von Corporate Responsibility auf das Markenwachstum auf. Unternehmen sollten also nicht nur aus ethischen oder ökologischen Gesichtspunkten auf nachhaltige Verpackungen umstellen, sondern auch aus ganz konkretem ökonomischem Interesse.

Schließlich macht längst nicht nur die „Generation Z“ ihre Kaufentscheidungen in ganz erheblichem Maße davon abhängig, ob die Produktverpackung Nachhaltigkeits-Anforderungen gerecht wird.

Nachhaltigkeits-Eigenschaften von Packungsdesigns müssen in Sekunden am Regal erkennbar sein

Ein ansprechendes Design zu kreieren, das sich im Regal gut verkauft und gleichzeitig für Konsumierende Nachhaltigkeit ausstrahlt, stellt eine Herausforderung dar. Die Nachhaltigkeits-Eigenschaften der Verpackung sollten implizit kommuniziert werden, während die Verpackung dennoch im Regal auffallen muss und damit nicht ausschließlich auf die gelernten Nachhaltigkeits-Signale setzen kann.

Bei klassischen Packungstests äußern Konsumierende direkt, wie ihnen ein Design gefällt. Doch fehlt bei vielen dieser Ansätze die implizite Ebene, das Bauchgefühl der Konsumierenden. Dabei handelt es sich um implizite und in der Regel auch nicht explizit kommunizierbare Kognitionsinhalte, die einen erheblichen Einfluss auf unsere Entscheidungsfindung haben.

Am Regal halten sich Käuferinnen und Käufer nur Sekunden mit der Auswahl eines Produktes auf, sie sind dann oft im „Autopiloten“ unterwegs.

Gute Packungsdesigns kommunizieren auch diesem Autopiloten unterbewusst die relevanten Assoziationen, die für die Kaufentscheidung ausschlaggebend sind. Und in vielen Kategorien sind dies heute eben auch Assoziationen zur Umweltverträglichkeit der Verpackung.

Für die Nachhaltigkeits-Wahrnehmung von Packungsdesigns, braucht es Einblicke in implizite Kognitionsprozesse – die Typ 1 und Typ 2 Wahrnehmung

Diese implizite Wahrnehmung wird bei Daniel Kahnemann und Amos Tversky „System 1“ genannt. Als Gegenstück zu der System 1 Wahrnehmung steht das System 2 Denken. Dieses bezieht sich auf bewusste Reflexionsprozesse und umfasst rationale Denkvorgänge.


Kantar Decision Making Framework. (Grafik: Kantar)

Unser Modell der Entscheidungsfindung zeigt, dass die menschliche Entscheidungsfindung und das menschliche Verhalten nicht binär sind. Es besagt, dass sowohl intuitive als auch reflektive Faktoren im Spiel sind und beide sind bis zu einem gewissen Grad an jeder Entscheidung beteiligt. Daher sprechen wir nicht von System 1 & 2, sondern von Typ 1 & 2, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass wir sie nicht als getrennte Systeme sehen.

Es handelt es sich also dabei nur um zwei verschiedene Typen von Prozessen, die im Gehirn ablaufen und beide sind an jeder Entscheidung beteiligt. 

Unsere intuitiven, Typ 1 Prozesse, einschließlich Emotionen, Erfahrungen und schwer zu artikulierende Gedanken, sind für einen ersten Entscheidungsvorschlag verantwortlich. Diese Entscheidung geht mit einem Meta-Gefühl einher, das als Gefühl der Richtigkeit bekannt ist. Das reflexive System prüft das Gefühl der Richtigkeit und bestimmt, inwieweit das reflexive System die Entscheidung weiter untersucht (Typ 2). 

In unserer Innovationsforschung und besonders bei der konsumentenzentrierten Entwicklung von Verpackungsdesigns müssen wir dieses Wechselspiel zwischen intuitivem und reflektierendem Denken verstehen. Ohne dieses Verständnis sind wir nicht in der Lage, die Absicht der Konsumierenden zu erklären.

Um dies zu ermöglichen, hat Kantar mit „Pack eValuate Screening“ ein innovatives Tool entwickelt. Es ermöglicht durch Reaktionszeitmessungen sowohl -Typ 1 als auch Typ 2-Messungen. Hierdurch basiert die Priorisierung von Packungsdesigns sowohl auf der impliziten als auch auf der expliziten Wahrnehmung.

Pack Diagnostik gibt Aufschluss über Sales und Branding-Potenziale

Ein solches Screening funktioniert folgendermaßen: Je nach Anzahl der Design-Optionen beurteilt eine bestimmte Menge an Kategorie-Verwender die Designs. Bei sechs Designs liegt die Fallzahl beispielsweise bei mindestens n=150 und das Ergebnis gibt es bereits nach circa 24 Stunden.

Dabei treten alle Verpackungsdesigns zunächst im Paarvergleich gegeneinander an:

Trade-Off: Bis zu 20 Paar-Vergleiche hintereinander inklusive Reaktionszeitsmessung. (Bild: Kantar)

Die Kategorie-Verwender wählen nun immer das von ihnen favorisierte Design aus, wobei sowohl das Bauchgefühl als auch das reflektierte Denken für die Auswertung berücksichtigt werden. Anschließend erfolgt eine Bewertung der einzelnen Designs auf entscheidungsrelevanten KPI (Sales- und Markenwirkung).

Bei der Sales Wirkung geht es darum zu überprüfen, ob den Teilnehmenden die Designs gefallen, sich diese unterscheiden und zum Kauf motivieren. Bei der Markenwirkung interessiert uns ergänzend das Zusammenspiel von Markenwahrnehmung und Design, was diese mit den Wichtigen Säulen unseres Meaningful Different Frameworks machen, der Brand Affinity sowie der Brand Difference.

Zum Standard-Ablauf des Pack eValuate Screenings gehört zudem ein impliziter Assoziationstest, der Aufschluss darüber gibt, welche bewussten und unbewussten Reaktionen ein Verpackungsdesign auslöst. Exemplarisch könnte man hier erheben, ob die Verpackungen als „neu“, „nachhaltig“ oder „modern“ wahrgenommen werden.

Type 1 - Überprüfung der impliziten Assoziationen. (Bild: Kantar)

Dieser implizite Assoziationstest ist bei Packungsstudien besonders wichtig. Bei einer Studie haben wir beispielsweise festgestellt, dass ein Grund für eine zögerliche Bewertung war, dass die nachhaltigere Verpackung als weniger „Geschenk-fähig“ wahrgenommen wurde. Ein wichtiger Kaufgrund dieses Produkts.

Für einen anderen Kunden, der mit seinem neuen Produkt besonders gesundheitsbewusste Konsumierende ansprechen wollte, wurden mit unserem Intuitiven Assoziationsansatz drei Verpackungsoptionen getestet. Wir haben dabei im impliziten Assoziations-Teil getestet, wie gut die Worte „gesund“, „besser für mich“ „für Zwischendurch“ oder „modern“) zu den Design-Vorschlägen passen.

Es zeigte sich, dass ein Verpackungsdesign aufgrund seiner Farbe mit gesundem Essen assoziiert wurde, während die beiden anderen Optionen mit Snacks verknüpft wurden. Diese implizite Wahrnehmung war entscheidend für die Empfehlung des ersten Packungsdesigns, um die gesetzten Ziele des Kunden zu erreichen.

Inklusive Verpackungen gewinnen an Bedeutung

Mit dem Pack eValuate Screening lässt sich jedoch nicht nur die Haltung von Menschen zu nachhaltigen Verpackungen abfragen. Branchenübergreifend immer bedeutender werden inklusive Produktverpackungen, die auch von Menschen mit Beeinträchtigung genutzt werden können. Marken wie McDonald’s, Rexona, Herbal Essences’ oder Voltaren haben ihr Sortiment bereits um besonders leicht zu gebrauchende Verpackungen ergänzt, deren Öffnung keinen großen Kraft- oder Koordinationsaufwand erfordert. Herbal Essences‘ hat beispielsweise sensorisch verbesserte Flaschen herausgebracht, die es sehbeeinträchtigten Menschen ermöglicht, zwischen Schampoo und Spülung zu unterscheiden.

Obwohl die Sensibilität für die Bedeutung inklusiver Produktverpackungen in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat, gibt es hier nach wie vor ein gewichtiges Verbesserungspotenzial.

Ein Großteil der heute auf dem Markt verfügbaren Verpackungen ist nämlich für Menschen ohne Beeinträchtigung entwickelt worden und schließt damit viele potenzielle Kunden vom Gebrauch aus.

Inklusive Verpackungen überzeugen durch intuitive Handhabung

Schon in die Produktentwicklung sollte die Perspektive von Menschen mit Beeinträchtigung einfließen. (Bild: Kantar)

Um ein inklusives Verpackungsdesign entwickeln zu können, gilt es einige zentrale Faktoren zu berücksichtigen. Dazu zählen beispielsweise die intuitive und flexible Handhabung, der ergonomische Aufbau sowie ein geringes Verletzungsrisiko bei der Verwendung.

In einer Zeit, in der Gleichheit, Vielfalt und Nachhaltigkeit als gesellschaftliche Grundwerte einen hohen Stellenwert erlangt haben, müssen Unternehmen durch neue Ansätze auf die sich verändernden Anforderungen der Konsumierenden reagieren.

Kantars „Pack eValuate Screening“ stellt ein innovatives Tool dar, nicht nur die bewusste Meinung von Menschen abzufragen, sondern auch implizite Kognitionsprozesse zugänglich zu machen. Dadurch können Marken die Entwicklung nachhaltiger und inklusiver Verpackungsdesigns entscheidend professionalisieren, was ihnen Marktvorteile verschaffen kann.

Über die Autorin

Daniela Blenke ist bei Kantar als Senior Director in der Innovation Domain tätig und befasst sich seit mehr als sieben Jahren mit Innovationsforschung.

 

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